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Deutscher Marathon-Rekord in Reichweite?
Amanal Petros startet beim Hannover-Marathon

| Text: Jörg Wenig | Fotos: Imago Images, Norbert Wilhelmi

Amanal Petros wird erstmals bei einem deutschen City-Marathon an den Start gehen. Der deutsche Marathon-Rekordler (2:06:27 h) wird am 26. März den ADAC Marathon Hannover laufen.

Dies gaben die Veranstalter im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt. Ursprünglich wollte Amanal Petros, der seit Jahresbeginn für den SCC Berlin startet, im Februar den Sevilla-Marathon laufen. Zudem gaben die Veranstalter auch die Start-Zusagen der Kroatin Matea Parlov Kostro, Vize-Europameisterin von München, und von Rabea Schöneborn (SCC Berlin) bekannt.

Die 28-jährige Berlinerin war im Vorjahr Zweite in Hannover in 2:27:35 Stunden und belegte dann bei der EM in München Rang zwölf. Mit dem deutschen Marathon-Team gewann Rabea Schöneborn den in die EM integrierten Europa-Cup. Sie hat eine persönliche Bestzeit von 2:27:03 Stunden.

Fällt der deutsche Marathon-Rekord?

„Ich freue mich riesig auf meine Premiere in Hannover und bin sehr gespannt auf die schnelle und noch einmal optimierte Strecke“, erklärte der aus dem Trainingslager in Kenia zur Pressekonferenz zugeschaltete Amanal Petros, der sich in Hannover mit einer schnellen Zeit die Olympia-Qualifikation für die Spiele in Paris im Sommer 2024 schon so gut wie sichern könnte.

Amanal Petros, der unmittelbar vor dem Rennen direkt aus dem Trainingslager nach Hannover reisen wird, hat durch den später als bisher geplanten Marathon nun deutlich mehr Vorbereitungszeit. Wenn der EM-Vierte weiter gute Form aufbauen kann – am 15. Januar lief er bei einem 10-Kilometer-Rennen in Valencia trotz zweier Stürze in der Startphase eine persönliche Bestzeit von 28:03 Minuten –, ist ihm auf der schnellen Strecke eine Verbesserung seines deutschen Rekordes durchaus zuzutrauen. Wenn die Wetterbedingungen am 26. März stimmen, sollte zumindest der Streckenrekord in Hannover fallen. Dieser steht bei 2:08:32 Stunden.

Bestleistung trotz zweier Stürze am Start

In Sevilla war Amanal Petros in einer chaotischen Startphase zweimal zu Fall gekommen. Ein Jahr zuvor hatte er an selber Stelle seine Bestzeit von 28:38 Minuten aufgestellt. Jetzt war er mit 28:03 deutlich schneller und rückte in der Liste der schnellsten deutschen Läufer aller Zeiten auf Platz fünf nach vorne. Ohne die zwei Stürze wäre vielleicht sogar ein Ergebnis im Bereich des deutschen Rekordes möglich gewesen. Die 30 Jahre alte Bestmarke hält Carsten Eich mit 27:47 Minuten.

Das gute Rennen von Sevilla unterstreicht, was viele schon nach der EM dachten. Dort hatte er einen starken vierten Platz belegt und mit dem deutschen Team die Silbermedaille in der Europa-Cup-Wertung gewonnen. Doch man hat das Gefühl, dass der 27-Jährige Potenzial hat für weit mehr und auch in München noch nicht das Optimum herausholen konnte.

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Nach Team-Silber bei der EM Urlaub in den USA

Sehr zuversichtlich blickt Amanal Petros, der mit Jahresbeginn nun für den SCC Berlin und nicht mehr für den TV Wattenscheid startet, in die Zukunft. „Es ist noch vieles möglich, ich glaube an mich“, sagt der deutsche Halbmarathon- und Marathon-Rekordler (60:09 min/2:06:27 h).

Nach den Europameisterschaften in München und einem Halbmarathon in Kopenhagen im September machte Amanal Petros erst einmal Urlaub: Alleine reiste er ein paar Wochen lang durch die USA, unter anderem nach Las Vegas, Los Angeles, New York und Washington. In Las Vegas und Los Angeles besuchte er Tigray-Festivals. Dort leben viele Menschen aus der äthiopischen Region. „Das war eine großartige Gelegenheit für mich, mich mit anderen auszutauschen über die Situation. Sänger traten auf und Spenden für die Menschen in Tigray wurden gesammelt“, erzählt Amanal Petros. „Das war sehr wichtig für mich und hat wirklich gutgetan. In dieser Zeit habe ich einmal gar nicht trainiert.“

Entspannung in Tigray gibt Petros etwas mehr Ruhe

Im Dezember hatte sich die Lage in Tigray wesentlich verbessert. „Es ist wieder möglich anzurufen, allerdings gibt es bisher Telefonverbindungen meist nur in die größeren Städte. Meine Mutter konnte ich daher noch nicht sprechen, denn sie wohnt in einem kleinen Dorf, da ist es noch schwierig. Aber mit meiner Schwester habe ich gesprochen, und ich weiß jetzt, dass es ihnen gut geht. Das ist eine enorme Erleichterung, eine Last fällt mir von den Schultern“, sagt Amanal Petros. Nach Äthiopien zu reisen, wäre aber zu gefährlich für den Läufer, der sich in der Vergangenheit immer wieder mutig und sehr kritisch öffentlich gegenüber dem äthiopischen Regime geäußert hat.

Nach dem 10-Kilometer-Lauf in Sevilla ging es für Amanal Petros zurück nach Kenia, wo er im Höhentrainingslager in Iten weiter trainieren wird. Im Laufe des Jahres plant Amanal Petros noch mit zumindest zwei weiteren potenziell sehr schnellen Rennen. Neben dem Hannover-Marathon ist und erstmals sein Start beim BMW Berlin-Marathon am 24. September avisiert.

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Training in Deutschland und Kenia

Durch den Rückzug von Trainer Tono Kirschbaum fiel die erfolgreiche Wattenscheider Lauf-Gruppe weitestgehend auseinander – aber Kirschbaum, der weiterhin vor Ort Nils Voigt trainiert, wird auch zukünftig Amanal Petros unterstützen. Für den deutschen Rekordhalter ist die Trainersituation praktisch unverändert: „Tono ist nach wie vor mein Trainer“, sagt Amanal Petros. Wenn er in Deutschland ist, wohnt er wie bisher in Bochum und kann dort auch mit Nils Voigt trainieren, von dem er in Zukunft noch einiges erwartet.

Allerdings ist ohnehin das Höhentrainingslager in Iten der Ort, wo Amanal Petros die meiste Zeit des Jahres verbringt. Dort schließt er sich der Gruppe mit dem Schweizer Halbmarathon-Europarekordler Julien Wanders (59:13 min) an, die vom Erfolgscoach Renato Canova gesteuert wird. Der Italiener ist altersbedingt auch nicht immer vor Ort, schickt aber die Trainingspläne für die Gruppe. „Ich spreche die Pläne dann mit Tono ab und wir variieren gegebenenfalls etwas und passen sie für mich an“, erzählt Amanal Petros.

Petros erwartet weitere Steigerungen

Das nächste große Karriereziel ist natürlich der olympische Marathon in Paris im Sommer 2024. Ob er taktisch beim nächsten großen Meisterschaftsrennen vielleicht etwas zurückhaltender läuft als zuletzt (bei der EM unterstütze er Richard Ringer, als dieser zeitweilig etwas zurückfiel)? „Es ist noch sehr viel Zeit bis Paris. Und es kommt dann natürlich darauf an in welcher Form ich sein werde. Wenn ich mich gut fühle, dann will ich vorne in der Gruppe mitlaufen, aber kraftsparend, nicht an der Spitze“, sagt Amanal Petros, der nicht denkt, dass er bei der EM im Rennen zusätzliche Kräfte verlor und dadurch vielleicht eine Medaille verpasste.

„Es war eher so, dass ich erschöpft war von der gesamten belastenden Situation mit meiner Familie in Tigray – das ist dann doch nicht so einfach, unter solchen Umständen alles zu geben.“ Jetzt ist diese Belastung so gut wie weg und Amanal Petros blickt sehr optimistisch nach vorne: „Ich werde im Marathon ganz bestimmt noch stärker und auch schneller.“