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Leichtathletik-WM
Große Rennen und deutsche Aussichten in Eugene

| von Jörg Wenig

Am heutigen Freitag beginnen in Eugene (US-Bundesstaat Oregon) die zehntägigen Leichtathletik-Weltmeisterschaften (15. bis 24. Juli). Hier die Vorschau auf die Laufwettbewerbe von Freitag bis Montag.

Die Vorbereitungen für die ersten Weltmeisterschaften auf US-amerikanischem Boden sind abgeschlossen. Am Freitag (15. Juli) startet die Leichtathletik-WM im Hayward Fields von Eugene. Die Zeitverschiebung nach Deutschland beträgt neun Stunden. Das Stadion wurde für rund 200 Millionen Dollar gebaut, liegt auf dem Campus der University of Oregon und hat für die WM die Sitzplatzkapazität mit Zusatztribünen von 12.650 auf 30.000 Zuschauer erweitert.

Insgesamt 80 deutsche Athletinnen und Athleten wollen in den nächsten Tagen – letzter Wettkampftag ist der 24. Juli – alles geben, um ihre individuellen Ziele zu erreichen, denn ab dem 15. August wartet bereits die EM in München mit dem nächsten Leichtathletik-Highlight. Wir blicken auf die Laufwettbewerbe voraus, die am ersten WM-Wochenende starten. Und Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) stellt in seiner Teambroschüre auch alle deutschen WM-Läuferinnen und Läufer mit Porträts vor. Hier findest du unsere Vorschau auf die Laufwettbewerbe, die am Wochenende und am Montag starten mit Links zum jeweiligen Livestream, den ARD oder ZDF meistens anbieten.

Samstag, 2:15 Uhr
3.000 Meter Hindernis Männer: Bebendorf und Ruppert in den Vorläufen

Die Kenianer, die so lange die großen Meisterschaftsrennen über 3.000 m Hindernis dominiert haben, gehören nicht zu den ganz heißen Favoriten bei der WM. Als Favorit ist wohl der Mann anzusehen, der im vergangenen Jahr in Tokio die Erfolgsserie der Kenianer bei den Olympischen Spielen stoppte: Der Marokkaner Soufiane El Bakkali ist mit einer bisherigen Saisonbestzeit von 7:58,28 Minuten auch der schnellste auf der Liste der gemeldeten Athleten - allerdings nur ganz knapp, denn der Äthiopier Lamecha Girma war bisher nur wenige Zehntelsekunden langsamer. Kenias Hoffnungen dürften auf dem WM-Titelverteidiger Conseslus Kipruto liegen, der bisher aber noch nicht wieder seine Bestform erreichte. Es wäre eine große Überraschung, wenn einer der beiden deutschen Läufer, Frederik Ruppert (SC Myhl LA) oder Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898), das Finale erreichen würde, das am Dienstag, um 4:20 Uhr MESZ stattfindet. Mehr Infos zu Karl Bebendorf und Frederik Ruppert findest du in der DLV-Teambroschüre.

Samstag, 3:10 Uhr
1.5000 Meter Frauen: Klein und Trost mit Halbfinalchancen

Kenias Olympiasiegerin Faith Kipyegon geht als Favoritin ins 1.500-m-WM-Rennen. Die 28-Jährige hält mit der Weltklassezeit von 3:52,59 Minuten auch die aktuelle Jahresweltbestzeit. Sifan Hassan (Niederlande), die vor drei Jahren in Doha den WM-Titel über diese Strecke gewann, könnte sie wohl am ehesten gefährden, sofern sie sich für einen Start über diese Distanz entscheidet. Stark einzuschätzen sind aber auch die Äthiopierin Gudaf Tsegay und die Britin Laura Muir. Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) gibt bei der WM der 1.500-m-Strecke den Vorzug, obwohl sie über 5.000 m in dieser Saison eine persönliche Bestzeit gelaufen war und über diese Distanz wohl die besseren Chancen hätte. Für sie geht es darum, das Halbfinale zu erreichen - mehr erscheint nicht möglich. Vielleicht kann auch Katharina Trost (LG Stadtwerke München) über den Vorlauf hinauskommen.

  • Vorläufe: 16. Juli | 3:10 Uhr (MESZ)
  • Halbfinale: 17. Juli | 4:05 Uhr (MESZ)
  • Finale: 19. Juli | 4:50 Uhr (MESZ)

 

Samstag, 19:35 Uhr
3.000 Meter Hindernis Frauen: Krause und Meyer wollen ins Finale

Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) mischte über Jahre hinweg immer wieder vorne mit bei den großen Titelkämpfen. Die zweimalige WM-Dritte (2015 und 2019) und amtierende Europameisterin konnte krankheitsbedingt erst später als ohnehin schon geplant in die Saison einsteigen und war dann noch weit weg von ihrer Bestform. Wenn sie sich in kurzer Zeit nicht noch deutlich steigern konnte, wird es schwer, überhaupt den Endlauf zu erreichen. Das gilt auch für Lea Meyer (ASV Köln), die sich in dieser Saison mehrfach verbesserte, 9:25,61 Minuten erreichte und sich damit für die WM qualifizierte. Das ist ein Erfolg für die Kölnerin, doch um ein großes Hindernis-Finale zu erreichen, ist in der Regel noch ein anderes Leistungsniveau nötig. Zwei Läuferinnen rannten bisher bereits Zeiten von unter neun Minuten in diesem Jahr: Winfred Yavi (Bahrain) und Norah Jeruto (Kasachstan) liefen 8:56,55 beziehungsweise 8:57,97. Sie gehören wie die Olympiasiegerin Peruth Chemutai (Uganda), die US-Läuferinnen Emma Coburn, Courtney Wayment und Courtney Frerichs sowie die Weltmeisterin und Weltrekordlerin Beatrice Chepkoech zu den Favoritinnen, wobei die Kenianerin zuletzt nicht überzeugen konnte. Mehr Infos zu Gesa Krause und Lea Meyer findest du in der DLV-Teambroschüre.

  • Vorläufe: 16. Juli | 19:35 Uhr (MESZ)
  • Finale: 21. Juli | 4:45 Uhr (MESZ)

Samstag, 21:20 Uhr
10.000 Meter Frauen: Greift Sifan Hassan nach dem Titel?

Sifan Hassan wird kurzfristig entscheiden, über welche zwei Distanzen sie bei der WM startet. Die 10.000- und 5.000-m-Olympiasiegerin aus Holland, die in Tokio zudem Bronze über 1.500 m gewann, ist für alle drei Wettbewerbe gemeldet. Startet sie über die 25-Runden-Distanz, kommt es zu einem neuen Aufeinandertreffen mit der äthiopischen Weltrekordlerin Letesenbet Gidey. Während die erst 22-jährige Äthiopierin Ejgayehu Taye für eine Überraschung sorgen könnte, ist Margaret Kipkemboi die zurzeit schnellste Kenianerin. Gemeldet ist auch die 5.000-m-Weltmeisterin Hellen Obiri (Kenia). Sehr stark präsentierte sich in dieser Saison die Britin Eilish McColgan, die mit 30:19,02 Minuten die Jahresweltbestzeit hält. Man darf gespannt sein, wie sie sich gegen die Afrikanerinnen schlagen wird.

Sonntag, 3:30 Uhr
1.500 Meter Männer: Kann Christoph Kessler den Vorlauf überstehen?

Hier kommt es zu einer Neuauflage des olympischen Duells, das vor einem Jahr in Tokio der Norweger Jakob Ingebrigtsen gegen den Kenianer Timothy Cheruiyot gewann. Nach seinem Olympia-Coup will Jakob Ingebrigtsen nun auch den ersten WM-Titel gewinnen. Vor drei Jahren war er bei der WM in Doha Vierter. Sein stärkster Gegner könnte in Eugene aber ein anderer Kenianer sein, denn Abel Kipsang führt bisher die Jahresweltbestenliste an. Ebenfalls sehr stark präsentierte sich in dieser Saison der Brite Jake Wightman. Für Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) wäre es bei seiner WM-Premiere ein großer Erfolg, wenn er das Halbfinale erreichen könnte. Mehr Infos zu ihm findest du in der DLV-Teambroschüre.

  • Vorläufe: 17. Juli | 3:30 Uhr (MESZ)
  • Halbfinale: 18. Juli | 4:00 Uhr (MESZ)
  • Finale: 20. Juli | 4:30 Uhr (MESZ)
© Norbert Wilhelmi

Sonntag, 15:15 Uhr
Marathon Männer: Tom Gröschel in Form für ein cleveres Rennen

Obwohl Superstar Eliud Kipchoge (Kenia) sowie eine Reihe von weiteren Top-Marathonläufern um das WM-Rennen einen Bogen machen und lieber bei einem hochkarätigen, lukrativen Herbst-Lauf an den Start gehen, ist der Marathon in Eugene in der Breite der Spitze sehr gut besetzt. 13 Läufer stehen auf der Startliste, die Bestzeiten von unter 2:05 Stunden aufweisen. Einen klaren Favoriten gibt es nicht. Unter insgesamt 70 gemeldeten Läufern ist auch ein deutscher Athlet: Tom Gröschel (TC Fiko Rostock) hatte sich langfristig für einen Start bei der WM entschieden. Er läuft damit erstmals bei einer interkontinentalen Meisterschaft über die 42,195 km.

Von den 70 Athleten auf der Startliste sind nur 25 noch nicht unter 2:10 Stunden gelaufen. Und lediglich 15 weisen eine schwächere persönliche Bestzeit auf als Tom Gröschel. Der 30-jährige Rostocker erreichte bisher 2:11:06. Ausgehend von den individuellen Bestzeiten aller Läufer darf man von Tom Gröschel bei der WM nicht zu viel erwarten. Andererseits hat er bei Meisterschaftsrennen bereits mehrfach überzeugt. 2018 und 2019 wurde Tom Gröschel Deutscher Meister, dazwischen war er bei der EM in Berlin 2018 als Elfter der beste deutsche Läufer. Dabei überzeugte er auch bei sehr hohen Temperaturen. Auf den WM-Marathon hat sich Tom Gröschel sehr langfristig vorbereitet. Zuletzt trainierte er vier Wochen lang in der Höhe von St. Moritz.

„In St. Moritz hätte es besser nicht laufen können. Da habe ich super mit den anderen deutschen Marathonläufern trainieren können. Ich fühle mich gut. Zwar hatte ich auch mal schwere Beine in den letzten Tagen, aber es wird Stück für Stück besser“, sagt Tom Gröschel und erklärt bezüglich seiner Ziele in Eugene: „Ich möchte wie in Berlin bei der EM ein cleveres Rennen abliefern. Ich muss mich auf mich selbst konzentrieren und dann schauen, wohin die Reise geht. Bestenfalls kann ich am Ende ein paar Konkurrenten einsammeln. Es ist aber auch meine erste WM - und ich möchte sie ein Stück weit genießen!“

Mehr Infos zu Tom Gröschel findest du in der DLV-Teambroschüre.

Sonntag, 22:00 Uhr
10.000 Meter Männer: Ugandas Stars wollen die Revanche für Tokio

Gelingt Ugandas Lauf-Stars um Weltrekordler Joshua Cheptegei und Jacob Kiplimo die Revanche? Bei den Olympischen Spielen vor einem Jahr in Tokio waren sie über 10.000 m taktisch nicht auf der Höhe. Statt das Rennen schnell zu machen, setzten sie auf einen Spurt und wurden dann von Selemon Barega (Äthiopien) geschlagen. Der äthiopische Olympiasieger ist auch in Eugene wieder dabei. Während Kenia unter anderen Rodgers Kwemoi ins Rennen schickt, kommen die bisher schnellsten Läufer des Jahres über 10.000 m nicht aus Afrika: Grant Fisher (USA) und Mohammed Ahmed (Kanada) könnten bei der WM auch vorne mitmischen. Deutsche Läufer sind über 10.000 m nicht am Start.

Montag, 15:15 Uhr
Marathon Frauen: Hottenrott muss nach Corona-Infektion passen

Wenige Tage vor dem Start des WM-Marathons der Frauen gibt es wieder eine große Favoritin: Titelverteidigerin Ruth Chepngetich aus Kenia. Nachdem erst vor kurzem bekannt wurde, dass die Olympiasiegerin Peres Jepchirchir in Eugene starten wollte, musste die Kenianerin nun ihre Startzusage wieder zurückziehen. Wie kenianische Medien berichten, erlitt die aktuelle Boston-Marathon-Siegerin eine Hüftverletzung im Training, die sie zum Startverzicht zwang. Dadurch kommt es nicht zum Duell zwischen der Olympiasiegerin und der Weltmeisterin. Und Ruth Chepngetich ist nun die Läuferin, die es zu schlagen gilt.

Pech hatte die einzige deutsche Läuferin, die für den WM-Marathon nominiert war: Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel) kann in der Folge einer Corona-Erkrankung nicht in Eugene starten. Alle anderen deutschen Top-Läuferinnen hatten dem EM-Marathon in München im August den Vorzug gegeben.

Insgesamt stehen auf der Marathon-Startliste von Eugene nicht einmal 50 Athletinnen. Das ist ein ungewöhnlich kleines Feld für ein solches Meisterschaftsrennen. Die geringe Zahl spiegelt aber wohl auch die schwindende Bedeutung eines WM-Marathons wider. Noch in Doha waren 2019 trotz der extremen Hitze rund 70 Athletinnen an den Start gegangen. Die großen City-Marathonrennen im Herbst sind für immer mehr Athleten attraktiver als eine WM.