Etappenlauf auf Guadeloupe
Lauf-Eldorado zwischen Regenwald und Bergen in der Karibik
97 Kilometer laufen in sechs Etappen durch Tropenlandschaften, an Traumstränden, über Berge und Singletrails. Der Guadarun auf Guadeloupe ist ein einzigartiges Erlebnis – und herausfordernd zugleich.
Sechs Lauf-Etappen auf sechs Inseln, alle mit völlig unterschiedlichem Landschaftscharakter. Insgesamt 97 exotische Laufkilometer durch bizarre Tropenlandschaften mit Traumstränden, Bergen, Dschungelpfaden, einsamen Buchten und Regenwald. Hört sich traumhaft an, oder? Ist es auch!
Schon seit 22 Jahren gibt es den Guadarun, einen wunderschönen, kleinen und familiären, bei uns so gut wie unbekannten Abenteuerlauf durch das Inselarchipel von Guadeloupe, das zusammen mit Martinique, Saint-Barthélémy und Saint-Martin zu den Französischen Antillen gehört. Diese wiederum sind Teil der Kleinen Antillen, einem 1000 Kilometer langen Inselbogen der von Anguilla im Norden bis nach Trinidad im Süden reicht und die Ostgrenze der Karibik bildet.
Die Hauptinsel des französischen Übersee-Départements hat die Form eines Schmetterlings, wobei jeder Flügel, durch ein Mangrovengebiet getrennt, ein eigenes, landschaftlich völlig unterschiedliches Eiland darstellt: das flachere Grand-Terre mit der größten Stadt Pointe-à-Pitre und das von tropischem Regenwald beherrschte Basse-Terre mit der gleichnamigen Hauptstadt und dem 1467 Meter hohen aktiven Vulkan La Soufrière, dem höchsten Berg der Kleinen Antillen.
Zu Guadeloupe gehören noch vier bewohnte Satelliteninseln die als Dependancen bezeichnet werden: Die ehemalige Sträflingsinsel La Désirade, die flache Zuckerrohrinsel Marie-Galante sowie die bretonisch besiedelten Les Saintes mit Terre-de-Haut und Terre-de-Bas.
Guadarun auf Guadeloupe
Guadeloupe ist ein französisches Überseedépartement und liegt sechs Stunden vor der Mitteleuropäischen Sommerzeit (im Winter 5 h). Guadeloupe mit seinen 403.000 Einwohnern gehört vollständig zur Europäischen Union. Hier verbindet sich französische Lebensart mit karibischem Flair, frankophile Küche mit kreolischen Zutaten und mediterrane Gelassenheit mit der Leichtigkeit der Karibik. Neben Traumstränden laden unzählige Aktivitäten zu Lande, zu Wasser und in der Luft jeden Naturliebhaber zu einem unvergesslichen Aktivurlaub ein. Der nächste Guadarun findet vom 7. bis 15. April 2023 statt. Er umfasst sieben Etappen, die jeweils zwischen 15 und 25 Kilometern lang sind. Mehr Infos auf
Von Paris auf die „Schmetterlingsinsel“ in der Karibik
Der erste Arbeitstag beim Guadarun beginnt für die 30 Lauffans aus fünf Ländern am Pariser Flughafen Orly, dort startet der achtstündige Flug nach Pointe-à-Pitre. Von dort gibt es einen Transport quer über die Insel nach Basse-Terre, dem linken „Schmetterlingsflügel“ von Guadeloupe.
Im Jardin d’Eau, zu Deutsch Wassergarten, einem lauschigen Park am Fuße des mit Feuchtwald bedeckten Vulkans La Soufrière, wird das erste Camp aufgebaut. So endet der Tag bei 25 Grad unter Palmen und einem herrlichen Vollmond.
In den Dschungel, durch Dutzende Flüsse
Die erste ist zugleich die technisch anspruchsvollste Etappe. Schon wenige Kilometer nach dem Start verschluckt dunkler, feuchter und schlammiger Bergdschungel die Läufer. Vorbei an einem tief im Urwald liegenden Wasserfall muss ein halbes Dutzend Flüsse durchquert werden, teilweise geht es auf den steilen und von dickem Wurzelwerk durchzogenen Pfaden nur auf allen Vieren voran.
Bei der animalischen, 16 Kilometer langen Schlammparty müssen noch etliche Höhenmeter beackert werden. Was für ein Glück, dass der Zieleinlauf im Jardin d’Eau (Wassergarten) stattfindet, wo aus den Schlammzombies wieder Menschen werden.
Nur eine halbe Fährstunde südlich liegt das Archipel der Les Saintes mit acht kleinen Inselchen. Die beiden einzigen bewohnten Inseln beherbergen insgesamt 3000 Menschen und sind Schauplatz der folgenden Etappen. Christoph Kolumbus entdeckte die Inseln während seiner zweiten Reise am 4. November 1493 und gab ihnen den Namen „Los Santos“ nach dem gerade begangenen Feiertag Allerheiligen.
Steile Berge, anspruchsvolle Trails und grandiose Ausblicke
Zuerst wird Terre-de-Bas erobert, eine ruhige und friedliche, von Nachfahren afrikanischer Sklaven bewohnte Insel. Hier warten 15 heiße und trockene Kilometer, die mit zwei steilen Bergen garniert sind. Acht Kilometern einspuriger Betonpiste, die die beiden einzigen Ortschaften miteinander verbindet, folgt ein knackiger und anspruchsvoller Trail durchs Unterholz.
Dazwischen eröffnen sich immer wieder beeindruckende Ausblicke auf den zerklüfteten Inselarchipel von Les Saintes und als Belohnung wartet der Zieleinlauf an einer lauschigen Bucht der Grande Baie, die sogleich zum Baden und Abkühlen einlädt.
Über Berge und Sandpassagen am Strand von Terre-de-Haut
Nun geht es durch die drei Kilometer entfernt liegt Terre-de-Haut, das größte Eiland der Les Saintes. Das Leben hier ist beschaulich, recht französisch in seiner Erscheinung und von mediterraner Ausstrahlung. Vulkanische Hügel und tiefe Buchten prägen die Landschaft. Bei dem 14-Kilometer-Lauf wird keine Ecke und kein Berg von Terre-de-Haut ausgespart.
Auf Trails zum Morne Morel (136 m), auf Asphalt zum Fort Napoleon (120 m), durch enge Gassen in den Hafen, über steile und felsige Trails zum Le Chameau (309 m, höchster Berg der Insel), diesen auf extrem steilen Betonpisten wieder runter und durch tiefe Sandpassagen über den rauen Strand von Grande Anse. Läuferisches Multitasking!
Das Camp zieht weiter: Jeden Tag eine logistische Meisterleistung
Der Lauf ist auch eine logistische Meisterleistung dieser „Familienorganisation“. Täglich müssen knapp 40 Laufverrückte und Helferinnen und Helfer sowie Material und Verpflegung zwischen den Inseln transferiert, Start, Ziel, Zeitnahme auf- und abgebaut, die Strecke markiert, Termine und vieles mehr koordiniert werden.
Lucien Datil, der Erfinder des Laufs, hat fast seinen ganzen Familienclan für den Helferstab rekrutiert und läuft alljährlich sämtliche Etappen auch selbst mit. Seit der Premiere im Jahre 2000 versteht es „Mister Guadaman“, ein ehemaliger Fußballer, der es in seinen besten Zeiten in die Landesauswahl von Guadeloupe schaffte, seine eigene große Familie sowie die seiner Frau Christiane für die Organisation zu motivieren.
Noch am gleichen Tag geht es 80 Fährminuten in östlicher Richtung. Dort wartet die Zuckerrohrinsel Marie-Galante, mit 158 Quadratkilometer die größte und mit nur 150 Metern Höhe auch die flachste der Satelliteninseln des Archipels Guadeloupe. Kolumbus, der sie am 3. November 1493 sichtete, gab ihr den Namen seines Flaggschiffs „Santa Maria Galanda“.
Im frühen 18. Jahrhundert gab es auf Marie-Galante an die 100 Zuckerfabriken. Heute ist Grande Anse im Hauptort Grand-Bourg die letzte Fabrik, die sich halten konnte. Außerdem sind noch drei Destillerien in Betrieb. Der hier produzierte Rum gehört zu den erlesensten Tropfen weltweit. Der reizvolle Strand Plage de Saint-Louis neben dem gleichnamigen Ort im Nordwesten der fast kreisrunden Insel mit ihren 14.000 Einwohnern ist für eine Nacht unser Quartier.
Die Vielseitigkeit der Insel begeistert
Früh am nächsten Morgen ist Aufbruch zum 13-Kilometer-Lauf, dessen Strecke die vielfältige Vegetation von Marie-Galante präsentiert. Steppen- und Weideland, Dornenbüsche, herrliche Singletrails durch saftige, feuchte Wälder und tolle Küstentrails. Generell ist die Insel sehr ländlich und bäuerlich geprägt und für eine Vielzahl von Freilandrindern ein wahres Paradies.
Und weiter geht es nach La Désirade, der östlichsten aller Satelliteninseln von Guadeloupe, die mit dem Katamaran in 90 Minuten erreicht wird. Von weitem erinnert die Form der 11 Kilometer langen, 2 Kilometer breiten und 273 Meter hohen Insel an den Rumpf eines umgekippten Schiffes. Am Plage à Fifi, direkt neben dem Hauptort Grande-Anse, wird unter Palmen das Camp aufgebaut.
Christoph Kolumbus entdeckte La Désirade auf seiner zweiten Expedition im Jahre 1493 nach einer langen und entbehrungsreichen Überfahrt. Aus diesem Grunde nannte er sie auch „La Deseada“ – die Ersehnte. Ruhe und Einfachheit zeichnen diesen tafelförmigen Kalksteinfelsen mit 1600 Einwohnern aus, der auf einem vulkanischen Sockel ruht.
Inselsightseeing auf Désirade
Mit 21 Kilometern ist die Etappe am nächsten Tag fast ein komplettes Inselsightseeing. Zum Auftakt führt ein steiler Aufstieg an 13 Kreuzwegstationen vorbei bis zu einer Wallfahrtskapelle. Hier beginnt das 273 Meter hohe Kalksteinplateau Grande Montagne, das auf Schotterpisten, vorbei an mehreren Windkraftwerken, überquert wird. Steile Betonpisten führen die Läufer wieder zurück auf Meeresniveau, wo an der Ostspitze Désirades der Leuchtturm am Pointe Double passiert wird.
Zum Auslaufen dann noch 10 wellige Kilometer über die D 207, der einzigen Straße auf Désirade, vorbei an den Ruinen der alten Leprastation, die 1728 errichtet wurde und 200 Jahre in Betrieb war. Ab 1763 wurden dann auch Straftäter auf die Insel verbannt.
Leguane als Zuschauer an der Strecke
Ein spontaner Beobachtungshalt beschert dem neugierigen Reporter die spannende Begegnung mit einem fast halben Meter großen und gar nicht scheuen Riesenleguan! Circa 10 Meter von der Laufstrecke entfernt beobachtet er argwöhnisch die vorbeihechelnden Läufer und Läuferinnen. Als ich mich dem Prachtexemplar vorsichtig nähere, macht es sich aus dem Staub. Auf La Désirade gibt es schätzungsweise noch über 400 des vom Aussterben bedrohten Kleinen Antillen-Leguans. Der Zieleinlauf ist dann direkt wieder an unserem palmengesäumten Traumstrand.
In einer Stunde geht es mit dem Boot zurück zum „Festland“ von Guadeloupe. Das kalkhaltige Inselplateau von Grand-Terre, dem rechten „Schmetterlingsflügel“, verlangt mit der finalen Etappe über 18 Kilometer noch einmal Standvermögen. Durch Zuckerrohr- und Bananenplantagen im Inselinneren wird die zerklüftete Steilküste im äußersten Nordosten erreicht. Türkisfarbene Lagunen, unzählige zackige Trails und rasiermesserscharfe Kalksteinformationen sind eine wahre Delikatesse! Danach wird das Zelt mit dem Fort Royal Hotel Deshaies getauscht. Das Drei-Sterne-Etablissement liegt eingebettet in eine traumhaft wilde Küstenlandschaft im äußersten Norden von Basse-Terre.
Feierliche Siegerehrung zum Abschluss
Mit einer feierlichen Siegerehrung am Abend findet dann das einwöchige Insel-Hopping seinen würdigen Abschluss. Den Gesamtsieg holt der Franzose Marc Antoine Finardi mit einer Endzeit von 9:16:06 Stunden. Schnellste Frau auf dem fünften Gesamtplatz wird die 23-jährige Französin Julie Nonque, mit insgesamt 11:02:02 Stunden. Beide hatten auch auf allen sechs Etappen jeweils die Nase vorn.
Es ist der Abschluss eines faszinierenden Insellaufs mit herzlicher und sehr familiärer Organisation. Die Vielfalt der Inseln und ständig wechselndes Laufterrain stellen eine besondere Herausforderung dar. Auf Schritt und Tritt begegnen einem die Zeugen der turbulenten Vergangenheit des Archipels. Erlebnis und Genuss pur für Lauf-Fans!