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Tipps für den Saisoneinstieg
Frühjahrsputz für den Körper

| Text: Dr. Stefan Graf | Fotos: Adobe Stock

Frühling. Start in die neue Laufsaison. Jetzt heißt es, Körper und Seele auf Sommerbetrieb umzustellen. Hier gibt’s die Tipps zu Frühjahrsmüdigkeit, der richtigen Ernährung und laufen in der Sonne.

Mit der Tageslänge und den frühlingshaften Temperaturen steigt die Lauflust. Jetzt ist es Zeit für eine Neujustierung. Die individuellen Saisonziele sind gesteckt. Ob Gesundheits-, Wettkampf- oder Spaßläufer: Alle haben ihre Planung, wie die Umsetzung erfolgen soll.

Doch neben dem wichtigsten Grundsatz, nicht gleich zu überpacen, sondern Umfänge und Intensitäten moderat zu steigern, gilt es im Frühjahr einige Faktoren zu beachten, die über das rein Sportliche hinausgehen.

Lichte Momente – Vitamin D tanken!

Das „Sonnen-Vitamin“ D ist den meisten als essenzieller Wirkstoff für den Kalziumeinbau und damit für die Stabilität der Knochen bekannt. Aber das ist längst nicht alles. Auch die Arbeit von Herz- und Skelettmuskeln, die Elastizität der Blutgefäße und das für Regeneration und Heilung von Verletzungen zuständige Immunsystem sind von einem guten Vitamin D-Status abhängig.

Unterversorgung bedeutet Leistungsverlust, erhöhte Verletzungsrisiken und im schlimmsten Fall sogar Herzprobleme. Über 60 Prozent der Deutschen entwickeln im Winterhalbjahr einen latenten Vitamin-D-Mangel. Davor ist auch nicht gefeit, wer regelmäßig draußen gelaufen ist. Die Ursache liegt im niedrigen Sonnenstand und unserer temperaturgemäßen Bekleidung.

Im Winter wird vom Vorrat gezehrt

90 Prozent der Vitamin-D-Produktion erfolgt über Eigensynthese in der Haut, die von einem bestimmten ultravioletten Strahlungsanteil (UV-B) des Sonnenlichts abhängig ist. Im Winter ist die solare Strahlungsintensität zu gering und wir zeigen viel zu wenig Haut, um genug Vitamin D zu produzieren. Wir leben von dem im Sommer angelegten Vitamin-D-Vorrat.

Solarienbesuche nutzen da nichts. Sie steigern nur das Hautkrebsrisiko, aber nicht die Vitamin-D-Produktion, da die dortigen Bräunungsstrahlen (UV-A) eine irrelevante Wellenlänge aufweisen. Auch wer regelmäßig fettreichen Fisch verzehrt – nahezu die einzige ergiebige Nahrungsquelle für die im menschlichen Stoffwechsel aktive D3-Variante des Vitamins – kann ein winterliches Absacken seines D-Spiegels kaum verhindern, weil die körpereigene Produktion einfach zu bedeutsam ist.

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Supplementierung nur nach ärztlicher Beratung

Vitamin D-Supplementierung sollte einzig nach ärztlichem Nachweis eines Mangels erfolgen, da Überschüsse des fettlöslichen Vitamins nicht über den wässrigen Urin entsorgt werden. Eine dauerhafte Überdosierung durch Supplemente kann schwerwiegende Symptome von Müdigkeit, Übelkeit und Muskelschwäche bis hin zu Herzrhythmusstörungen nach sich ziehen.

Diese Gefahr besteht nicht, wenn wir ab dem Frühling unserem Outdoor-Bewegungsdrang freien Lauf lassen und die von Tag zu Tag intensiver auf die Erdoberfläche treffenden Sonnenstrahlen nutzen, um die körpereigene Vitamin-D-Produktion auf Touren zu bringen.

Daher hoch mit den Ärmeln und Hosenbeinen und während des Einlaufens die Sonnenstrahlen auf der unbedeckten, noch nicht eingecremten Haut ihre produktive Arbeit verrichten lassen. Ja nach Hauttyp aber nicht länger als 10 bis 20 Minuten. Dann heißt es, bereits ab April, an den Sonnenschutz zu denken.

Vitamine ...

... sind lebenswichtige Mikronährstoffe, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Da das „Sonnenvitamin D“ zu 90 Prozent durch UV-B-abhängige Eigensynthese in der Haut gebildet wird, ist es eigentlich kein Vitamin, sondern ein Pro-Hormon. Dauerhafte Vitamin D-Überdosierung durch Supplementierung kann Vergiftungssymptome auslösen.

UV-Intensität nicht unterschätzen

Uns fehlt ein Sinnesorgan, das vor hoher UV-Belastung warnt. Aus den moderaten Frühlingstemperaturen leiten wir eine noch niedrige Strahlungsintensität ab – eine riskante Fehleinschätzung. Zum einen reagiert sonnentwöhnte Haut schnell mit einem Sonnenbrand. Dabei ist nicht die fehlende Hautbräunung entscheidend, sondern die sich nur langsam ausbildende „Lichtschwiele“ – eine schützende Verdickung der oberen Hautschicht.

Zum anderen ziehen im Frühjahr verstärkt ozonarme polare Luftmassen über Deutschland hinweg. Diese sogenannten „Niedrig-Ozonereignisse“ bedeuten eine geringere Abschirmung der gefährlichen UV-Strahlen, die mit erhöhter Intensität auf die Haut treffen. Da jeder einzelne Sonnenbrand das Hautkrebsrisiko erhöht, ist nach dem Vitamin-D-produktiven Einlaufen Eincremen und/oder textiler Sonnenschutz angesagt.

Kurz in Kurz laufen ...

... macht nicht nur Spaß, sondern tut auch gut. Ärmel und Hosenbeine hoch und 10 bis 20 Minuten ohne Sonnenschutz einlaufen. Das bringt die Vitamin-D-Produktion auf Touren! Das winterliche Defizit wird ausgeglichen – Grundlage für stabile Knochen, leistungsfähige Muskeln, ein starkes Herz und gute Abwehrkraft!

Think before showing ink!

Tattoos gehören nicht in die Sonne! Seit dem Nachweis, dass in Tattootinten trotz Verbots gefundene Schadstoffe (Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Azo-Farbstoffe) in das Lymphsystem übertreten, ist im Umgang mit Tattoos höchste Vorsicht geboten.

Wie die Farben langfristig auf direkte Sonnenstrahlen reagieren, ist noch nicht sicher. Durch Photolyse (Lichtspaltung) aus den Farben gelöste Giftstoffe können über die Lymphe im ganzen Körper verteilt werden. Besonders auf langen Läufen sollten Tattoos bereits im Frühjahr nicht der prallen Sonne ausgesetzt werden!

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Gerade erst wach – gleich wieder (frühjahrs)müde

Keine Frühlingsgefühle, kein „Bäumeausreißen“, stattdessen matt und antriebslos. Frühjahrsmüdigkeit ist kein Mythos. Als Ursachen für die mit der Tageslänge zunehmende Abgeschlagenheit hat die Wissenschaft hormonelle und neuronale Anpassungsprobleme ausgemacht.

Wie stark die Symptome wahrgenommen werden, ist vor allem eine Frage der vegetativen Nervenregulation. Als feinfühlige Naturen sind Läuferinnen und Läufer besonders anfällig.

Tagesmüdigkeit, gestörter Nachtschlaf, Kreislaufprobleme, Schwindel, Gereiztheit, Kopfschmerzen, depressive Verstimmung ...

... Frühjahrsmüdigkeit hat viele Facetten. Hormonelle Anpassungsprobleme an veränderte Licht- und Temperaturverhältnisse und ein sensibles Nervensystem stehen im Zentrum des Geschehens.

Kampf der Hormone

Tageslicht und Temperatur erfahren im Frühjahr deutliche Veränderungen, auf die der Organismus adäquat reagieren muss. Bei manchen Menschen läuft das nicht reibungslos. Besonders die Neueinstellung der Balance zweier entgegengesetzt wirkender Hormone spielt dabei eine große Rolle. Das „Schlafhormon“ Melatonin und das „Fit- und Gute-Laune-Hormon“ Serotonin können unter dem Einfluss von Licht ineinander umgewandelt werden.

Im Winter erhält die Melatonin-Produktion durch die Dominanz der dunklen Stunden ein deutliches Übergewicht. Wir schlafen länger, haben ein erhöhtes Ruhebedürfnis. Mit zunehmender Tageslänge und Lichtintensität im Frühjahr verschiebt sich das Melatonin-Serotonin-Gleichgewicht auf die Seite des „Aktivators“.

Wie problemlos das gelingt, ist individuell unterschiedlich, zumal Licht- und Temperaturverhältnisse im April und Mai oft Kapriolen schlagen. Dieses äußere „Auf und Ab“ bereitet feinfühligen Menschentypen Beschwerden.

Endlich wärmer, doch Blutdruck im Keller

Steigende Temperaturen tun nicht nur der Seele gut. Sie veranlassen unser Zentralnervensystem zum Weitstellen der Blutgefäße – gut für die Organversorgung und mit dem größerem Gefäßdurchmesser sinkt der Blutdruck. Auch das ist gesund.

Wer aber ohnehin bereits ein „Hypotoniker“ (Niedrigblutdrucktyp) ist – und davon tummeln sich in der Lauf-Community überdurchschnittlich viele – wird durch den weiteren Blutdruckabfall schläfrig. Das ist nicht gefährlich, aber auch nicht angenehm.

Vagotone Ausdauerathleten und -athletinnen besonders sensibel

Die Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz stehen unter Kontrolle des nicht willentlich beeinflussbaren vegetativen Nervensystems, das vereinfacht gesagt aus einem hoch energetischen „Gaspedal“(Sympathikus) und einem ökonomischen „Bremshebel“ (Parasympathikus) besteht.

Anlagebedingt, aber auch durch bestimmte körperliche Aktivitäten wird die Balance zwischen diesen beiden auf die Seite des Parasympathikus verschoben. Dieser Zustand eines vom beruhigenden Parasympathikus dominierten vegetativen Nervensystems wird als „Vagotonie oder Vagotonus“ bezeichnet (benannt nach dem Hauptnerv des Parasympathikus, dem „Vagusnerv“).

Vagotonie wird durch Ausdauersport befördert und umgekehrt finden viele veranlagungsbedingte Vagotoniker – jener physisch feingliedrige, psychisch empfindsame Typus – eben aufgrund dieser Prädisposition zum Laufsport. Schnelle Wetteränderungen – typisch für die Frühlingsmonate – mit großen Temperatur- und häufigen Hoch-Tiefdruckwechseln – machen Vagotonikern zu schaffen. Frühjahrsmüdigkeit und Wetterfühligkeit erschweren vagotonen Läufern den Saisonstart mitunter gehörig.

Vagotonie und Frühjahrsmüdigkeit

Das Eingeweidenervensystem (Vegetativum) gliedert sich in:

  • Sympathikus: „Gaspedal“, Aktivnerv
  • Parasympathikus (Vagus): „Bremspedal“, Ruhenerv

Vagotonie (Dominanz des Parasympathikus)

  • ist ein Zustand – keine Krankheit
  • ist unter Läufern (niedriger Blutdruck und Ruhepuls) weit verbreitet
  • wird durch Ausdauersport gefördert
  • Vagotoniker sind eher sensible Naturen, oft wetterfühlig und frühjahrsmüde, aber ausdauernd und Herz-Kreislaufgesund!

Frühlingserwachen – was hilft?

Wer läuft, sich überhaupt viel bewegt, vollzieht bereits den wichtigsten Therapieschritt bei Vagotonie. Wenngleich Ausdauersport insgesamt den beruhigenden Vagotonus fördert, ist Laufen in der frühjahrsmüden Situation trotzdem der beste Wachmacher. Aber auch regelmäßiges Krafttraining ist nicht zuletzt wegen der situativ blutdrucksteigernden Wirkung zu empfehlen.

Da Vagotoniker nicht selten entgegengesetzt der Norm etwa auf Kaffee mit Müdigkeit (Rebound nach Koffein-Kick) oder auf Baldrianpräparate mit Wachheit (Alkoholzusatz) reagieren, sind Selbsttests gefragt. Fast alle aber profitieren vom Gefäßtraining durch den Wechsel von Warm- und Kaltreizen (Wechselduschen, Saunieren).

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Das richtige Frühjahrs-Food

Das winterliche, körpereigene „Heizen“ zum Aufrechterhalten der Körpertemperatur ist energetisch aufwendiger als das Kühlen bei frühlingshaften Temperaturen. Wärme produzieren die Muskeln und das Mitochondrien-reiche braune Fettgewebe. In der kalten Jahreszeit signalisiert der Organismus sein Wärmebedürfnis durch gesteigerten Appetit auf Deftiges mit höherem Fett- und Eiweißgehalt.

Mit Frühlingserwachen wandelt sich das kulinarische Blatt. Vor dem Start in die Laufsaison gilt es, die Kohlenhydratspeicher (Glykogen-Depots) in Muskeln und Leber gut zu befüllen. Low-Carb – für Läuferinnen und Läufer ohnehin problematisch – ist jetzt besonders kontraproduktiv. Komplexe Kohlenhydrate aus Vollkorngetreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchte gehören neben den Vitamin-/Mineralstoffspendern Gemüse und Obst auf den Speiseplan. Bei Ein-/Zweifachzuckern aus Süßigkeiten, Softdrinks oder Weißmehlprodukten sollte wegen der ungünstigen Insulin- und Blutzuckerwirkungen ganzjährig Zurückhaltung gewahrt bleiben.

Wieso „Frühjahrsdiäten“ nicht sinnvoll sind

„Frühjahrsdiäten“ wie sie einschlägige Magazine füllen, sollten Läuferinnen und Läufer ignorieren, auch wenn im Winter ein paar Extrakilos gesammelt wurden. Auf drastische Einschränkung der Kalorienaufnahme reagiert der Organismus binnen weniger Tage mit Umstellung auf den sogenannten Hungerstoffwechsel.

Wir kochen auf „Sparflamme“, der Energiebedarf wird auf das lebenserhaltende Minimum heruntergeregelt. Für „Luxusaktivitäten“ wie Sport wird keine Energie „verschwendet“, sodass die Leistungsfähigkeit in den Keller geht.

Umgekehrt benötigt das Wiederhochfahren der Stoffwechselrate nach einer Diät deutlich länger. Jede jetzt angebotene Kalorie wird besonders wirkungsvoll in die Fettdepots eingelagert. Der Jo-Jo-Effekt verschont auch Läuferinnen und Läufer nicht. Anstatt sich also mit Frühjahrsdiäten zu quälen, ist das Drehen an der Energieverbrauchsschraube der bessere Weg. Die nun wieder häufigeren und längeren Laufeinheiten sind der gesündere und nachhaltigere Weg zum angestrebten Renngewicht

Servus Doc

Der jährlich Medizin-TÜV sei jedem ans Herz gelegt. Das Frühjahr ist die richtige Zeit, um Blutwerte, Herz- und Lungenfunktion durchchecken zu lassen. Vitamin-/Elektrolyt-Defizite lassen sich so noch rechtzeitig ausgleichen und nicht selbst verspürte Unregelmäßigkeiten von „Pumpe und Gebläse“ behandeln, um beruhigt und gesund seine sportlichen Ziele anzugehen.