St. Moritz Running Festival
Drei Tage Laufgenuss im Engadin

| Text: Stefan Schlett | Fotos: Fabian Gattlen, St. Moritz Running Festival, Imago Images

Drei Tage voller verschiedenster Laufevents, kulinarischer Erlebnisse und weiteren Highlights wie Yoga-Sessions, Livekonzerten und einem Kids Village – das ist das St. Moritz Running Festival.

Der Engadiner Sommerlauf gehört mit zu den ältesten Laufveranstaltungen in der Schweiz. 2019 zelebrierte er sein 40-jähriges Jubiläum mit einer Rekordteilnehmerzahl von über 2600 Läuferinnen und Läufern. Seit 2021 ist aus dem Lauf ein Drei-Tages-Event geworden – das St. Moritz Running Festival.

Auch in der Pandemie gab es keinen Totalausfall beim Engadiner Sommerlauf. Er gehörte zu den wenigen Events, die ohne Unterbrechung oder Terminverschiebung stattfanden, natürlich nicht ohne Teilnehmendenschwund, dafür aber ganz real.

Das Team des Engadiner Sommerlaufs rund um OK-Präsidentin Anne-Marie Flammersfeld nutzte die Pandemie aber auch, um sich neu zu sortieren. Flammersfeld, diplomierte Sportwissenschaftlerin, Mentalcoach, Vortragsrednerin und Personaltrainerin ist seit gut zwölf Jahren Präsidentin des Organisationskomitees des Engadiner Sommerlaufs.

Neues spektakuläres Event: Free Fall Vertical

Die umtriebige Extremsportlerin, die 2015 einen Weltrekord im Speedclimbing am Kilimandscharo aufstellte, führte bereits vor sechs Jahren den „Free Fall Vertical“ ein und machte aus dem Engadiner Sommerlauf ein Zweitages-Event.

Mit dem Vertikalrennen über 6,6 Kilometer und 1069 Höhenmeter über die Piste der Ski WM-Herrenabfahrt mit spektakulärem Ziel am legendären Starthang in 2840 Metern über dem Meersspiegel, dem sogenannten Freien Fall, wollte sie den Teilnehmenden eine neue Herausforderung anbieten und ihnen das Engadin aus der Höhe zeigen.

Aus zwei Tagen werden drei Tage Lauf-Festival

Mit dem abzusehenden Ende der Pandemie war die Zeit reif für Veränderungen. 2021 rief Flammersfeld mit ihrem Team das „St. Moritz Running Festival“ ins Leben. Aus zwei wurden drei Tage, mit dem „Crossing Engiadina“ als neuem Rennformat, einem dreitägigen Etappenlauf über die schönsten Trails der Region.

Der Sommerlauf (25,5 km) als Herzstück der Veranstaltung, Run Pontresina (12,2 km, ehemals Muragl-Lauf) und Vertikalrennen wurden in den Event eingebunden. In dem Areal um die Eisarena Ludains in St. Moritz Bad entstand ein Festivalgelände, das als zentraler Anlaufpunkt für alle Wettbewerbe und Aktivitäten diente.

Idyllische Lage direkt am See

Idyllisch am Ufer des Sankt Moritzersees gelegen, bot es neben sportlicher Unterhaltung eine extra Portion Lifestyle. Getreu dem Motto „Nach dem Lauf beginnt dein Festival“ lud die Bewegungsarena dazu ein, das Laufen mit noch mehr Lebensfreude zu verbinden. Im Festival Village lockten regionale Foodstände mit kulinarischen Highlights und warben mit dem Slogan „bei uns werden die Spaghetti nicht länger, sondern frischer“.

DJs, Yoga-Sessions, Livekonzerte und ein Kids Village für die kleinen Gäste luden nach dem Zieleinlauf zum Verweilen ein. Hier wurde gestartet und angekommen, Medaillen verliehen, Trostpreise verteilt und die Impressionen des Tages verarbeitet.

Über Weiden, durch Wälder und über Trails

63 Trailläuferinnen und Trailläufer gingen am Freitagmorgen auf die erste Etappe des Crossing Engiadina über 23,1 Kilometer und 1360 Höhenmeter. Eine Traumpiste führte von Bever zunächst über Weideflächen und schraubte sich dann durch dichten Bergwald stetig nach oben. Auf Panoramatrails wurde mit der Fuorcla Valletta mit 2860 Metern der höchste Punkt erreicht, von wo es über die Corviglia runter ins Ziel nach St. Moritz ging.

Die zweite Etappe integrierte man in das Vertikalrennen am Samstag. Eine dritte Etappe gab es in diesem Jahr nicht mehr. Damit trugen die Organisatoren dem Umstand Rechnung, dass der Crossing Engiadina in den beiden Jahren seit der Einführung weit unter den Erwartungen blieb. Was wohl nicht zuletzt der großen Konkurrenz ähnlicher Veranstaltungen in der Region geschuldet ist.

Erstmals im Programm: „Run for Fun“

Als Pilotprojekt wurde der kurze „Run for Fun“ in Zusammenarbeit mit Special Olympics Switzerland neu ins Programm aufgenommen. Der Lauf soll alle ansprechen, ob trainiert oder nicht, und speziell auch Menschen mit Behinderung.

Am Samstagmorgen stand dann der Start zum Free Fall Vertical an. Die Strecke führte hoch nach St. Moritz Dorf und dann über die Treppe Richtung Salastrains, wo auf die Piste der Ski WM-Herrenabfahrt gewechselt wurde.

Über die steilste Skipiste ins Ziel

Den Abschluss des Rennens machte der legendäre Starthang, der sogenannte Freie Fall mit 45 Prozent Neigung. Dort, in 2840 Metern über Null, wo sich im Winter die Rennfahrer aus dem Starthäuschen auf die Piste stürzen und in Nullkommanichts eine Geschwindigkeit von 140 Stundenkilometern erreichen, lag das spektakuläre, hochalpine Ziel.

Beim Freien Fall handelt es sich übrigens um den steilsten Start aller Herrenskiabfahrten. Diesmal diente der Freie Fall als Ziel und nicht wie sonst im Winter als Start. In exakt 51 Minuten siegte der Schweizer Skilangläufer Jon-Fadri Nufer vor den Brüdern Noe und Isai Näff mit 31 bzw. 32 Sekunden Rückstand.

Entlang der wunderschönen Seenplatte

Über eine Minute Vorsprung holte Vorjahressiegerin Valentina Belotti aus Italien in 57:13 Minuten auf ihre Schweizer Verfolgerin Paola Stampanoni heraus. Nur drei Damen blieben unter der Stundengrenze. Bei zahlreichen Kinder- und Bambiniläufen zwischen 250 Metern und 4 Kilometern kam dann am frühen Nachmittag auch noch der läuferische Nachwuchs auf seine Kosten.

Hauchdünne Nebelschwaden hingen am Sonntagmorgen über der Engadiner Seenplatte und verbreiteten ein zauberhaftes Flair. Der 44. Engadiner Sommerlauf startete am Schulhaus in Sils. In dem kleinen Dorf mit seinen 750 Einwohnern in 1802 Metern über dem Meeresspiegel, wo schon der Philosoph Friedrich Nietzsche in den Sommermonaten der 1880er-Jahre wohnte, gingen über 500 Teilnehmende auf die Strecke.

Alle laufen in St. Moritz Bad ins Ziel

25,5 flache Kilometer entlang der Seenplatte, die sich wie eine Perlenkette durch das Oberengadin zieht. Ein wenig höher in den Bergen startete in Pontresina fast zeitgleich der Run Pontresina über 12,2 Kilometer mit knapp 400 Läuferinnen und Läufern. Beide Wettbewerbe endeten am Festivalgelände in St. Moritz Bad.

Die Ergebnisse waren dieses Jahr international gemischt. Der Gesamtsieg im Crossing Engiadina ging an den Finnen Aki Kaupinnen vor dem Deutschen Stephan Tassani-Prell aus Ainring. Bei den Trailfrauen hatte die Rosenheimerin Kristina Schollerer die Nase vorn.

Leonard Kipngeno dominiert den Engadiner Sommerlauf

Den Engadiner Sommerlauf, Herzmuskel der Veranstaltung, dominierte der Kenianer Leonard Kipngeno in 1:20:05 Stunden, gefolgt von Vorjahressieger Max Studer von der Schweizer Triathlon-Nationalmannschaft in 1:21:06 Stunden. Die Schweizer Rekordhalterin im Marathon, Fabienne Schlumpf, holte sich in 1:34:55 Stunden die Sommerlaufkrone mit einem riesigen Vorsprung von 8 Minuten auf die Brasilianerin Luisa Baptista.

Wobei sich in den Top Ten der Herren vier und der Damen fünf Nationalitäten aus drei Kontinenten tummelten. Der Run Pontresina ging an den Spanier Jorge Garcia in 42:26 Minuten und die Schweizerin Julie Derron in 44:57 Minuten.

Unterstützung des Events in der Region

Mit insgesamt 1400 Läuferinnen und Läufern ist man weit von vorpandemischen Teilnehmendenzahlen entfernt. „Es macht auch keinen Sinn, vergangenen Rekord-Feldern nachzutrauern. Vielmehr ist man als Organisation verpflichtet, eine gute Veranstaltung zu liefern“, konstatiert Anne-Marie Flammersfeld.

Sie schaut optimistisch in die Zukunft: Durch die Anzahl verschiedener Läufe kann man immer noch deutlich mehr als 1000 Sportlerinnen und Sportler aktivieren und mit der Ausweitung auf ein Drei-Tage-Event werden immerhin 3000 bis 4000 Übernachtungen für die Region generiert. Das Organisationskomitee darf auf die Unterstützung von 150 Helferinnen und Helfern sowie der Gemeinde St. Moritz und zahlreichen Sponsoren und Kooperationspartnern zählen.

Drei Tage Laufspaß bei schönstem Wetter

Drei Tage Running Festival und drei Tage Sonnenschein bewiesen, dass die Organisation einen verdammt guten Draht zum Wettergott haben muss, denn seit Menschengedenken darf die Veranstaltung auf gutes Wetter zählen. Schließlich ist das Oberengadin für seine über 300 Sonnentage im Jahr bekannt.

Jeder Laufkilometer wurde gefeiert, die Stimmung war ausgelassen fröhlich, Abkühlung gab‘s durch einen Sprung in den Sankt Moritzersee. Beim Outdoor-Yoga oder spätestens zur Musik beim Livekonzert konnten die Muskeln nochmals gelockert werden.

Laufen in einer einzigartigen Landschaft

Das Schlusswort, bezogen auf den Hauptlauf, gehört der charmanten OK-Präsidentin Anne-Marie Flammersfeld: „In welcher hochalpinen Berglandschaft kann man 25 Kilometer am Stück flach laufen und sich dabei an sechs blitzblauen Seen erfreuen? Diese Landschaft ist wirklich einzigartig. Einzigartig ist auch, dass in dieser gleichen hochalpinen Berglandschaft Dichtende, Musizierende, Kunstschaffende und kleine und große Sternlis auf diesen gleichen Wegen und Pfaden umherflanieren und sich inspirieren lassen. Es ist die perfekte Landschaft für Ruhe und Aktivität. Für schnell und langsam. Für denkende Köpfe und laufende Beine.“

© Imago Images/Arnulf Hettrich

Hier wird beim St. Moritz Running Festival gelaufen

Das Oberengadin gilt als das Dach Europas und ist mit seinem mondänen St. Moritz nicht nur ein Laufsteg des internationalen Jetsets, sondern auch ein Sportlerparadies. Nicht umsonst wählen viele Spitzensportler die Region für ihr Höhentrainingslager aus. In der klaren, kalten und sauberen Luft in 1800 Metern Höhe, einem sonnenreichen, trockenen Reizklima, treten keine Allergien und so gut wie keine Erkältungen auf.

Das Hochtal im schweizerischen Graubünden ist eines der höchstgelegenen bewohnten Täler Europas. Hier gibt es überdurchschnittlich viel Sonnenschein und ausgesprochen wenig Niederschlag. Oberhalb von Maloja entspringt der Inn. Und dieser Fluss ist es, der dem Hochtal seinen Namen gab: Engadin bedeutet in seiner romanischen Urform „Garten des Inns“.

Das Wasser prägt den Charakter des Engadins. Wilde Bergbäche und trinkwassersaubere Bergseen machen es zu einem hochalpinen Wasserparadies. Schon Schriftsteller wie Friedrich Nietzsche, Künstler wie Joseph Beuys und Musiker wie David Bowie ließen sich von der fantastischen Weite und diesem zauberhaften Land inspirieren.

Die beschauliche zweistündige Anfahrt mit der Rhätischen Bahn von Chur bringt den Reisenden die herrliche Bergwelt in homöopathischen Dosen näher. Die Bahnstrecke durchs Albulatal ins Engadin gehört mit ihren Kehrtunnels und den Schwindelerregenden Viadukten zu den malerischsten von ganz Europa. Die höchste Bahntransversale der Alpen verbindet Nord- und Südeuropa auf derart spektakuläre Weise, dass sie unter UNESCO-Schutz gestellt wurde.

Es herrscht eine ausgeprägte Sport- und Körperkultur. Überall wird geradelt, gelaufen, geskatet, gewandert, geklettert, gesurft. Bereits fünfmal wurden in St. Moritz die alpinen Ski-Weltmeisterschaften ausgetragen. Daneben durfte die schillernde Alpenmetropole in den Jahren 1928 und 1948 auch zwei Olympische Winterspiele zelebrieren.

St. Moritz, die schillernde Alpendestination im Zentrum des Engadins bekam ursprünglich Bedeutung durch seine Heilquellen, die seit 3000 Jahren bekannt sind. Die legendären Luxushotels (fünf von acht 5-Sterne-Häusern in der Region thronen hier) sorgen seit den goldenen Zwanzigern für Glanz und Glamour und beherbergten alles, was Rang und Namen hatte: vom Schah von Persien über Charlie Chaplin bis Enrico Caruso. Der Magie von St. Moritz, so sagte Rolf Sachs einmal, bleibe jeder, der einmal da war, verfallen.