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Doppel-Interview
Alina Ammann und Hanna Klein über die Liebe zum Laufen und den Hang, Herausforderung zu suchen

| Interview: Christian Ermert

Was treibt unsere besten Läuferinnen an? Warum brauchen sie die Lauf-Community? Was ist schnell? Darüber haben wir mit Europameisterin Hanna Klein und der Deutschen Meisterin Alina Ammann gesprochen.

Hanna Klein (30/LAV Stadtwerke Tübingen) und Alina Ammann (26/TuS Esingen) gehören zu den besten deutschen Läuferinnen auf den kürzeren Distanzen. Die eine (Hanna) hat 2023 bei den Hallen-Europameisterschaften in Istanbul Gold über 3000 Meter gewonnen, konnte danach aber in Folge einer Achillessehnenverletzung keinen großen Wettkampf mehr bestreiten und plant jetzt mit einer Rückkehr, die sie im Sommer 2024 zu den Europameisterschaften in Rom und zu Olympia in Paris führen soll. Sie hofft, ihre Bestzeit von 4:02,58 Minuten über ihre Spezialdisziplin, die 1500 Meter, weiter zu verbessern. Die andere (Alina) ist der deutsche Shootingstar über 800 Meter. Nach vielen Jahren, in denen sie der absoluten Spitze ein Stückweit hinterhergelaufen ist, hat die Hamburgerin in den vergangenen zwölf Monaten mit zwei Titeln bei Deutschen Meisterschaften den Sprung ganz nach vorn geschafft und sich auf 2:01,42 Minuten gesteigert. Wir haben mit den beiden über ihr Training gesprochen, über ihre Motivation, immer weiter zu laufen, über ihre Definition von Schnelligkeit und darüber, wie wichtig eine große Laufcommunity auch für Spitzenathletinnen ist.

Das Interview: „Schnell ist immer sehr individuell“

Hanna und Alina, wie definiert ihr eigentlich den Begriff „schnell“?
Hanna Klein: „Schnell“ bedeutet für mich als Mittelstrecklerin, Barrieren zu durchbrechen, die mir wichtig sind. Für mich ginge beispielsweise ein Traum in Erfüllung, wenn ich über 1500 Meter unter vier Minuten bleiben würde. Aber unabhängig davon finde ich, dass Laufen immer dann schnell ist, wenn es sich schnell anfühlt. Und das liebe ich.
Alina Ammann: Die Definition von „schnell“ ist auf jeden Fall sehr individuell. Als 800-Meter-Läuferin beziehe ich mich natürlich auf die zwei Stadionrunden und sage: 800 Meter unter zwei Minuten sind schnell. Also zwei 400-Meter-Runden am Stück in jeweils weniger als 60 Sekunden. Diesen Traum will ich mir möglichst bald erfüllen. Ansonsten hat „schnell“ immer etwas damit zu tun, was eine Person maximal leisten kann. Bei mir sind das jene zwei Minuten, bei anderen können das aber auch zehn Kilometer in weniger als 60 Minuten sein. Es kommt halt immer auf die individuellen Voraussetzungen an.

Wie wichtig sind dabei die richtigen Laufschuhe?
Hanna Klein: Sehr wichtig ist vor allem, dass man über eine große Auswahl für die unterschiedlichen Tempobereiche verfügt. Mir macht es großen Spaß, auf der Bahn schnell zu laufen, da bieten mir die aktuellen Carbonschuhe eine super Unterstützung. Ich trage sie auch bei schnellen Läufen auf der Straße. Für mich ist dabei der üppige Einsatz der modernen Dämpfungsschäume in der Zwischensohle fast noch wichtiger als das Carbon. Als ich früher noch viel mit den damals üblichen Rennschuhen mit sehr dünnen Sohlen trainiert habe, hatte ich oft Probleme mit den Waden. Das hat sich erledigt, seit es Schuhe wie den Vaporfly von Nike gibt.

Welche Schuhe nutzt du im Training?
Hanna Klein: Schnelle Tempoläufe auf der Bahn absolviere ich mit meinen Wettkampfspike, dem ZoomX Dragonfly von Nike. Wenn ich ohne Spikes auf der Bahn schnell rennen will, ziehe ich meistens den Nike-Streakfly an. Bei schnellen Läufen auf der Straße liebe ich den Vaporfly und bei ruhigeren Dauerläufen, die ja auch zu meinem Trainingsprogramm gehören, schwöre ich auf Klassiker wie den Pegasus von Nike …
Alina Ammann: … der Pegasus ist auf jeden Fall mein Lieblingsschuh. Schon immer. Mit dem Schuh kann man fast alles machen. Nur bei schnellen Tempoläufen ohne Spikes bevorzuge ich den Streakfly.

Mit Carbonschuhen hast du noch keine Erfahrungen?
Alina Ammann: Kaum, das liegt aber vor allem daran, dass ich gar nicht so viele Kilometer in der Woche auf der Straße laufe. Im Schnitt komme ich nur auf 30 Kilometer pro Woche. Ich trainiere eher wie eine 400-Meter-Läuferin und weniger wie eine Mittelstrecklerin, die auch mal 1500 Meter läuft. Dieses Training passt gut zu mir und meinem Körper. Wenn ich zu oft längere Strecken laufe, wird die Belastung zu hoch, was mich eher schwächt. Mir macht es auch mehr Spaß, auf der Bahn kurz und intensiv zu trainieren als lang und langsamer auf der Straße oder im Wald.

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Hanna Klein: Nach Silvesterlaufsieg in Bietigheim auf die Hallensaison verzichtet

Hanna, wie planst du deinen weiteren Weg Richtung Leichtathletik-Europameisterschaften in Rom und Olympische Spiele in Paris? Seit dem Sieg bei der Hallen-EM 2023 über 3000 Meter in Istanbul hast du ja nur einen Bahnwettkampf im Juni 2023 bestritten …
Hanna Klein: … ja, auf die Hallensaison habe ich auch noch verzichtet, weil mir nach der Achillessehnenverletzung vom vergangenen Sommer das Risiko des schnellen Laufens in den steilen Kurven zu hoch war. Ich habe stattdessen zunächst Grundlagen gelegt, bevor dann ein Trainingslager mit meiner Tübinger Trainingsgruppe in Cervia an der italienischen Adria folgt. Und dann hoffe ich, relativ früh wieder ins Wettkampfgeschehen eingreifen zu können, um mein Potenzial auszuschöpfen und wieder dahin zu kommen, wo ich schon einmal war.

Und du Alina? Du warst ja vor zehn Jahren schon sehr erfolgreich, bist bei U18- und U20-Weltmeisterschaften für Deutschland gelaufen. Doch dann ging es erstmal nicht weiter bis ganz an die Spitze bei den Erwachsenen. Du warst zwar immer dabei, aber nie ganz vorn über 800 Meter. Bis dann der Durchbruch mit zwei Titeln als Deutsche Meisterin 2023 im Freien und 2024 in der Halle kam. Wie hast du die Phase ohne ganz große Erfolge durchgehalten?
Alina Ammann: Ich war in dieser Zeit immer wieder verletzt und habe nie länger als fünf Monate am Stück durchtrainieren können. Dabei habe ich aber immer wieder gemerkt, dass das Training richtig gut anschlägt. Und ich wusste, dass noch viel, viel mehr in mir steckt als das, was ich bis dahin in den Rennen zeigen konnte. Das wollte ich immer zeigen und mich selbst immer weiter herausfordern. Deshalb habe ich nie mit dem Sport aufgehört. Ich wusste immer: Wenn ich gesund bleibe und mal längere Zeit durchtrainieren kann, werde ich schneller laufen. Das hat mich immer motiviert. Hinzu kommt meine Freude an der Bewegung. Ich könnte ohne Sport gar nicht leben. Wichtig war sicher auch die Unterstützung durch meine Familie und meine Freunde, ich trainiere ja auch schon lange bei meinem Vater, der – wie die anderen auch – immer an mich geglaubt hat.

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Alina Ammann: Kein Druck durch die Olympia- oder EM-Qualifikation

Und was hat sich durch die beiden Titel für dich geändert?
Alina Ammann: Ich bin jetzt Profi-Athletin. Ich kann den Fokus komplett auf den Sport richten. Vorher habe ich hauptsächlich studiert, jetzt habe ich zwar grade mein Masterstudium in klinischer Psychologie und Psychotherapie begonnen, aber das läuft mehr nebenbei. Ich denke, diese Konzentration aufs Laufen bringt mir noch mal einen Leistungspush.

Planst du dieses Jahr schon für die Olympischen Spiele in Paris oder liegt dein Fokus auf den Europameisterschaften in Rom?
Alina Ammann: Ich will vor allem gesund bleiben, damit ich durchtrainieren kann. Dann kommt mit der nötigen Lockerheit auch die Leistung, aus der sich alles weitere ergibt. Ich mache mir keinen Druck mit der Qualifikation für die EM oder für Olympia.

Begeistert von neuen Community-Läufen und Renn-Formaten wie den Fast Laps auf einer Go-Kart-Bahn in Berlin

Wie wichtig ist es für euch als Spitzenläuferinnen, zur Laufcommunity zu gehören, die wächst und wächst und in der junge Leute auch immer wieder neue Formate entwickeln?
Hanna Klein: Das ist richtig cool. Ich war zuletzt beispielweise bei einem Event zu Gast, das der Berlin Track Club zusammen mit Nike organisiert hat. Da wurden auf einer 200 Meter langen Runde mit vielen engen Kurven und Ecken auf einer Indoor-Go-Kart-Bahn Staffelrennen, Ausscheidungsrennen und Rennen über Mittelstrecken ausgetragen. Mit DJ, Lichteffekten, Partystimmung und vor allem mit Laufcrews aus ganz Europa, die das gemeinsame Rennen als Teamwettkampf begreifen und Bock aufs Laufen haben. Das hat riesigen Spaß gemacht, obwohl ich selbst gar nicht gelaufen bin, weil es nicht in den Trainingsplan und in meine Vorbereitung auf die Olympiasaison gepasst hat.
Alina Ammann: Die Stimmung auf der Bahn, auf der sonst Elektro-Go-Karts in Berlin fahren, war krass. Ich finde es ganz wichtig, das Laufen im Team zu erleben und die Begeisterung dafür zu teilen. Ich trainiere jeden Tag mit meiner Hamburger Gruppe, obwohl das größtenteils Langsprinterinnen und Langstreckler sind, die andere Disziplinen im Fokus haben als ich. Das ist Freundeskreis und Trainingsgruppe in einem. Wir verstehen uns super und finden immer Möglichkeiten, zusammen zu trainieren. Es kommt darauf an, so oft wie möglich zusammen auf der Bahn zu sein. Und die Leidenschaft fürs Laufen und die damit verbundenen Herausforderungen gemeinsam zu lieben.