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Olympia in Paris
Keely Hodgkinson und Beatrice Chebet triumphieren - Majtie Kolberg trotz starker Leistung nicht im 800-Meter-Finale

| von Jörg Wenig

Keely Hodgkinson und Beatrice Chebet sind die Olympiasiegerinnen über 800 und 5.000 m. Die deutschen Starterinnen Majtie Kolberg und Hanna Klein hatten keine Chance, das jeweilige Finale zu erreichen.

Nach ihrer sensationellen Silbermedaille bei den Spielen in Tokio 2021 als 19-Jährige ging Keely Hodgkinson dieses Mal als Favoritin an den Start. Mit der enormen Erwartungshaltung kam die erst 22-Jährige, die zuletzt den britischen Rekord auf 1:54,61 Minuten verbessert hatte und damit zur sechstschnellsten Läuferin aller Zeiten wurde, zurecht. Souverän qualifizierte sie sich für das Finale und dominierte auch das größte Rennen ihrer Karriere. Erst sortierte sich die Engländerin an zweiter Stelle an, dann übernahm sie nach rund 250 Metern die Spitzenposition und kontrollierte das Finale von vorne. Als eingangs der Zielgeraden Kenias Weltmeisterin Mary Moraa einen Angriff startete, konnte Keely Hodgkinson ohne Probleme noch zulegen und triumphierte souverän in 1:56,72 Minuten vor der Äthiopierin Tsige Duguma (1:57,15), die sich noch an der letztlich drittplatzierten Mary Moraa (1:57,42) vorbeigeschoben hatte. Shafiqua Maloney (St Vincent und die Grenadinen) belegte Platz vier in 1:57,66 vor der Französin Rénelle Lamote (1:58,19).

„Ich hatte mir noch etwas Kraft aufgehoben für die letzten 100 Meter. Ich kann nicht glauben, dass ich es endlich geschafft habe. Es ist ein unglaubliches Gefühl“, sagte Keely Hodgkinson, die dreimal in Folge bei den großen kontinentalen Meisterschaften die Silbermedaille gewonnen hatte (Olympia 2021, WM 2022 und 2023). Einen enormen Willen und mentale Stärke hatte sie schon als Jugendliche gezeigt, als sie ihren Sport im Alter von 13 Jahren aufgrund einer schweren Operation eines gutartigen Tumors am Kopf unterbrechen musste. Doch Keely Hodgkinson kam zurück und ist nun sogar Olympiasiegerin. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sie diejenige sein könnte, die eines Tages den gut 40 Jahre alten Weltrekord von Jarmila Kratochvilova (Tschechische Republik/1:53,28) brechen kann. „Ich habe viel gelernt und gearbeitet in den letzten Jahren - die Zukunft ist rosig“, sagte Keely Hodgkinson.

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Majtie Kolberg überzeugt mit Bestleistung, verpasst aber das Finale

Die einzige deutsche 800-m-Läuferin in Paris, Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler), belegte im Vorlauf Rang fünf mit 2:00,55 Minuten. Sie hätte unter die ersten drei kommen müssen, um sich direkt für das Halbfinale zu qualifizieren. Über die neu eingeführten Hoffnungsläufe hatte sie aber noch eine zweite Chance, die sie tags darauf nutzte: Kolberg gewann ihren Lauf in 1:59,08 und schaffte somit doch noch die Halbfinal-Qualifikation. Im dritten Rennen binnen drei Tagen lief sie dann als Siebente mit 1:58,52 einen persönlichen Rekord, so dass Olympia für sie erfolgreich war. Zur Final-Qualifikation fehlte allerdings noch ein Stück. Und in dieser Hinsicht war der Kraft raubende, zusätzliche Hoffnungslauf sicherlich ein Nachteil.

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Beatrice Chebet holt beim ersten Olympia-Start 5.000-Meter-Gold

Das 5.000-m-Finale war lange Zeit kein besonders schnelles Rennen, so dass nach einer 3.000-m-Zwischenzeit von 9:00,1 Minuten das Feld noch dicht zusammen lief. Danach wurde es etwas flotter, aber auch nach gut 4.000 Metern waren noch acht Läuferinnen in der ersten Gruppe. Ausgerechnet die kenianische Top-Favoritin Faith Kipyegon und die Weltrekordlerin Gudaf Tsegay (Äthiopien/14:00,21) kamen sich dann zwei Runden vor Schluss ins Gehege. Tsegay schien etwas nach innen zu drängen, die dort laufende Kipyegon wehrte sich, beide strauchelten leicht. Eine halbe Runde später übernahm dann die Weltmeisterin Kipyegon die Spitze.

Während Tsegay zurückfiel, wurde die Kenianerin jedoch ihre Landsfrau Beatrice Chebet nicht los. Die Crosslauf-Weltmeisterin, die in dieser Saison auch schon einen sensationellen 10.000-m-Weltrekord gelaufen war (28:54,14), blieb Kipyegon auf den Fersen und griff dann eingangs der Zielgeraden selbst an. Rund 50 Meter vor dem Ziel überholte Beatrice Chebet ihre Landsfrau und lief bei ihrem ersten Olympia-Start auf Anhieb in 14:28,56 Minuten zur Goldmedaille. Faith Kipyegon wurde in 14:29,60 Zweite vor der holländischen Titelverteidigerin Sifan Hassan (14:30,61).

Als Vierte zeigte Italiens Europameisterin Nadia Battocletti ein weiteres sehr starkes Rennen. Sie stellte in 14:31,64 einen Landesrekord auf und fühlte sich zeitweise sogar als Gewinnerin der Bronzemedaille. Dies hing mit einem unverständlichen Disqualifikations-Durcheinander zusammen. Nach einem Protest wurde Faith Kipyegon wegen einer angeblichen Behinderung von Gudaf Tsegay aus der Wertung genommen. Es ging um die leichte Rempelei zwischen Kipyegon und Tsegay. Die Kenianer legten einen Gegenprotest ein und kurz vor Mitternacht wurde diesem stattgegeben. Damit war Faith Kipyegon wieder die Silbermedaillengewinnerin.

Für Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen), die im Vorfeld offenbar an einer Virus-Infektion gelitten hatte, war die Final-Qualifikation erwartungsgemäß eine Hürde zu hoch. In ihrem Vorlauf kam sie nur auf Rang 14 in 15:31,85 Minuten, nachdem sie im letzten Teil des Rennens bei dann höherem Tempo zurückgefallen war. Eine Zeit von knapp unter 15:00,00 Minuten wäre nötig gewesen, um das Finale zu erreichen.

Sifan Hassan kann nach 5.000-Meter-Bronze Geschichte schreiben

Während Beatrice Chebet über 10.000 m eine weitere Gold-Chance hat, geht Faith Kipyegon noch über 1.500 m als Favoritin an den Start. Geschichte schreiben könnte Sifan Hassan. Die Holländerin hatte in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass sie auch über 10.000 m und im Marathon starten will. Medaillen in diesen drei Disziplinen hat noch keine Frau bei Olympischen Spielen gewonnen. Bei den Männern freilich triumphierte der legendäre Tscheche Emil Zatopek 1952 über alle drei Langstrecken. Diese drei Goldmedaillen dürften einmalig bleiben in der Olympia-Historie.