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#gemeinsammehrbewegen-Preis 2023
Preiswürdig (Teil 6): Laufend Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen mit angeborener Querschnittlähmung

| von Joël Kruse

Wir stellen Aktionen vor, die zeigen, wie Laufen das Leben verbessert. Dann entscheidest du mit, wer den #gemeinsammehrbewegen-Preis 2023 erhält. Ein Kandidat: Der Arque e.V. aus Mainz.

Die Wahrscheinlichkeit ist 1:1.000, dass in Deutschland ein Kind mit einer angeborenen Querschnittlähmung auf die Welt kommt. Die Ursache der Entwicklungsstörung ist unbekannt. Vermutet wird ein Zusammenhang mit einer Stoffwechselstörung der Folsäure. Die Einnahme von Folsäure durch die Mutter vor und während der Schwangerschaft kann die Häufigkeit der Fehlbildung um fast Dreiviertel senken. Der Fachbegriff lautet „Spina bifida”, häufig wird auch der Begriff „offener Rücken“ verwendet.

Die Lebensqualität der Betroffenen hängt von qualifizierter ärztlicher und psychosozialer Versorgung ab. Für alle Formen des Krankheitsbildes wird in Deutschland eine umfassende Rehabilitation durch medizinische, therapeutische und medizinisch-technische Möglichkeiten sowie soziale Absicherung gewährleistet. Das kostet Geld, viel Geld. „Wir stellen uns den medizinischen, pflegerischen und sozialen Aufgaben und wollen insbesondere auch jungen Eltern Mut machen, wenn in der Familie ein Kind mit einer solchen Einschränkung geboren wird“, sagt Oliver Pfleiderer, Geschäftsführer des Arque e.V., der Arbeitsgemeinschaft für Querschnittgelähmte mit Spina bifida/Rhein-Main-Nahe, der sich mit dieser Initiative für den #gemeinsammehrbewegen-Preis 2023 bewirbt. Herzlich willkommen im Bewerberkreis!

So wird der #gemeinsammehrbewegen-Preis vergeben

Wir finden: Die Mainzer Initiative Arque e.V. ist ein guter Kandidat für den mit 1000 Euro dotierten #gemeinsammehrbewegen-Preis, den der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) und laufen.de unterstützt von DATEV in diesem Jahr vergeben. Der Preis wird am 1. Dezember bei unserer großen Lauf-Gala in Bergisch-Gladbach verliehen, wo wir gemeinsam mit German Road Races, der Vereinigung der großen Laufveranstaltungen im deutschsprachigen Raum, auch die Läuferinnen und Läufer des Jahres ehren. Wer den Preis erhält, entscheidet jetzt die Community von laufen.de. Die Gewinner-Initiative wird zur Laufgala nach Bergisch-Gladbach eingeladen.

#gemeinsammehrbewegen: Die ganze Story der Arque e.V.

Quasi aus der Praxis heraus wurde 1979 die Arque als Elternhilfeverein gegründet, um die Vernetzung auch auf rechtlich sichere Füße zu stellen, damit die Arbeit über Spenden finanziert werden kann. Seitdem haben sich knapp 700 Eltern querschnittgelähmter Kinder und Jugendlicher sowie Jugendliche und Erwachsene dem Verein angeschlossen. Gründervater ist Dr. J. August Ermert, der 2022 im Alter von 87 Jahren gestorben ist. Über 50 Jahre lang hat er sich bis zu seinem Tod mit dem Behinderungsbild, den Auswirkungen und insbesondere mit den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen befasst. „Sein gesamtes Berufsleben hat er sich als einer von nur wenigen Medizinern in Deutschland diesem speziellen Thema gewidmet“, erzählt Oliver Pfleiderer, der bereits seit Mitte der 1990er Jahre für die Arque aktiv ist und seit 2004 hauptamtlich die Geschäfte führt.

  • Fotos: Wolf Schäfer, Rolf Bär, Matthias Gall, Christine Baumann, Carlo Ackermann

„Unser Ziel ist es, über verschiedene Veranstaltungsformate eine Öffentlichkeit für das häufig unbekannte Behinderungsbild zu schaffen“, sagt der 53 Jahre alte Sozialpädagoge. Wobei die Reinerlöse der Events der ideellen Arbeit des Vereins zugutekommen. In Läuferkreisen dürfte der Arque-Lauf am bekanntesten sein, der von 1988 bis 2016 als Charity Run über 33 Kilometer von Kelkheim nach Mainz ausgetragen wurde. Initiator des Laufes ist der 2. Vorsitzende Michael Lederer, dessen Sohn mit einer „Spina bifida“ geboren wurde. Auf seinem Fußweg vom Wohnort Kelkheim zum Krankenhaus in Mainz hatte der mehrfache deutsche Meister auf den Mittelstrecken die Benefizlaufidee.

„Er ist unser sportlicher Motor“, sagt Oliver Pfleiderer über Michael Lederer, der 2022 mit dem German Road Races-Preis für Organisatoren ausgezeichnet wurde. Damit würdigte die Interessensvertretung der größten deutschen Straßenläufe seine organisatorischen Leistungen für ein integratives Rollstuhl-Basketballturnier, den Arque-Lauf, den SkyRun auf den Frankfurter MesseTurm sowie neuerdings den CrossFondo TaunusTrippleBergsprint, kurz TTBS. Nach Schätzungen konnten so durch Benefizveranstaltungen seit 1979 rund 1,2 Millionen Euro an Spendengeldern gesammelt und in die Betreuung und Förderung von Querschnittgelähmten investiert werden. „Aber“, wirft Oliver Pfleiderer ein, „meist ist der indirekte Effekt durch die Benefizveranstaltungen größer als der Reinerlös.“

Veranstaltungen als Schnittpunkt zwischen Spitzen- und Breitensport

Seit 2011 gibt es den SkyRun, einen Treppenlauf im Frankfurter MesseTurm. Dabei müssen 1.202 Stufen bezwungen werden. „Diese Veranstaltung ist ein schöner Schnittpunkt zwischen Spitzen- und Breitensport“, mein Oliver Pfleiderer, der sich als Geschäftsführer als Bindeglied zwischen den sportlichen Events und der Öffentlichkeit sieht. In diesem Jahr waren 634 Aktive am Start, um die 222 Höhenmeter und 61 Etagen zu meistern. „Beeindruckend sind hier insbesondere die Feuerwehrteams, die mit kompletter Ausrüstung und je nach Wettkampfklasse mit oder ohne Atemmaske mit bis zu 25 Kilogramm Ausrüstung unterwegs sind“, so Oliver Pfleiderer. Neben vielen Firmen, Feuerwehr- und Rettungsteams sind auch Einzelkämpfer und -kämpferinnen am Start, Kinder laufen (oder gehen) die halbe Strecke im Team. Im Rahmen der Nudelparty am Vorabend und bei der Anmeldung erhalten die Aktiven Informationen über den Verein und seine Angebote.

Seit 2019 ist der CrossFondo TaunusTripleBergsprint, kurz TTBS, am Start und damit der jüngste Spross in der Arque-Familie der Sportevents. Nach dem Motto „uffgerappelt … nuffgedappelt“ richtet sich der Berglauf an Individualsportler und -sportlerinnen. Auf der Ski-Abfahrtspiste „Nordbahn“ im Feldbergmassiv im Taunus geht es über 1.249 Meter mit durchschnittlich 16 Prozent Steigung und 170 Höhenmetern durch die Natur. Start ist in 709 Metern Höhe, das Ziel ist auf dem Feldbergplateau, 879 Meter hoch gelegen. Gelaufen werden kann allein oder im Team. Die Piste steht zwischen dem 1. Juli und 31. Oktober permanent zur Verfügung. Gestoppt wird dabei selbst und auf Vertrauen. Neben einer Einzel- gibt es auch Teamwertungen. „Unser TTBS ist das ideale Angebot, wenn es geradeaus nicht mehr läuft“, sagt Oliver Pfleiderer schmunzelnd. Das Laufangebot habe sich trotz Corona sehr gut entwickelt und sei der „lockere Gegenentwurf“ zum engen, trubeligen SkyRun.

In diesem Jahr kamen acht Firmen-Teams, vier Kinderstaffeln und eine Feuerwehrtruppe sowie 33 Einzelstarter und -starterinnen in die Wertung. Schnellster am Hang war Matthias Gall, der den Bergsprint in 8:22 Minuten absolvierte. Laufen tut gut und Gutes, egal wie lange und wie viele. Jeder und jede zählt, jeder Kilometer ist wichtig und jede Spende hilft. Der Arque e.V. hilft dabei, das Leben der Menschen mit Querschnittlähmung und deren Angehörigen zu erleichtern.