Trainingstipp
Lange Läufe: Zu lang gibt’s nicht
Hier schreibt unser Experte Andreas Butz, wie lang deine Dauerläufe im Training idealerweise sein sollten, um deine Ziele zu erreichen.
So viel ist klar. Wer einen Marathon laufen will, muss hin und wieder im Training mal einen sehr langen Lauf einstreuen. Doch wie lang ist eigentlich lang genug? Kann man es auch übertreiben? Und gibt es abseits des Marathontrainings möglicherweise eine Obergrenze für Dauer und Distanz von Trainingsläufen? Hier erfährst du, ob und wann lang zu lang ist.
Wer wissen will, wie lang die langen Läufe in der Marathon-Vorbereitung sein sollen, bekommt in den einschlägigen Foren ganz unterschiedliche Tipps. Mancher rät, im Training nicht länger zu laufen als die anvisierte Endzeit. Länger zu laufen sei schlecht für den Kopf. Klingt plausibel. Andere raten, niemals länger als dreieinhalb Stunden zu laufen, dies mache sonst die Beine kaputt. Und die nächsten empfehlen, dass langsame Marathonläufer, die beim Marathon die fünf Stunden und mehr anpeilen, im Training wenigstens einmal vier Stunden und länger gelaufen sein sollten. Ja was denn nun?
Um es kurz zu machen: Im Einzelfall mögen diese Obergrenzen Sinn machen, Allgemeingültigkeit besitzen sie aber in keinem Fall. Denn: Es gibt kein pauschales „zu lang“. „Zu lang“ ist abhängig vom Trainingszustand und von der Erfahrung. Wer ein paar Wochen Lauftraining hinter sich hat, sollte nicht drei Stunden am Stück joggen. Und sich nicht gleich einen Marathon vornehmen. Wer aber regelmäßig trainiert und sein Training viele Jahre behutsam aufgebaut hat, der darf sogar mal – aus purer Freude an der Bewegung – einen 50er als Vorbereitung auf einen Marathon einstreuen.
Dass man auch aus der Wettkampfstrecke nicht unbedingt auf die längste „zulässige“ Trainingsdauer schließen kann, belegt folgendes prominente Beispiel: Im November 2012, als er vom Marathonlaufen noch überhaupt nichts wissen wollte, fragte ich Arne Gabius, welche Distanzen er bei seinen längsten Trainingsläufen zurücklegt. Ein paar Monate zuvor hatte der heutige deutsche Marathon-Rekordhalter bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Helsinki hinter dem Briten Mo Farah die Silbermedaille über 5000 Meter gewonnen und dafür 13:31,38 Minuten gebraucht.
Seine überraschende Antwort: 26 Kilometer! Wow, habe ich gedacht, Trainingsläufe über 26 Kilometer zur Vorbereitung auf ein 5-Kilometer-Rennen, Respekt. Trainingsläufe über 106 Minuten, um beim Wettkampf dann weniger als 14 Minuten zu benötigen. Im Training ist Arne fast achtmal länger gejoggt, als er dann beim Wettkampf gerannt ist. Erst zwei Jahre später hat er in Frankfurt sein viel beachtetes Marathondebüt gegeben.
Zum Zeitpunkt seines Umstiegs auf die 42,195-Kilometer-Distanz wird Arne also schon so einige lange Trainingsläufe in den Beinen gehabt haben. Sein Bewegungsapparat und sein Herzkreislaufsystem waren also bereits perfekt angepasst an lange Ausdauerbelastungen. Ganz anders sieht das natürlich bei Laufanfängern aus: Bei ihnen passt sich Lauf für Lauf zunächst das Herzkreislaufsystem an, parallel dazu, aber deutlich langsamer, der Bewegungsapparat. Aus dieser langsamen, stetigen Entwicklung lässt sich eine „Karriere der langen Läufe“ ableiten:
In unseren Laufcampus-Anfängerkursen haben wir die 40-Minuten-Grenze als Schallmauer definiert. Wer 40 Minuten ohne Gehpausen joggen kann, wird von uns in die Gemeinde der Läufer aufgenommen. Als nächstes ist die 60-Minuten- oder auch 10-Kilometer-Grenze dran. Natürlich ohne Gehpausen. Ab einer Trainingsdauer von 90 Minuten geht die Fettverbrennung so richtig los – das nächste logische Ziel.
Wer im Training einige Male zwei Stunden gelaufen ist, ist top vorbereitet für einen Halbmarathon.
Für den Erfolg bei einem Marathon sind die Anzahl der langen Läufe über zweieinhalb Stunden und länger entscheidend. Je mehr, umso besser.
Und was machen Ultraläufer? Was machen Läufer, die beim Rennen über den Rennsteig über 73 Kilometer, in Biel über 100 Kilometer oder beim Berliner Mauerlauf 160 Kilometer rennen wollen? Die laufen im Training auch schon mal einen Marathon – im lockeren Dauerlauftempo.
Warum machen Ultraläufer das?
Erstens weil sie es können und zweitens weil sie müssen. Denn nur so kann man die Kondition aufbauen, den Energiestoffwechsel trainieren und den Bewegungsapparat auf die langen Wettkampfbelastungen vorbereiten. Und nur so sind bei mir beispielsweise 140 Marathonläufe zusammengekommen. Die meisten dieser Rennen habe ich als abwechslungsreiche Trainingsläufe mitgemacht und bin circa eine Minute pro Kilometer langsamer gelaufen, als ich mit Ziel Bestleistung unterwegs gewesen wäre. Und wer auf der „Karriereleiter für lange Läufe“ schon ein paar Stufen erklommen hat, für den gilt ganz allgemein: Zu lang und zu langsam geht im Training nicht – zu wenig, zu kurz und zu schnell dagegen schon.