Meilen-Rekordversuch
Faith Kipyegon will das Unmögliche möglich machen

| Text: Anja Herrlitz | Fotos/Video: Nike

Faith Kipyegon ist dreimalige Olympiasiegerin über 1500 Meter und hält die Weltrekorde über diese Distanz und die Meile. Jetzt wagt sie Unvorstellbares: Sie will die Meile in unter 4 Minuten laufen.

Wenn du dreimal in Folge Olympiasiegerin über 1500 Meter geworden bist. Wenn du vier WM-Titel über 1500 und 5000 Meter gewonnen hast. Wenn du den Weltrekord über 1500 Meter und die Meile hältst und einige Zeit auch den über 5000 Meter innehattest. Was ist dann dein nächstes Ziel?

Versuchst du dann, weitere Medaillen zu gewinnen? Was schon schwierig genug wäre. Oder träumt man vom ganz großen Coup? Von etwas, das viele für unmöglich halten. Genau das macht Faith Kipyegon. Die 31 Jahre alte Kenianerin will als erste Frau die Meile in unter 4 Minuten laufen.

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Den Weltrekord um mindestens 7,65 Sekunden unterbieten

Faith Kipyegon hält den Weltrekord über die Meile. Bei 4:07,64 Minuten steht der seit dem Diamond League-Meeting 2023 in Monaco. Als einzige Frau überhaupt ist sie die 1609 Meter in weniger als 4:10 Minuten gelaufen. Die Niederländerin Sifan Hassan folgt in 4:12,33 Minuten auf Platz zwei dieser ewigen Bestenliste.

7,65 Sekunden müsste Faith Kipyegon also schneller laufen. Es hört sich unvorstellbar an. Aber wenn es eine schaffen kann, dann ist es wohl derzeit Faith Kipyegon. 2016 wurde sie in Rio erstmals Olympiasiegerin über 1500 Meter, 2021 in Tokio und 2024 in Paris wiederholte sie diesen Triumph. Keine Läuferin und kein Läufer haben es neben ihr jemals geschafft, über diese Strecke drei olympische Goldmedaillen zu gewinnen.

Über den Tellerrand hinaus träumen

Außerdem wurde Faith Kipyegon 2017, 2022 und 2023 dreimal Weltmeisterin über 1500 Meter und gewann 2023 zudem auch die 5000 Meter. Die beiden schnellsten 1500-Meter-Zeiten einer Frau hat sie erzielt, mit 3:49,04 Minuten hält sie den Weltrekord, aufgestellt im vergangenen Jahr.

„Das Team und ich fragten uns: Was können wir noch erreichen? Streben wir nach weiteren Medaillen?“, sagt sie. „Wir fragten uns: Warum träumen wir nicht über den Tellerrand hinaus? Das Unmögliche erreichen. Es möglich machen.“ Und so entstand zusammen mit ihrem langjährigen Sponsor Nike eine Idee: Die Meile in unter 4 Minuten laufen.

Unter 4 Minuten – geht das überhaupt?

Das zu schaffen, galt lange Zeit nicht nur als unwahrscheinlich, sondern sogar auch als unmöglich. Und auch die von Faith Kipyegon gelaufenen Weltrekorde legen es nicht unbedingt nahe, dass es möglich ist. Ihr Meilen-Weltrekord liegt 7,64 Sekunden über der magischen Marke – eine Welt! Allerdings wird die Meile auch nicht besonders häufig gelaufen.

Aber auch wenn man sich ihren 1500-Meter-Weltrekord anschaut, können Zweifel aufkommen: 3:49,04 Minuten auf 1500 Meter bedeutet, dass sie alle 100 Meter des Rennens durchschnittlich in 15,27 Sekunden gelaufen ist. Rechnet man auf ihren Weltrekord noch einmal 15,27 Sekunden drauf, ist man bei gut 4:04 Minuten für die Meile. Also auch noch einmal 4 Sekunden vom Ziel entfernt. Und trotzdem glaubt Faith Kipyegon daran, es schaffen zu können. Und nicht nur sie.

Eliud Kipchoge glaubt an sie

Einer, der es ihr zutraut, ist Eliud Kipchoge. Selbst ein absoluter Ausnahmekönner und einer der besten Läufer aller Zeiten. Und Faith Kipyegons Trainingspartner und Freund. Zwei Weltrekorde stellte er im Marathon auf – und realisierte mit Nike zusammen ebenfalls ein Projekt, das viele bis dahin für unmöglich hielten: Als erster Mensch lief er den Marathon in unter 2 Stunden. Er weiß also, was es bedeutet, Unmögliches möglich zu machen. „Faith ist die richtige Frau für diese Herausforderung, denn sie ist offen für Neues“, sagt er.

Und auch Patrick Sang, der Trainer der beiden, glaubt an sie. Die Meile in unter 4 Minuten zu laufen, sei für sie eine natürliche Entwicklung, mein er. Sie bringe ein riesiges Talent und Ehrgeiz mit, gepaart mit einem unbändigen Willen.

Beweisen, dass das Unmögliche möglich ist

Es wäre ein Vorstoß in neue Dimensionen. So wie es 1954 Roger Bannister getan hat. Bis dahin hatte man auch Männern nicht zugetraut, die Meile in weniger als 4 Minuten zu laufen. Und dann tat er es in 3:59,4 Minuten. Und seitdem ist es fast 2000 anderen gelungen. Manchmal braucht es nur einen, der vorangeht, der beweist, dass etwas möglich ist.

Aber wie bei fast jeder herausragenden Leistung, hat eine Athletin oder ein Athlet keine Chance ohne ein Team, das ihr dabei hilft, diese Leistung zu realisieren. Leute wie Patrick Sang, selbst ein herausragender Trainer. Oder Trainingspartner und Freunde wie Eliud Kipchoge. Oder auch wie Nike, die mit Faith Kipyegon seit 2010 zusammenarbeiten und nun alles versuchen, um sie zu unterstützen.

Innovationen sind geplant

Schon 2017, als Eliud Kipchoge sich aufmachte, als Erster die 2-Stunden-Marke im Marathon zu brechen, stand Nike mit zahlreichen Innovationen an seiner Seite. Für dieses Projekt wurden damals die ersten Schuhe mit Carbonplatte entwickelt. Und sie haben nicht nur Eliud Kipchoge dabei geholfen, sein Ziel zu erreichen, sondern die Laufwelt komplett auf den Kopf gestellt. Die Rekorde sind seitdem in zuvor ungeahnte Dimensionen vorgestoßen.

Auch bei diesem Projekt tut Nike wieder alles, was in seiner Macht steht. Auch wenn noch nicht zu viele Details verraten werden können, „wird es auf jeden Fall neue Schuhe für Faiths Rekordversuch geben“, berichtet Amy Jones-Vauterhaus, bei Nike Vizepräsidentin Women’s Sport Research & Nike Innovation’s Holistic Support. Und es wird auch an einer neuen Technologie für einen Sport-BH getüftelt und am Zusammenspiel des Bras und der restlichen Kleidung.

Rekord-Versuch am 26. Juni in Paris

Auch Themen wie Aerodynamik und Effizienz werden genau untersucht. Und der Ort, wo der Rekord-Versuch stattfinden soll, war wichtig. „Faith war von Anfang an ganz klar in dem, was sie sich wünscht: Sie wollte Wärme der Sonne, möglichst keinen Wind und Energie von den Zuschauern“, erzählt Seema Simmons, Vizepräsidentin Global Women's Running & Fitness bei Nike. Der Rekordversuch wird am 26. Juni im Stade Charléty in Paris stattfinden. Auf genau der Bahn, auf der Faith Kipyegon im vergangenen Jahr den Meilen-Weltrekord lief und im Jahr zuvor den Weltrekord über 5000 Meter. Ein gutes Omen?

Bis zu diesem Tag im Juni, ist sich Faith Kipyegon sicher, wird sie Meile schon unzählige Male in unter 4 Minuten gelaufen sein. In ihrem Kopf. Immer wieder spielt sie dieses Szenario mental durch. „Das gibt mir richtig Energie, morgens aufzustehen und zu trainieren.“ Noch mehr Energie gibt ihr ihre Tochter Alyn, die 2018 geboren wurde. Sie wird in Paris an der Ziellinie stehen und auf ihre Mutter warten.

Frauen inspirieren, Grenzen zu überschreiten

Faith Kipyegon ist zwar diejenige, die es schaffen will, die Meile in weniger als 4 Minuten zu laufen. Aber sie will es nicht nur für sich und ihr Ego machen. Sie will andere damit inspirieren. Vor allem Frauen.

„Man kann träumen und seine Ziele erreichen. Grenzen sind dazu da, verschoben zu werden. Das ist der Weg, den wir Frauen gehen sollten, um Grenzen zu überschreiten und große Träume zu haben.“ Ob ihr Traum aufgeht, wird sich am 26. Juni in Paris zeigen, wenn es heißt: Faith Kipyegon vs. die 4-Minuten-Meile.