Im Doppel-Interview
Kenenisa Bekele und Eliud Kipchoge vor dem London-Marathon
Bevor sie in London gegeneinander laufen sollten, haben Eliud Kipchoge und Kenenisa Bekele, die beiden schnellsten Marathonläufer aller Zeiten, mit uns gesprochen. Auch am Start: Arne Gabius.
Mitten in der Corona-Pandemie sollten am kommenden Sonntag im Zentrum von London die beiden schnellsten Marathonläufer aller Zeiten aufeinandertreffen: Kenias Weltrekordler und Olympiasieger Eliud Kipchoge wollte sich bei der 40. Auflage des London-Marathons mit dem äthiopischen Superstar Kenenisa Bekele auseinandersetzen. Aber dann kam quasi in letzter Minute die Absage dazwischen: Kenenisa Bekele kann wegen einer Wadenverletzung nicht starten.
„Ich bin sehr enttäuscht, dass ich am Sonntag nicht laufen kann. Es war eine schwere Vorbereitung während des Lockdowns, als ich nicht mit meinem NN-Team trainieren konnte. Ich war trotzdem in guter Form, aber dann absolvierte ich zwei schnelle Trainingseinheiten, die zeitlich zu dicht beieinander lagen, und zog mir eine leichte Blessur der Wadenmuskulatur zu. Ich war seitdem täglich in Behandlung und dachte wirklich, dass ich starten könnte. Aber heute ist es leider schlimmer und ich weiß, dass ich nicht rennen kann“, erklärte Kenenisa Bekele.
„Dieses Rennen war sehr wichtig für mich. Meine Leistung in Berlin im vergangenen Jahr hatte mir große Zuversicht und Motivation gegeben. Ich wollte eine solche Leistung wieder zeigen und habe dafür hart gearbeitet. Ich weiß, dass viele Menschen auf der Welt sich auf dieses Rennen gefreut haben und es tut mir leid, meine Fans, die Organisatoren und die anderen Starter hier in London enttäuschen zu müssen. Ich werde mir genug Zeit nehmen, um die Verletzung auszukurieren und dann wieder fit zu werden. Ich hoffe, ich kann im nächsten Jahr in London starten“, sagte Kenenisa Bekele.
Das Rennen beginnt jetzt ohne den Äthiopier am Sonntag um 10.15 Uhr Ortszeit auf einem gut zwei Kilometer langen Rundkurs auf „The Mall“ nahe des Buckingham-Palastes. Es ist ein reines Eliterennen, bei dem Zuschauer nicht zugelassen sind. Im Interview das wir mit den beiden vor der Absage durch Bekele geführt haben, wollen wir dir trotzdem nicht vorenthalten.
Eliud Kipchoge hat vor zwei Jahren in Berlin den aktuellen Weltrekord von 2:01:39 Stunden aufgestellt. Vor einem Jahr verpasste Kenenisa Bekele dann diese Marke in Berlin um nur zwei Sekunden während Eliud Kipchoge danach in Wien die Zwei-Stunden-Barriere durchbrach. In einem allerdings nicht rekordkonformen Rennen lief der Kenianer 1:59:40,2 Stunden. Zum bisher letzten Mal trafen die beiden 2018 in London aufeinander: Kipchoge gewann in 2:04:17 Stunden, Bekele lief in 2:08:53 Stunden auf Rang acht.
Als einziger Deutscher geht am Sonntag Arne Gabius an den Start. Er will in London sein letztes ganz große Karriere-Ziel erreichen: der Start beim olympischen Marathon in Japan im nächsten Sommer. Nachdem er vor vier Jahren vor den Spielen in Rio verletzungsbedingt hatte passen müssen, hat der inzwischen 39-jährige deutsche Marathon-Rekordhalter (2:08:33 Stunden) alles versucht, um sich den Traum vom Olympia-Marathon-Start noch zu erfüllen. Am Sonntag wird Arne Gabius, der für den Verein Therapie Reha Bottwartal startet, beim London-Marathon als einer von nur 40 Männern laufen. Das Ziel ist klar: die Olympianorm von 2:11:30 Stunden zu unterbieten - und zwar möglichst deutlich.
Auch bei den Frauen treffen in der britischen Metropole die zwei derzeit schnellsten Läuferinnen der Welt über die klassische Distanz aufeinander: Die Kenianerin Brigid Kosgei, die vor einem Jahr in Chicago den legendären Weltrekord der Britin Paula Radcliffe auf 2:14:04 Stunden verbesserte, muss sich mit ihrer Landsfrau Ruth Chepngetich auseinandersetzen. Sie gewann in eindrucksvoller Manier vor einem Jahr im brütend heißen Doha den Weltmeisterschafts-Marathon und stellte in Dubai 2019 ihre Bestzeit von 2:17:08 Stunden auf. Jedoch ist auch einer weiteren Landsfrau zuzutrauen, ganz vorne mitzulaufen: Vivian Cheruiyot hatte das Rennen an der Themse vor zwei Jahre mit ihrer aktuellen Bestzeit von 2:18:31 gewonnen. Das Rennen der Frauen wird am Sonntag bereits um 7.15 Uhr Ortszeit gestartet und damit genau drei Stunden vor dem Lauf der Männer.
Auf ihren geplanten Start verzichten muss Anna Hahner (SCC-Events Pro-Team Berlin), die am Sonntag auf dem gut zwei Kilometer langen Rundkurs eigentlich die Olympia-Norm von 2:29:30 Stunden angreifen wollte. Eine Nierenbecken-Entzündung, die sie sich vermutlich beim Rennradfahren zugezogen haben dürfte, stoppte die 30-Jährige. Zuvor hatte bereits ihre Zwillingsschwester Lisa Hahner (SCC-Events Pro-Team Berlin) aufgrund einer Entzündung im Darm passen müssen.
Eliud Kipchoge und Kenenisa Bekele: London 2018 bleibt vorerst ihr letztes Aufeinandertreffen
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Training und die Vorbereitungen ausgewirkt?
Eliud Kipchoge: „Es war wirklich schwierig, als ich plötzlich für mich alleine trainieren musste, denn ich habe 17 Jahre lang immer in Gruppen trainiert. Das war wie ein Stromschlag für mich. Es war schwer, fit zu bleiben und die hohen Intensitäten zu laufen. Aber in letzter Zeit hatte ich Trainingspartner an meiner Seite und es lief gut.“
Kenenisa Bekele: „Meine Vorbereitung war gut, allerdings war sie aufgrund der Corona-Situation auch nicht so perfekt wie geplant. Es ist wirklich schwierig in Afrika, und es hat uns sehr getroffen. Wir haben unser bestes versucht, um gut zu trainieren - und mehr oder weniger ist mir das gelungen.“
Nach langer Zeit können Sie am Sonntag wieder einen Marathon laufen ...
Eliud Kipchoge: „Ich fühle mich gut und bin froh, in London um meinen fünften Sieg bei dem Rennen laufen zu können. Ich glaube, es wird ein erfüllendes und schnelles Rennen. Nachdem ich genau elf Monate und 18 Tage nirgendwo starten konnte, freue ich mich, jetzt diese Gelegenheit zu haben. Es wird natürlich ein anderes Rennen als das in Wien bei der 1:59-Challenge. Aber ich habe gezeigt, dass es möglich ist, unter zwei Stunden zu laufen und habe meinen Teil zur Leichtathletik-Geschichte beigetragen.“
Was sagen Sie zu dem Rundkurs, der knapp 20 Mal zu durchlaufen ist? Gibt es eine Chance auf einen Weltrekord?
Eliud Kipchoge: „Ich glaube, die Runden zu rennen, das ist okay. Wir werden ein gutes Rennen laufen und das bestmögliche Resultat herausholen. Es wird helfen, dass wir öfter als sonst Zugang zu Getränken haben.“
Kenenisa Bekele: „Es ist ein neuer Kurs auf dem noch niemand gelaufen ist, daher ist es schwer zu sagen, ob die Strecke schnell ist oder nicht - alles ist möglich. Es ist allerdings nie einfach, auf einer Strecke mit vielen Kurven zu laufen, dabei kann man manchmal Tempo verlieren.“
Fehlen Ihnen am Sonntag die Zuschauer?
Eliud Kipchoge: „Zuschauer spielen eine sehr große Rolle bei einem Marathon. Sonntag wird das schwierig, denn es wird ein stilles Rennen. Aber es ist wichtig, dass uns die Menschen an den Bildschirmen und damit in der aktuellen Situation auf sichere Weise zuschauen können.“
Kenenisa Bekele: „Es ist immer sehr schön, wenn man Zuschauer hat - besonders bei einem Marathon. Zwei Stunden ohne Zuschauer zu laufen, das wird schon schwierig. Aber wir wissen, dass es um die Gesundheit geht, deswegen müssen die Menschen das im Fernsehen sehen. Es ist eine schlechte Zeit für alle, deswegen müssen wir alle das akzeptieren.“
Gibt es schon eine geplante Halbmarathon-Durchgangszeit?
Eliud Kipchoge: „Das werden wir erst in den nächsten zwei Tagen festlegen. Aber für mich wären 61 Minuten in Ordnung.“
Kenenisa Bekele: „Ich plane zurzeit gar nichts und lasse die Organisatoren entscheiden. Aber ich erwarte natürlich ein sehr schnelles Rennen. Ich kenne kein langsames Tempo aus London, besonders wenn Eliud Kipchoge dabei ist. Also wird es sicher vom Start weg schnell.“
Was bewundern Sie am meisten an Ihrem Gegner?
Eliud Kipchoge: „Ich respektiere den Erfolg und die Mentalität von Kenenisa. Nach so großen Erfolgen immer weiter zu trainieren, dazu gehört viel.“
Kenenisa Bekele: „Wir sind beide schon sehr lange dabei und sind Vorbilder für die jüngere Generation. Als Athlet habe ich großen Respekt vor Eliud. Er hat Großes geleistet für den Sport.“