Olympische Spiele
Historischer Triumph für Sifan Hassan - Konstanze Klosterhalfen über 10.000 Meter nah am deutschen Rekord
Sifan Hassan hat mit ihrem 10.000-m-Sieg in Tokio Sportgeschichte geschrieben. Und Konstanze Klosterhalfen läuft nach nur acht Wochen Training auf Platz acht fast deutschen Rekord.
Sifan Hassan hat bei den Olympischen Spielen in Tokio Sportgeschichte geschrieben. Die aus Äthiopien stammende Holländerin triumphierte am Sonnabend über 10.000 m, nachdem sie zuvor bereits die 5.000 m gewonnen hatte und über 1.500 m zur Bronzemedaille gelaufen war. Nie zuvor hat eine Frau in der Leichtathletik-Geschichte bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften drei Medaillen über die Mittel- und Langstrecken gewonnen.
Drei aus Äthiopien stammende Läuferinnen gewannen die drei Medaillen über 10.000 m in einem angesichts der feucht-heißen Bedingungen sehr schnellen Rennen: Hinter der Holländerin Sifan Hassan (29:55,32) folgte Kalkidan Gezahegne im Trikot von Bahrain (29:56,18) und Dritte wurde Letesenbet Gidey (30:01,72), die als einzige für ihr Heimatland startete.
Konstanze Klosterhalfen zeigt, was für ein Potenzial sie noch hat
Einen sehr guten und beachtlichen achten Platz erreichte Konstanze Klosterhalfen (Bayer Leverkusen), die mit 31:01,97 Minuten ihren deutschen Rekord nur haarscharf verpasste. Noch bis vor einigen Wochen sah es nicht so aus als ob Konstanze Klosterhalfen bei den Olympischen Spielen überhaupt starten könnte. Rückenprobleme hatten die 24-Jährige, die in den USA trainiert und zu deren Trainingspartnerinnen Sifan Hassan gehört, gestoppt.
Es war klar, dass Konstanze Klosterhalfen nicht in Bestform sein konnte. Trotz des schnellen Tempos der Spitzengruppe, die die 3.000-m-Marke nach 9:10,5 Minuten passierte, lief Konstanze Klosterhalfen zunächst am Ende dieser Gruppe mit. Nach gut 4000 m konnte sie dann aber nicht mehr folgen und war im zweiten Teil des Rennens etwas langsamer. Dennoch hätte sie im erst zweiten 10.000-m-Rennen ihrer Karriere fast ihren eigenen deutschen Rekord gebrochen. 31:01,71 Minuten war Konstanze Klosterhalfen im Februar in Austin (USA) auf Anhieb gelaufen, nun wurde sie mit 31:01,97 gestoppt. Dies zeigt, welch ein enormes Potenzial Konstanze Klosterhalfen noch hat.
„Ich habe im Rennen gedacht, dass es nicht wirklich schnell ist und dass es nichts wird mit dem deutschen Rekord. Am Ende war ich dann doch recht nah dran. Dass ich Achte geworden bin, macht mich richtig stolz. Für acht Wochen Training kann ich damit zufrieden sein und freue mich jetzt auf die weitere Saison“, sagte Konstanze Klosterhalfen.
Sifan Hassan erklärt sich zwischenzeitlich selbst für verrückt
Im Rennen um die Goldmedaille machten es die Konkurrentinnen von Sifan Hassan der Holländerin durch das flotte Tempo so schwer wie möglich. Die 10.000-m-Weltrekordlerin Letesenbet Gidey war es, die sich fast durchweg an der Spitze laufend um das Tempo bemühte. Die 5.000-m-Marke hatte sie in 15:08,3 Minuten passiert. Doch die Pace war nicht schnell genug, um Sifan Hassan abzuschütteln. Und die Holländerin hatte gegenüber ihrer früheren Landsfrau schließlich das deutlich bessere Spurtvermögen. Eingangs der letzten Kurve zog Sifan Hassan an Letesenbet Gidey vorbei und gewann vor Kalkidan Gezahegne, die die Äthiopierin ebenfalls noch überholte.
Es war bereits das sechste Rennen innerhalb von neun Tagen für Sifan Hassan: Vorlauf und Finale über 5.000 m sowie Vorlauf, Halbfinale und Finale über 1.500 m war sie bereits gelaufen. „Ich bin froh, dass ich überhaupt lebend ins Ziel gekommen bin. An den Sieg hatte ich zwischenzeitlich gar nicht gedacht. Denn ich bin fast zusammengebrochen und weiß nicht, wie ich das gemacht habe“, sagte Sifan Hassan, die im Ziel völlig erschöpft auf dem Boden lag. „Zwischenzeitlich habe ich mich für verrückt erklärt. Ich glaube, wenn ich die 1.500 Meter gewonnen hätte, wäre ich heute nicht ins Ziel gekommen.“
Sifan Hassan ist die zweite Frau in der olympischen Leichtathletik-Geschichte nach Tirunesh Dibaba, die sowohl über 5.000 als auch über 10.000 m Gold gewann. Die Äthiopierin hatte dies 2008 in Peking geschafft. Nie zuvor aber hat eine Athletin zusätzlich auch über eine Mittelstrecke eine Medaille gewonnen. Die Langstrecken der Frauen gehören allerdings erst seit 1984 zum olympischen Programm. Damals waren die 3.000 m noch die längste Distanz. Diese Strecke wurde 1996 durch die 5.000 m ersetzt. Bei den Männern gab es derartig außergewöhnliche Triumphe in der olympischen Geschichte. Der Tscheche Emil Zatopek gewann 1952 Gold über 5.000- und 10.000 m sowie im Marathon. Und der ebenso legendäre Finne Paavo Nurmi hatte 1924 Olympia-Gold über 1.500 m, 5.000 m sowie im Crossrennen über 10,7 km, das damals olympisch war, gewonnen. Nurmi holte damals sogar noch zwei weitere Goldmedaillen in Team-Wettbewerben - im Cross und einem 3.000-m-Rennen.
Jakob Ingebrigtsen besiegt die Konkurrenz aus Kenia über 1.500 Meter
Der neue 1.500-m-Olympiasieger heißt Jakob Ingebrigtsen. Erst 20 Jahre alt, krönte der Norweger seinen enormen Aufstieg mit der Goldmedaille in Tokio. Der Europarekordler hatte sich bei den Olympischen Spielen vollkommen auf die 1.500-m-Distanz konzentriert und war nicht über 5.000 m angetreten. Dies hat sich ausgezahlt für Jakob Ingebrigtsen, der als erster Norweger eine olympische Medaille über 1.500 m gewann.
Es war Jakob Ingebrigtsen, der das Rennen in der Anfangsphase schnell machte, indem er frühzeitig an die Spitze ging. Darauf reagierte sein größter Rivale: Kenias Weltmeister Timothy Cheruiyot übernahm die Führung und drückte weiter auf das Tempo. Doch Jakob Ingebrigtsen wurde er nicht los. Und 150 Meter vor dem Ziel zog der Norweger, der 2018 bei den Europameisterschaften in Berlin überraschend über 1.500 m und 5.000 m gewonnen hatte, vorbei und war nicht mehr aufzuhalten. Mit einer olympischen Rekordzeit von 3:28,32 Minuten gewann Jakob Ingebrigtsen vor Timothy Cheruiyot (3:29,01). Überraschend lief der Brite Josh Kerr mit einer Steigerung auf 3:29,05 zur Bronzemedaille.