Auf dem Weg zu Olympia
Deborah Schöneborn: Zweigleisig zum Marathon-Erfolg
Deborah Schöneborn (links) hat sich 2020 im Marathon um fast viereinhalb Minuten auf 2:26:55 Stunden verbessert. Jetzt will sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Rabea bei Olympia in Japan starten.
Lange Strecken interessieren Deborah Schöneborn. Und das nicht nur, weil sie zu den besten deutschen Marathonläuferinnen gehört. Beruflich ist sie an noch viel längeren Distanzen interessiert als den 42,195 Kilometern, über die sie im Sommer 2021 bei Olympia in Japan antreten will. „Laborparameterveränderungen beim 160-Kilometer-Ultralauf“ – das ist der Titel ihrer Doktorarbeit, an der sie nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums an der Berliner Charité arbeitet.
Und als wäre es nicht schon genug, Woche für Woche im Training bis zu 200 Kilometer zu laufen und an einer Promotion zu arbeiten, hat die 26-Jährige auch noch einen Nebenjob: Für ein Start-up, das sich mit Genetik und Sportmedizin beschäftigt, fasst sie wissenschaftliche Studienergebnisse zu sogenannten „Metaanalysen“ zusammen. Dafür braucht sie kaum mehr als ihr Notebook. Der Job passt ideal zu ihrem Sport, für den sie ja viel Zeit in Trainingslagern verbringt. „Ich kann von Kienbaum oder von Kenia aus arbeiten“, sagt sie. Eine feste Stundenzahl hat sie auch nicht. „Ich arbeite in der Mittagspause ab, was ich so schaffe.“ Bevor es dann wieder ins Training geht.
Nach dem Abschluss ihres Studium steht der Sport im Vordergrund – auch weil sie weiß, dass dafür nur eine kurze Zeitspanne im Leben bleibt, während die Medizin für sie noch jahrzehntelang im Mittelpunkt stehen wird. „Wenn ich irgendwann meine Leistungsgrenze erreicht habe, verletzt bin oder einfach keine Lust mehr habe, kann ich auf eine schöne Zeit zurückblicken.“ Sie genießt es, ihr Studium schon in der Tasche zu haben und sich so im Sport selbst verwirklichen zu können: „Ohne den Druck zu haben, etwas machen zu müssen“, sagt sie.
Der Traum von Deborah Schöneborn: Gemeinsam mit Zwillingsschwester Rabea bei Olympia starten
Vergangenen Dezember lief sie in Valencia den Marathon in 2:26:55 Stunden und steigerte ihre Bestzeit um fast viereinhalb Minuten. Damit ist das Olympia-Ticket in greifbarer Nähe. Vor den beiden Rennen in Hamburg (11. April) und Dresden (21. März), wo viele Olympiakandidatinnen die Rangfolge noch einmal durcheinanderwirbeln wollen, rangiert sie auf Rang zwei der Liste. Maximal drei deutsche Läuferinnen können im olympischen Marathonrennen starten. Die Olympianorm von 2:29:30 Minuten haben bereits fünf DLV-Athletinnen unterboten.
- 2:23:57 Melat Kejeta (2019)
- 2:26:55 Deborah Schöneborn (2020)
- 2:27:26 Katharina Steinruck (2019)
- 2:28:25 Anja Scherl (2020)
- 2:28:42 Rabea Schöneborn (2020)
Für Deborah Schöneborn bedeutet das, dass sie keinesfalls einfach zuschauen will, wie die anderen ihre Position attackieren. Sie tritt am 11. April 2021 beim Elite-Marathonrennen in Hamburg wieder an. „Ich kann nicht warten, dass mich jemand schlägt. Ich muss mich so vorbereiten, dass ich noch mal einen draufsetzen kann“, schildert sie ihre Pläne. Und wie schon in Valencia wird ihre Zwillingsschwester Rabea in Hamburg wieder mit von der Partie sein, wo die beiden ein gemeinsames Ziel verfolgen: „Wir haben den Plan, dass Rabea in Hamburg meine Zeit von Valencia läuft und ich noch ein bisschen schneller.“ So wollen die beiden am Ende Nummer zwei und drei der Rangliste sein und gemeinsam zu den Olympischen Spielen fahren.“
Die Zwillingsschwester ist Trainings- und Lebenspartnerin, aber auch Konkurrentin
Die beiden Zwillingsschwestern leben zusammen, laufen zusammen und sind zusammen als d.r.schoeneborn auf Instagram aktiv. Sie ergänzen sich perfekt. Gerade in den schwierigen Corona-Zeiten sind sie sich gegenseitig eine Stütze. Die Schöneborn-Zwillinge, deren ältere Schwester Lena 2008 in Peking Olympiagold im Modernen Fünfkampf gewonnen hat, trainieren unter ihrem Trainer Detlef Müller alias „Jive“ und starten für die LG Nord Berlin. Allerdings haben sie ihre Trainingsgruppe seit dem vergangenen Herbst wegen Corona nicht mehr gesehen. Sie sind die einzigen Kadersportlerinnen in der Gruppe, und so hatten nur sie die Möglichkeit, trotz Lockdown am Olympiastützpunkt zu trainieren. „Wir haben immer die Möglichkeit, zu zweit zu laufen. Das ist unser großer Bonus“, sagt Deborah Schöneborn, „wenn es morgens kalt ist und Schnee liegt, möchte jede lieber im Bett bleiben. Aber wir stehen dann gemeinsam auf und gehen gemeinsam raus.“
Sie sind allerdings nicht nur Trainingspartnerinnen, sondern auch Konkurrentinnen. Das war schon immer so, erinnert sich Deborah: „Früher ging es um die Gummibärchen oder wer in der Schule bessere Noten geschrieben hat. Heute geht es um Olympia.“ Und da ist Deborah aktuell in der besseren Situation. Die Corona-Pandemie konnte 2020 ihren großen Leistungssprung nicht verhindern, wenn auch ihre Planungen natürlich kräftig durchgeschüttelt wurden.
Im Januar war sie das erste Mal im Höhentrainingslager im kenianischen Iten. Zwei Wochen danach hat sie den Halbmarathon in Barcelona in 71:37 Minuten absolviert. An dem Wochenende danach folgten die Deutschen Crossmeisterschaften. „Wenn ich gewusst hätte, dass das der letzte Wettkampf ist, den ich für ein halbes Jahr mache, hätte ich ihn ein bisschen mehr genossen“, sagt sie.
Nachdem im Lockdown alle Rennen abgesagt wurden, trainierte sie zunächst nicht mehr nach Trainingsplan. Sie kaufte sich ein Rennrad und fuhr mit ihrer Schwester Rabea gemeinsam Fahrrad. Die 2020 abgesagten Wettkämpfe waren für Deborah dann aber auch Glück im Unglück. Die 26-jährige litt im Sommer an einer Plantarfaszien-Entzündung am Fuß. Somit blieb es erstmal beim alternativen Training auf dem Rad oder im Wasser beim Aquajogging. Das alternative Training hat Deborah nicht geschadet. Als sie wieder Laufen konnte, war die Form schnell wieder da. Am 17. Oktober 2020 ging sie bei der Halbmarathon-WM in Gdynia in Polen an den Start. Dort beendete sie das Rennen in 72:39 Minuten , holte sensationell Bronze mit der deutschen Mannschaft und startete direkt mit der Vorbereitung für den Valencia-Marathon – mit bekanntem Ausgang.
Dass sie sich Ende 2020 so stark verbessert hat, hängt auch mit dem Abschluss ihres Medizinstudiums zusammen. Das erste Halbjahr steckte sie noch im Praktischen Jahr, was fürs Laufen weniger gut war als ihre aktuelle Situation. „Das war ziemlich intensiv, weil ich ganz normal im Krankenhaus gearbeitet habe“, blickt sie zurück. In dieser Zeit hat sie die erste Trainingseinheit schon vor der Frühschicht gemacht. „Das war schon anstrengend, aber es hat auch funktioniert. Bei den Trainingseinheiten habe ich mir gedacht, dass ein Marathon auch lang ist. Das ist also die beste Vorbereitung.“ Ihr Praktisches Jahr hat die 26-jährige seit Mitte letzten Jahres, pünktlich zur Marathonvorbereitung für Valencia, abgeschlossen. So konnte sie in Ruhe für das dritte Staatsexamen lernen. „Der Kopf arbeitet dann, wenn die Beine Pause brauchen“, beschreibt sie ihre Strategie, um Medizinstudium und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen. Und so ist sie zweigleisig erfolgreich.