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Tokio-Marathon
Neun Läufer sind schneller als Eliud Kipchoge – Kipruto gewinnt

| von Jörg Wenig

Während Benson Kipruto und Sutume Kebede beim World Marathon Major in Tokio triumphieren, kommen die Superstars Eliud Kipchoge und Sifan Hassan abgeschlagen ins Ziel.

Der Kenianer Benson Kipruto und die Äthiopierin Sutume Kebede sind die unerwarteten Sieger des Tokio-Marathons. Während beide mit Jahresweltbestzeiten und Streckenrekorden von 2:02:16 beziehungsweise 2:15:55 Stunden triumphierten, liefen die Top-Stars abgeschlagen ins Ziel: Kenias Superstar Eliud Kipchoge belegte Rang zehn, die Holländerin Sifan Hassan wurde Vierte.

Das Rennen der Männer hatte mit sehr hohem Tempo begonnen. Die siebenköpfige Spitzengruppe, in der hinter den drei Tempomachern auch Olympiasieger Eliud Kipchoge lief, war im ersten Abschnitt des Marathons auf Kurs für den Weltrekord. Diesen hatte der vor kurzem bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommene Kelvin Kiptum (Kenia) im vergangenen Oktober in Chicago mit 2:00:35 aufgestellt. Die Gruppe passierte die 10-km-Marke in 28:30 Minuten, was auf eine Endzeit von 2:00:18 hindeutete. Offenbar wollte Eliud Kipchoge versuchen, sich den Weltrekord zurückzuholen. Doch obwohl das Tempo auf dem zweiten 10-km-Abschnitt etwas langsamer wurde, so dass die Zwischenzeiten nun knapp über dem Weltrekord lagen, fiel Eliud Kipchoge kurz vor der 20-km-Marke aus der Führungsgruppe heraus. In der Folge fiel der 39-Jährige weit zurück. Am Ende belegte Eliud Kipchoge Rang zehn in 2:06:50.

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Eliud Kipchoge: Schlechter Tag und Rückschlag Richtung Paris

Fünf Monate vor den Olympischen Spielen in Paris, wo Eliud Kipchoge als erster Läufer der Sportgeschichte zum dritten Mal Marathon-Olympiasieger werden könnte, musste Kenias Superstar in Tokio einen Rückschlag hinnehmen. „Nicht jeden Tag ist Weihnachten“, sagte Eliud Kipchoge nach dem Rennen. „Ich kann nur sagen, dass es im Sport gute und schlechte Tage gibt - leider war es heute ein schlechter für mich.“

Nachdem Eliud Kipchoge bereits vor knapp einem Jahr in Boston nicht über Platz sechs hinausgekommen war, hatte er sich mit einem Sieg in Berlin in 2:02:42 Stunden im September zurückgemeldet. Allerdings hatte er auch hier im letzten Teil des Rennens eine schwächere Phase. Nun ging die Generalprobe für die Olympischen Spiele in Tokio schief. Platz zehn ist die schwächste Platzierung in seiner eimaligen Marathon-Karriere. In Tokio verlor Eliud Kipchoge auch seinen Streckenrekord, den er vor zwei Jahren mit 2:02:40 aufgestellt hatte.

An der Spitze des Rennens entwickelte sich ein spannender Kampf um den Sieg. Als die Tempomacher kurz vor Kilometer 30 aus dem Rennen gingen, führte Timothy Kiplagat bei einer 30-km-Zwischenzeit von 1:26:08 mit fünf Sekunden Vorsprung vor seinen kenianischen Landsleuten Vincent Ngetich und Benson Kipruto. Kipchoge hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Rückstand von rund zweieinhalb Minuten. Auf den folgenden Kilometern schloss der 32-jährige Kipruto dann zu Kiplagat auf während Ngetich zurückfiel.

Benson Kipruto, der 2021 den Boston- und 2022 den Chicago-Marathon gewonnen hatte, löste sich dann nach der 35-km-Marke von Timothy Kiplagat. Mit einer deutlichen Steigerung auf 2:02:16 - im vergangenen Jahr war er als Zweiter in Chicago 2:04:02 gelaufen - wurde er zum fünftschnellsten Läufer aller Zeiten. Benson Kipruto gewann vor seinen Landsleuten Timothy Kiplagat (2:02:55) und Vincent Ngetich (2:04:18). „Ich war bereit für ein sehr schnelles Rennen, ich hatte mich dafür vorbereitet. Ich freue mich über den Streckenrekord, denn das war mir während des Laufes nicht bewusst“, sagte Benson Kipruto.

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Bisher größter Triumph für Sutume Kebede

Im Gegensatz zum Männerrennen wurde das Tempo bei den Frauen im Laufe des Marathons etwas schneller. Eine fünfköpfige Spitzengruppe hatte die 10-km-Marke nach 32:24 Minuten erreicht, was auf eine Zielzeit von 2:16:45 Stunden hindeutete. Sutume Kebede, die Titelverteidigerin Rosemary Wanjiru (Kenia), die aktuelle Weltmeisterin Amane Shankule, Buzunesh Getachew (beide Äthiopien) und Sifan Hassan bildeten diese Gruppe. Ab Kilometer 20 (64:45 Minuten) bildete sich eine Dreier-Gruppe mit Wanjiru, Kebede und Shankule, wobei Hassan noch einige Zeit mit nur wenigen Sekunden Abstand dahinter lief. Bei Kilometer 30 allerdings  - diesen Punkt erreichte das Trio nach 1:36:43, was bereits auf eine 2:16:00-Zielzeit hindeutete - hatte Sifan Hassan 17 Sekunden Rückstand. Nachdem die aus Äthiopien stammende Holländerin ihre ersten beiden Marathonrennen in London und Chicago sensationell gewonnen hatte, musste sie sich nun in Tokio geschlagen geben. Am Ende wurde sie Vierte in 2:18:05.

Im Kampf um den Sieg fiel zunächst Amane Shankule zwischen Kilometer 35 und 40 zurück,  dann konnte sich Sutume Kebede auch von Rosemary Wanjiru lösen. „Ich freue mich riesig, das ist mein größter Sieg“, sagte die 29-jährige Äthiopierin, die mit 2:15:55 zur achtschnellsten Läuferin aller Zeiten wurde und vor Rosemary Wanjiru (2:16:14) und Amane Shankule (2:16:58) gewann. Den bisherigen Streckenrekord der Kenianerin Bridget Kosgei (2:16:02) unterbot Sutume Kebede um sieben Sekunden. Die Äthiopierin, die mit einer Bestzeit von 2:18:12 ins Rennen gegangen war, hatte im Dezember mit einer 25-km-Weltbestzeit in Kalkutta (1:18:47) und im Januar mit einem Sieg beim Houston-Halbmarathon in 64:37 Minuten bereits sehr starke Form gezeigt.