Ein Mann läuft schnell, um seinen VO2max zu verbessern
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Schneller laufen
Das bedeutet der VO2max-Wert für deine Leistung

| Text: Tom Rottenberg | Fotos: Adobe Stock

Der VO2max-Wert gibt die höchstmögliche Sauerstoffaufnahme beim Sport an. Was das für deine Rennen bedeutet und wie du den Wert verbessern kannst.

Lasst uns über Zahlen reden! Aber nicht über die, auf die wir beim Laufen zuallererst schauen: Zeit. Strecke. Pace. Wichtig – aber dann gibt es da noch jene Werte und Zahlen, die sich nicht auf den ersten Blick selbst erklären – und für viele, auch erfahrene Läuferinnen und Läufer, ein Rätsel darstellen.

Denn Hand aufs Herz: Wer weiß denn wirklich, was der VO2max ist? Was er aussagt, wie man ihn interpretiert oder sogar verbessert? VO2max? „Irgendwas mit Sauerstoff,“ lautet meist die Vermutung. Und dann kommen fragende Blicke.

„Irgendwas mit Sauerstoff“ ist immerhin ein Ansatz: „V“ steht für „Volumen“, O2 für Sauerstoff und „max“ für Maximum. Es geht also um Sauerstoffmengen (eigentlich: -volumina). Genauer: Um die maximale Sauerstoffmenge, die ein Mensch aufnehmen und verarbeiten kann.

Die Ausdauerfähigkeit mit V02-max bestimmen

Der VO2max ist ein zentraler Puzzlestein, um die Belastbarkeit und damit Ausdauer-Leistungsfähigkeit, einer Person bestimmen und einordnen zu können: Je höher der in Milliliter-pro-Minute-und-Kilogramm-Körpergewicht gemessene VO2max ist, umso höher ist die Ausdauerleistung.

Kennt und beobachtet man den VO2max und seine Entwicklung, kann man systematischer ins Training eingreifen: Man weiß, wo man steht. Was möglich ist. Und was (derzeit) wohl nicht. Nicht nur im Profi-, auch im Hobbysport.

Was man dafür braucht? Daten. Und die Fähigkeit, sie richtig zu lesen. Beginnen wir trotzdem einen Schritt früher: Beim Sauerstoff.

Sauerstoff für Energiegewinnung wichtig

Der ist unser Treibstoff. Er sorgt dafür, dass der Körper Nährstoffe aus dem Blut aufnehmen und umsetzen kann. Soll aus Kohlenhydraten, Fett und Proteinen Energie werden, muss für diese „Metabolisation“, den Stoffwechsel, Sauerstoff zur Verfügung stehen. Zur richtigen Zeit in ausreichender Menge. So weit so simpel: Braucht man mehr Energie – etwa beim Laufen – atmen wir schneller und tiefer.

Doch dann wird es rasch komplex. Etwa wenn man herausbekommen will, wer unter welchen Bedingungen wie viel Sauerstoff braucht. Und vor allem: tatsächlich verarbeiten kann. Und: Ob und wie sich das optimieren lässt. Klar – und auch für Laien verständlich: Je mehr Sauerstoff zugeführt, transportiert und verwertet werden kann, umso besser. „Mehr“ kann man messen: VO2max beschreibt, wie viele Milliliter Sauerstoff der Körper in einer Minute pro Kilogramm Körpergewicht verwerten kann. Der Vollständigkeit halber: Dafür muss er diese Menge natürlich auch aufnehmen und transportieren können.

Läufer schauen auf die Uhr, um ihren VO2max-Wert zu erfahren
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Verschiedene Methoden zur Berechnung

Die genaueste Methode, den VO2max zu berechnen, ist die „Atemgasanalyse“. Beim sogenannten Spiroergometrie-Test gehen Sportmediziner und Sportwissenschaftlerinnen oder auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen so vor, wie bei anderen Leistungstests: Der Widerstand – beim Ergometer – oder das Tempo beim Laufband wird so lange erhöht, bis der Proband oder die Probandin nicht mehr kann. Diese haben eine Maske über Mund und Nase – so wird der Sauerstoffverbrauch gemessen.

Misst man weniger aufwändig, gibt es zwar aussagekräftige, aber weniger präzise Ergebnisse:
- Formeln nach denen – etwa beim „Cooper-“, „Rockport-“ und „Mile-“ Test vorgegangen wird, sind unterschiedlich kompliziert und fehleranfällig, tauchen aber regelmäßig im Netz auf. Sie werden von Laien kaum mehr genutzt. Denn

- Viele Laufuhren weisen mittlerweile VO2max-Werte in der Trainingsanalyse aus. Die Werte werden über Algorithmen errechnet, die auf Daten fußen, die der Athlet oder die Athletin oft über Jahre auf den Servern der Uhren-Hersteller hinterlegt hat. Neben Alter und Geschlecht sind das Trainings- und Wettkampfergebnisse, Pace- und Herzfrequenzdaten und meist auch das Gewicht. Die Unschärfe beginnt hier: Abgesehen von oft nicht tagesaktuellen Gewichtsdaten, sind Herzfrequenzmessungen am Handgelenk oft unterschiedlich genau. Und Lauf-Daten sagen oft wenig über Topographie, Boden, Wind und Wetter aus – all das gehört zu den relevanten Belastungen, die beim Errechnen von VO2max-Werten mitbedacht werden sollten.

- Etliche (professionelle) Trainingsplan-Tools werten deshalb primär spezifische Wettkampfergebnisse aus, um VO2max-Werte zu berechnen und inkludieren Streckenbeschaffenheiten, Steigungen und Höhenprofile. Vorteil: Diese Parameter sind „objektiv“. Nachteil: Die Dichte der verfügbaren Daten schwankt von Athletin zu Athlet oft enorm.

Auch mit den Werten der Sportuhr kann man gut arbeiten

Kurz und knapp: Je „medizinischer“ und „wissenschaftlicher“ gemessen wurde, umso genauer sind die Ergebnisse. Und umso mehr objektive, also vergleichbare, Aussagekraft haben die Zahlen.

Allerdings heißt das nicht, dass man mit Werten, die die eigene Sportuhr liefert, nichts anfangen kann: Vermutlich sind die ohnehin recht nahe an der Wahrheit. Doch auch wenn der Wert wissenschaftlich-präzisen Anforderungen nicht genügt, sagt er etwas aus.

Die Zahlen sind mit dem VO2max anderer Personen zwar nicht vergleichbar. Da sie von der gleichen Uhr aber jedes Mal nach den gleichen Parametern errechnet werden, verraten Veränderungen, in welche Richtung man sich entwickelt: Für Profis ist das natürlich zu wenig – im Amateur- und Hobbysport kann es aber brauchbare Hinweise geben.

Sind die Werte wissenschaftlich korrekt, sind sie objektiv vergleichbar. Dann kann jeder und jede das aktuelle persönliche Fitnesslevel einordnen – und Training- und Wettkampfplanung danach ausrichten.

Unterschiede bei Männern und Frauen

Männer und Frauen werden allerdings unterschiedlich „gelesen“: Männer haben meist einen geringeren Körperfett- und höheren Muskelmasseanteil als Frauen. Während Muskeln (vereinfacht gesagt) ständig „versorgt“ werden müssen, ist Fett „gespeicherte Energie“. Das bedeutet (immer: grob simplifiziert), dass Männer – anteilig – einen höheren Sauerstoffgrundumsatz haben als Frauen. Das bedeutet, dass eine Frau mit dem gleichen VO2max wie ein gleich alter Mann in der Regel ein höheres, also besseres, Fitnesslevel hat, als der Mann.

Zusammengefasst kann man sagen, dass der VO2max ein guter Indikator dafür ist, welche Leistung jemand erbringen könnte – und wo seine oder ihre Grenzen momentan liegen. Garant für bestimmte (Lauf)-Zeiten ist der VO2max aber keiner: Da spielen zu viele Komponenten mit, um Leistungen vorhersagen zu können. Das beginnt bei der Tagesform, betrifft emotionale ebenso wie mentale Komponenten und reicht über Technik, Wetter, Ausrüstung und Ernährung bis zum weiblichen Zyklus.

Laufzeiten über den VO2max-Wert berechnen

Objektive Aussagen lassen sich über den VO2max dennoch treffen. Bestimmte Leistungen setzen nämlich einen bestimmten Mindest-VO2max-Wert voraus. Um zu schlafen, muss man VO2max 3 schaffen. Beim Angeln wird es unter 16 kritisch – und für Marathon-Zeiten auf Weltrekord-Niveau muss der Wert um die 80 oder darüber liegen.

Denn über VO2max-Werte lassen sich theoretisch mögliche Laufzeiten errechnen – auf flachen Strecken, wohlgemerkt. Ob man diese Zeiten dann individuell tatsächlich schafft, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Die Aufgabe lautet also, den eigenen VO2max-Wert zu heben. Respektive: Über seine Veränderung herauszufinden, ob das Training in die richtige Richtung führt. Leider wird aber vor allem Ersteres umso schwieriger, je länger und systematischer man trainiert. (Wieder-)Einsteigerinnen und Anfänger sehen hier aber recht rasch Erfolge.

So kannst du deinen Wert verbessern

Studien belegen aber, dass es sehr wohl möglich ist, den VO2max nach oben zu schrauben. Und sei es mit „Baby Steps“. Am besten sind da „harte“ Intervalle: Drei bis fünf Minuten lang, mit etwas kürzeren Trabpausen, lautet die Faustregel. Wieso? Weil man so auch einen trainierten Körper in die Nähe des aktuellen Maximums treibt. Die kürzere Pause verhindert ein zu tiefes Absinken der Sauerstoffzufuhr. Und langsam verschiebt sich dann die Grenze. Bei Untrainierten können auch schon 30-Sekunden-Intervalle wirken.

Fast wie ein Widerspruch dazu klingt die zweite Methode: Lange, lockere Läufe. Also: WIRKLICH lang – und WIRKLICH locker. So wird die aerobe Seite unseres Ausdauersystems gestärkt. Wer aerob „besser“ unterwegs ist, bei dem oder der liegt bald auch die anaerobe und in Folge die VO2max-Latte höher.

Ideal: Die Kombination aus lang und ruhig sowie Intervallen

Ideal ist also ein – aus der Trainingslehre ohnehin bekanntes – Wechselspiel aus langen langsamen Läufen und Intervalleinheiten. Anfangs ist es da sinnvoll, mit „Longys“ ein Grundlagen-Fundament zu legen.

Der perfekte Sport, um das VO2max-Niveau anzuheben, dürfte übrigens Ski-Langlaufen sein. Das besagt eine 2021 in Norwegen durchgeführte Studie. Demnach ergibt sich dabei oft ein idealer Mix aus „lang“ und „hart“, VO2max-Werte von über 70, manchmal 80 sind so durchaus möglich.

Freilich: Eliud Kipchoge wurde noch nie auf Langlaufskiern gesehen. Sein (offiziell nie kommunizierter) VO2max wird aber auf 78 bis 82 geschätzt. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher männlicher Breitensportler hat meist zwischen 35 und 40. Er braucht für den Marathon aber meist doppelt so lang wie der Weltrekordhalter.