Athen-Marathon
„The Authentic“: Historie pur bei der Mutter aller Marathonläufe

Es gibt viele Rennen, die man als „echter“ Marathoni unbedingt mal gelaufen sein muss. Die historische Strecke von Marathon nach Athen gehört definitiv dazu.

Athen ist immer eine Reise wert. Eine lebendige Stadt, die vor Geschichte nur so strotzt Die griechische Hauptstadt ist nicht an jeder Ecke wunderschön, aber der Flair ist einmalig. Athen ist weitaus mehr als die Akropolis. Und es lohnt sich definitiv, nach dem Marathon noch ein paar Urlaubstage einzuplanen.

Vor 40 Jahren hatte man in Athen die Neuauflage der historischen Strecke beschlossen und etablierte den Athener Marathon als „The Authentic“. Das Rennen zum 40ten Jubiläum in diesem Jahr war für viele der ideale Anlass diese besondere Strecke, von Marathon nach Athen, zu erleben! Mit 21.000 TeilnehmerInnen (2023) ist der Athen Marathon immerhin der größte Marathon in Südeuropa.

 

Der Name Marathon stammt von einem kleinen Ort, welcher vor über 2500 Jahren [490 v. Chr.] der Schauplatz einer Schlacht zwischen dem Heer der Perser und der Athener war. Der Legende nach ist der Laufbote Pheidippides nach dem Sieg der Athener über die Perser die Strecke von knapp 40 Kilometer nach Athen gelaufen und hat den Einwohnern der Stadt die freudige Botschaft νενικήκαμεν(transkribiert: nenikékamen) „Wir haben gesiegt“ überbracht. Weniger glücklich ging dieses erste Marathon-Abenteuer der Geschichte für den Läufer aus. Der Legende nach ist er nach dem Verkünden der Botschaft Tod zusammengebrochen. Pheidippides war der erste Marathonläufer und steht an der Spitze von Millionen engagierter SportlerInnen die ihm bis heute folgten!

Marathonmesse auf zwei Etagen

Der Besuch der Marathon-Messe war natürlich obligatorisch, auch um die Startunterlagen abzuholen. Die Messe befand sich etwas außerhalb, nahe des Hafens. Vom Syntagma-Platz in der Innenstadt musste man eine Fahrzeit (mit Metro, Bus oderTram) von ca. 45 Minuten einplanen. Auf zwei Etagen gab es dafür alles was das Läuferherz begehrt! Das Angebot reichte von der üblichen Sportnahrung bis zu diversen Sportartikeln.

Ein legendäres Rennen auf den Spuren von Pheidippides

Die Athener Marathon Strecke ist ein Punkt zu Punkt Kurs. Vom Samstagnachmittag bis in die frühen Abendstunden fanden in der Athener Innenstadt 10km und 5km Läufe statt. Der Zieleinlauf dieser Läufe fand bereits im Panathinaiko-Stadion statt. Neben dem Start in dem historischen Umfeld von Marathon konnte man sich am Sonntag besonders auf die Zielankunft in diesem Stadion freuen! Der Zieleinlauf an dieser geschichtsträchtigen Stätte ist überwältigend und zählt zu den Highlights der Marathonwelt. Das hufeisenförmige Stadion war die Sportstätte der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit im Jahre 1896 und wurde als Rekonstruktion auf den Fundamenten des antiken Stadions gebaut! Als 2004 die Olympischen Sommerspiele wiederum in Athen abgehalten wurden, befand sich hier ebenfalls das Ziel des Marathons!

Boston-Feeling lag in der Luft!

Die Nacht vor dem Marathon war für alle TeilnehmerInnen relativ kurz! Wohl demjenigen, der ein Hotelzimmer in der Athener Innenstadt gebucht hatte. Um spätestens 6:45 Uhr in der Früh musste man im Stadtzentrum in einen der zahlreichen Busse steigen, welche die LäuferInnen in den kleinen Ort Marathon brachten. Dementsprechend kam es vor Sonnenaufgang, in der Athener Innenstadt, zu kuriosen Begegnungen. Erschöpfte Aktive des Athener Nachtlebens trafen in der Morgendämmerung auf enthusiastische Marathonis. Von verschiedenen Plätzen in der Innenstadt starteten hunderte von Bussen, welche die 21.000 LäuferInnen zum Startbereich des Marathons transportierten. Alles lief reibungslos und völlig entspannt ab. Während der Busfahrt fuhr man die Marathonstrecke quasi rückwärts. Die Strecke verlief augenscheinlich unspektakulär zwischen Restaurants, Shops, Werkstätten und Geschäftslokalen und es konnte der Eindruck entstehen, dass es keinen vernünftigen Grund gäbe, genau hier entlang zu laufen. Entscheidend ist jedoch das Erlebnis auf der authentischen Route des allerersten Marathons die 42,195km zu laufen.

 

Im Startbereich konnte man sich noch etwas ausruhen, bevor um 09:00Uhr der Startschuss für die erste Welle ertönte! Auf dem Sportgelände am Startbereich war ebenfalls alles perfekt organisiert: große LKWs für das Läufergepäck,  ausreichend Toiletten,  gute Beschilderung der Startblöcke, große Ruheflächen auf dem Kunstrasen, Musik & Ansagen sowie eine Tartanbahn zum warmlaufen! Weiter ging’s in die Startblöcke. Auf der Höhe der hinteren Blöcken brannte das „Marathonfeuer“ in einer Fackel, welche am Vortag in einer feierlichen Zeromonie am Grabhügel der gefallenen Athener in Marathon entzündet worden war. So manch einer erlebte seinen Schüttelfrostmoment noch vor dem Startcountdown! Die Anzahl der Drohnen über dem Starterfeld deutete an, dass es bald losgehen würde. 3, 2, 1 -Start!

 

Die Strecke führte zunächst nach Süden. Das erste Highlight der Strecke war bei Kilometer 6 erreicht. Hier wurde der Grabhügel der gefallenen griechischen Kämpfer aus dem Perser-Krieg umrundet. Wie an vielen weiteren Stellen wurden Olivenzweige von den ZuschauerInnen an die LäuferInnen verteilt. Eine freundliche Geste welche die Motivation noch einmal erhöhte! Eingeklemmt in Getränkegurte, Kappen oder Haargummis wurden die Olivenzweige voller Stolz über den Rest der Marathonstrecke getragen! Es ging weiter auf einer Schnellstraße in Richtung Athen. Vorbei an Olivenplantagen, mit Blick auf das Meer! Vor den LäuferInnen lagen aber auch die Hügelketten vor Athen.

„Páme! Páme!“ und „Sirtaki-Rhythmus“

Das Läuferfeld erreichte die Stadt Nea Makri und lief über die treffend benannte Avenue Marathonos, welche sich durch verschiedene Orte in Richtung Athen zog. Lange Abschnitte verliefen durch die Landschaft, vorbei an Olivenbäumen und Pinien, und boten den LäuferInnen ausreichend Gelegenheit in sich hinein zu horchen. Aufgrund der Streckenführung gab es lautstarke Unterstützung fast nur in den Ortschaften am Streckenrand. Der Sound dieses Marathons war definitiv der Sirtaki - tausendfach unterstützt durch den Ausruf „Páme! Páme“, was soviel bedeutet wie „Auf geht’s“!  Nach zehn flachen Kilometern lagen die ersten Anstiege vor den LäuferInnen. Der Athen-Marathon stellt die Teilnehmerinnen mit seinem schwierige Profil vor eine besondere Herausforderung. Zwischen Kilometer 10 und Kilometer 32 geht’s kontinuierlich bergauf. Eine gute Renneinteilung ist bedeutend um die letzten 10 km, welche moderat bergab verlaufen, noch genießen zu können! Für TeilnehmerInnen aus Deutschland können die Temperaturen von über 20 Grad Mitte November ebenfalls eine Herausforderung darstellen. Die Versorgung am Streckenrand ist auf dieser anspruchsvollen Route jedoch hervorragend! Alle 2,5km gab es Getränke!

 

Der Streckenverlauf, durch die Vororte und die hügelige Streckenführung, erinnert unwillkürlich an die ebenfalls legendäre Strecke des Boston-Marathon. Insbesondere weil es  ja auch beim Athen-Marathon eine Art „Heartbreak Hill“ Erlebnis gibt! Der höchste Punkt der Strecke liegt in der Ortschaft „Agia Paraskevi“ (240m) bei Kilometer 32.

 

In Pikerni  erreichte das Läuferfeld die Halbmarathonmarke einer Strecke, die schon so viele Geschichten und Sportdramen geschrieben hatte, dass fast jede Kilometermarkierung eine Story erzählen könnte! Der erste Marathon-Olympiasieger Spyridon (Spyros) Louis, soll sich bei halber Strecke in Pikermi angeblich mit einem Glas Wein gestärkt haben. Dieses Jahr bedienten sich die LäuferInnen lieber an einem alkoholfreien Getränk mit ausreichend Elektrolyten!

 

Unvergessen ist auch das Bild der Weltrekordlerin Paula Radcliffe, die beim Olympiamarathon 2004 auf dieser Strecke mit Muskelbeschwerden aufgeben musste und wie ein Häufchen Elend weinend am Streckenrand saß.

 

In der folgenden Ortschaft Palllini gab’s wieder den obligatorischen Sirtaki-Sound und enthusiastische „Páme-Rufe“! Die Griechen feuerten an, klatschten und waren in bester Stimmung. Auffällig waren die vielen Kinder mit der aktuellen Marathonmedallie um den Hals! In jeder Ortschaft waren kurz vor dem Durchlauf des Marathonfeldes Kinderläufe veranstaltet worden. Die Kinder blieben mit ihren Medaillen am Streckenrand zum Anfeuern und präsentierten stolz die wunderschöne Jubiläumsmedallie! Die Botschaft war klar - „Holt sie Euch“!!!

 

An verschiedenen Stellen standen DJs mit riesigen Boxen und sorgten für gute Stimmung. Dieses Lauf-Event entwickelte sich bei warmen Temperaturen zu einem Volksfest auf 42,195km in Richtung Athener Innenstadt. In Rafína konnte man im Mittelstreifen der Avenue Marathonos eine Bronzestatue von Pheidippides entdecken! Mit der  Brust nach vorne gebeugt vermittelte er den TeilnehmerInnen deutlich seine klare Botschaft: „Páme“! „Auf geht’s“!

 

Um die Mittagszeit wurde es immer wärmer und so manche Blaskapelle ruhte sich bereits im Schatten aus. Für 21.000 LäuferInnen gab es jedoch keine Zeit für Pausen. Bei km 32 erreichte man Agia Paraskevi, wo mit 240 m über dem Meer der höchste Punkt der Strecke wartete. Das war dann auch die letzte Steigung des Rennens. Von nun an führte die Strecke kontinuierlich bergab nach Athen. Dort standen die Zuschauer wieder dichter und die Musikspots wurden lauter &  häufiger. Viele warteten auf Ihre(n) LäuferIn und feuerten alle anderen ebenfalls enthusiastisch an. Auf dem letzten Wegstück passierten die LäuferInnen die Athener Konzerthalle und den Parko Eleftherias (Park der Freiheit).

 

Bei km 40 erreichten man den Rizari-Park und passierte kurz vorher eine 12 Meter hohe gläsernen Statue des Bildhauers Costas Varotsos. Die beeindruckende Statue O Dromeas „Der Läufer“ zeigt einen Läufer in Bewegung. Genau zum richtigen Zeitpunkt schien die Sonne auf das Denkmal und reflektierte in den Glasschichten - toller Anblick. „Páme! Páme!“ war mittlerweile zu einem echten Ohrwurm geworden. Je näher man dem Marathonziel im alten Panathinaiko Stadion von Athen kamen, umso lauter trieben diese Anfeuerung der Fans die LäuferInnen voran.

Partymeile im Regierungsviertel!

Auf dem letzten Kilometer verlief die Strecke  über die Irodou tou Attikou mitten durchs Regierungsviertel! Rechts die Rückseite des Parlaments und der National Garden. Links der Sitz des Ministerpräsidenten und der Amtssitz der Staatspräsidentin! In dieser Straße stand das Publikum in mehreren Reihen und sorgte noch einmal für mega Stimmung. Es ging leicht bergab und am Ende der Straße kamen die Fahnen des  Panathinaiko Stadion in Sicht. Das war ein echter Gänsehautmoment!

 

Über eine S-Kurve ging es schließlich in das hufeisenförmige Stadion. Rechts und links die Ränge voller Zuschauer, dazu Musik und lauter Jubel! Dieser Lauf war eine echte Reise durch die Geschichte des Marathonlaufes. Vom Start in der Ortschaft Marathon bis zum Ziel im altehrwürdigen Panathinaiko Stadion erlebte man auf jedem Kilometer den besonderen Spirit dieses Marathonlaufs -  „The Autentic“

„Impressive piece of blings“

Die Athen-Marathon-Medaille 2023 ist die vierte einer Serie von acht Medaillen, die der Geschichte des Marathons gewidmet sind. Jedes Jahr wird einer der acht Buchstaben des Wortes „MARATHON“ auf dem Medaillenband hervorgehoben, sodass das gesamte Wort bis zum Ende dieser Serie entsteht! Auf der diesjährigen Medaille ist der Buchstabe „A“ hervorgehoben. Die Vorderseite der Medaille zeigt jedes Jahr andere Themen des Athen-Marathons und auf der Rückseite befindet sich immer das hufeisenförmige Panathinaiko-Stadion. Dieses Jahr schmückt ein Athlet aus der Antike mit Siegerkranz die Vorderseite der Medallie. Darunter steht: „THE ETERNAL WINNER“ - „Der ewige Gewinner“. In der Bedeutung, dass es beim Marathon darum geht sich selbst zu besiegen, trifft dieser Schriftzug auf jeden Finisher zu!

Der Autor:

Jörg Löhr (61) promovierter Biochemiker und  passionierter Langstreckenläufer nimmt seit 25 Jahren weltweit an Marathonläufen teil. Bereits 2016 beendete er mit dem Tokyo-Marathon die World-Marathon-Majors als „Six-Star-Finisher“. Vor 10 Jahren startete er mit seinem Laufblog „der-laufgedanke“ und berichtet seitdem regelmäßig von regionalen, überregionalen & weltweiten Laufveranstaltungen.