Effektiv regenerieren
Darum ist erholsamer Schlaf für die Fitness so wichtig
Die richtige Dosis erholsamen Schlafs ist die Basis für eine gute Fitness. Doch wie viele Stunden sind die richtige Dosis und wann ist Schlaf erholsam? Unser Experte Dr. Stefan Graf erklärt es dir.
Schlank im Schlaf?
Immer wieder kursieren die gleichen Geschichten darüber, was durch spezielle Schlafvarianten oder im Schlaf erreicht werden kann. Vor Mitternacht zu Bett zu gehen, soll besonders erholsam sein, ist eine dieser Geschichten, man könne im Schlaf lernen, eine weitere. Außerdem, heißt es immer wieder, könne man sich „schlankschlafen“. Sind das Mythen oder ist etwas dran an diesen Thesen. Tatsächlich haben sie alle einen wahren, auch für Läufer relevanten Kern: Es spielt zwar keine Rolle für die Erholung, ob man sich vor Mitternacht schlafen legt oder später, man sollte aber auf jeden Fall einige Stunden ungestörten Schlaf zusammenbekommen. Die regenerativ besonders wichtigen Tiefschlafphasen, die Bestandteil der sich vier bis sechsmal pro Nacht wiederholenden Schlafzyklen sind, verkürzen sich im Laufe der Nacht. Und in den ersten, längeren Tiefschlafphasen regenerieren wir besonders effektiv. Auch am Lernen-durch-Schlaf steckt ein Fünkchen Wahrheit: In den Tiefschlafphasen wird tagsüber Erlerntes – also zum Beispiel auch ein im Training eingeübter Laufstil – verankert und automatisiert.
Der Slogan „Schlank im Schlaf“ soll vor allem jene ködern, die es mit der Bewegung nicht so haben. Dubiose Nahrungsergänzungsmittel oder Diätprodukte werden mit dem Versprechen beworben, im Schlaf das Fett schmelzen zu lassen. Doch das einzige, was dabei schmilzt, ist der Geldbeutel. Aber: Der Schlaf spielt beim Gewichtsmanagement tatsächlich eine entscheidende Rolle. Das nächtliche Fasten bei fehlender körperlicher Aktivität zwingt den Organismus, seinen Grundumsatz überwiegend durch Fettverbrennung zu decken. Nur das Gehirn benötigt Zucker aus den Glykogendepots der Leber. Neuere Erkenntnisse zeigen außerdem, dass bei Menschen mit Schlafstörungen bestimmte Fettstoffwechsel-Gene aktiviert werden, die den Fettaufbau forcieren. Mit anderen Worten: Schlechter Schlaf macht dicker.
Raubt abendliches Training den Schlaf?
Und was ist mit Training und Schlafen? Viele lieben es, an warmen Sommerabenden nach 20 Uhr zu laufen. Spätes Training soll aber wach machen und die Nachtruhe verkürzen. Wissenschaftler der ETH Zürich haben diese Befürchtungen nach vergleichender Analyse von 23 Studien relativiert. Gerade nach einem fordernden Arbeitstag kann ein moderates, den Pegel des Stresshormons Cortisol senkendes Abendtraining das Ein- und Durchschlafen sogar erleichtern. Intensive Belastungen sollten in der letzten Stunde vor dem Schlafengehen allerdings unterbleiben. Die Studien belegen gehäufte Einschlafstörungen und eine verkürzte Gesamtschlafdauer. Letztlich aber gibt nur der Selbsttest – also das Befinden am nächsten Morgen – Auskunft über die individuellen Auswirkungen.
Wer nur in der Vorwettkampfnacht nicht gut schlafen kann, braucht sich nicht verrückt zu machen. Der Körper steckt das weg und unter dem Adrenalin, das der Körper vor einem Wettkampf auszuschütten pflegt und das für diese Art der Schlafstörung verantwortlich ist, wird die Leistung nicht leiden. Mit dem Problem ist man übrigens nicht allein: Zwei Drittel der Leistungsathleten (416 von 632) verschiedener Sportarten bekannten sich im Rahmen einer Studie der Universität Heidelberg zu Schlafstörungen vor Wettkämpfen.
Action im Gehirn
- Einschlafen (Non-REM 1): Im Idealfall schwindet binnen weniger Minuten das Bewusstsein. Gehirn- und Nervenaktivität werden gedrosselt, die Skelettmuskeln entspannen sich.
- Leichtschlaf (Non-REM 2): Atem- und Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken, das vertieft die Entspannung. Im Leichtschlaf verbringen wir die meiste Zeit der Nacht – pro Zyklus bis zu einer Stunde.
- Tiefschlaf (Non-REM 3+4): Bei maximaler Tiefenentspannung erreichen Gehirn- und Atmungsaktivität, Pulsfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur ihre Minima. Diese für die physische und mentale Regeneration, für muskuläre Reparatur- und Wachstumsprozesse entscheidende Phase verkürzt sich im Laufe der Nacht mit jedem Zyklus. Im ersten Zyklus kann auch sie bis zu einer Stunde dauern.
- Traumschlaf (REM): Jetzt kommt Bewegung in die Sache – schnelle Augenbewegungen sind Zeichen drastisch ansteigender Gehirnaktivität. Der Schlaf wird flach. Das Gehirn verarbeitet emotionale Eindrücke, knüpft aber auch neue synaptische Nervenverbindungen. Durch diese sogenannte „neuronale Plastizität“ werden komplexe Bewegungsabläufe wie ein im Training eingeübter Laufstil verankert und automatisiert. Die Dauer des REM-Schlafs verlängert sich gegenläufig zum Tiefschlaf von einigen Minuten im ersten Zyklus bis zu einer halben Stunde am Ende der Nacht.
Vier- bis sechsmal pro Nacht wird dieser Zyklus mit einer Dauer von circa 90 Minuten durchlaufen. Ohne uns später daran zu erinnern, wachen wir mehrfach für bis zu zwei Minuten Dauer auf. Evolutionsbiologen vermuten ein Relikt aus frühen Menschheitstagen. Wachsamkeit im Schlaf erhöhte die Überlebenschancen. Ist der Tiefschlaf beeinträchtigt, können die in dieser Phase aktiven Wachstumshormone weder die gesetzten Trainingsreize ausreichend verarbeiten noch die Reparatur kleiner Muskelverletzungen bewerkstelligen. Wird keine maximale Muskelentspannung erreicht, leiden Wiederherstellungs- und Superkompensationsprozesse. Leistungsabfall und erhöhte Verletzungsanfälligkeit sind die mittelfristigen Folgen.
Eine Mütze Schlaf am Nachmittag?
Für viele ist das aus beruflichen Gründen nicht möglich. Aber ist ein Mittagsschläfchen überhaupt empfehlenswert? Auch hier gibt es nur individuelle Antworten. Prinzipiell sollte man nur dann ein Nickerchen machen, wenn der Körper danach verlangt und man abends anschließend keine Probleme hat, einzuschlafen. Wenn sich aber solch einen „Power Nap“ gönnt, sollte er maximal 30 Minuten dauern, um den Eintritt in die Tiefschlafphase zu vermeiden. Sonst kommen die den Biorhythmus diktierenden inneren Uhren aus dem Takt. Schlafexperten sprechen dann vom „chronobiologischen Jet Lag“. Das haben Schlaflabor-Studien ergeben.
Macht Sex vor dem Wettkampf schwere Beine?
Diese Frage hat schon die Olympioniken der Antike beschäftigt. Platon empfahl Enthaltsamkeit, um die volle Manneskraft in die Wettkämpfe zu werfen. Geklärt ist die Frage auch heute nicht. Auch nicht nach einer von Forschern aus Florenz durchgeführten Vergleichsanalyse von 500 Studien. „Wir haben keinen wissenschaftlichen Beweis gefunden, dass sexuelle Aktivität einen negativen Effekt auf athletische Leistung hat“, sagt Laura Stefani von der Universität Florenz. Auf der einen Seite stehen die motivierenden, durch Glückshormonausschüttung verstärkten Kicks von Sex., auf der anderen die physischen Faktoren des Kraftverlusts und der verkürzten Schlafdauer, die allerdings durch bessere Schlafqualität sowie die agressivitätssteigernde Ausschüttung des Sexualhormons Testosteron kompensiert werden könnten. Das Grundproblem liegt im Studiendesign. Für verlässliche Aussagen müsste man einheitliche Bedingungen herstellen. Das hieße, Dauer, Uhrzeit und Intensität der intimen Zweisamkeit – sozusagen eine „Standardnummer“ – vorzugeben. Wer will das schon? So basieren die meisten Studien auf subjektiven und daher eher vagen Befragungen.
Grundsätzlich kann man also sagen: Das romantisch-intime Beisammensein am, nicht zu späten Abend vor einem Wettkampf kann sogar leistungsfördernd sein. Von einer „wilden Nacht“ ist wegen der Verluste an Energie und Schlafdauer eher abzuraten. Am besten probiert man die Wirkung auf den eigenen Körper einfach einmal aus – es gibt unangenehmere „Trial-and-Error“-Experimente.
Tipps für sensible Schläfer
- Konstante Schlafengeh- und Aufstehzeiten, auch am Wochenende
- Leichtes, nicht zu spätes Abendessen
- Kein Alkohol (Durchschlafstörungen) und Koffein (Einschlafstörungen) am Abend
- Moderate abendliche Bewegung – kein erschöpfendes Training
- Keine späte Bildschirmarbeit
- Keine Lichtquellen im abgedunkelten Schlafzimmer
- Für angenehme Raumtemperatur und –feuchtigkeit sorgen
Im Dunkeln schläft sich's gesünder
US-Forscher haben nächtliches Licht als schlafstörend und Risikofaktor für Übergewicht identifiziert. Blaue Lichtanteile, wie sie LED-Bildschirme absondern, hemmen die Ausschüttung des schlafanstoßenden Hormons Melatonin und bringen dadurch unseren 24-Stunden-Rhythmus und den Energiestoffwechsel durcheinander. Licht ist nachts ein Stressfaktor, der zu erhöhter Ausschüttung der wach machenden Hormone Orexin und Cortisol und damit zum Blutzuckeranstieg mit nachfolgender Insulinausschüttung und nächtlichem Hungergefühl führen kann. Der nächtliche Gang zum Kühlschrank und verkürzte Schlafdauer fördern die zusätzliche Kalorienaufnahme. Also: Computer, Handy und alle Lichter aus. Und Jalousien runter.