Valencia-Marathon
Laura Hottenrott mit sensationeller Steigerung, auch Richard Ringer stark verbessert

| von Jörg Wenig

Marathon-Europameister Richard Ringer und Laura Hottenrott haben in Valencia mit neuen Bestzeiten Kurs Richtung Olympia 2024 in Paris genommen. Die Siege gehen an Sisay Lemma und Worknesh Degefa.

Europameister Richard Ringer (LC Rehlingen) hat beim Valencia-Marathon als 19. seine Bestzeit auf 2:07:05 Stunden gesteigert. Dem Marathon-Europameister sollte damit ein Startplatz bei den Olympischen Spielen in Paris im nächsten Sommer nicht mehr zu nehmen sein. Dagegen verpasste Haftom Welday (Hamburger Laufladen) die avisierte Qualifikationszeit (2:08:10 h) auf Rang 30 in 2:08:24 knapp. Er muss bangen um einen möglichen Olympia-Startplatz.

Eine Überraschung gelang Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel): Sie steigerte sich deutlich auf 2:24:32 und belegte damit einen guten 15. Platz. Laura Hottenrott unterbot in Valencia die Olympia-Norm und liegt im Rennen um die maximal drei deutschen Startplätze zurzeit auf Rang zwei. Bis Ende Januar könnte sich daran aber noch etwas ändern. „Ich bin heute komplett mein eigenes Rennen gelaufen und konnte hintenraus immer weiter beschleunigen. Bei Halbmarathon habe ich die Uhr bei 1:12:43 gesehen und wusste, dass es ein guter Tag werden kann. Danach habe ich darauf gewartet, dass es bald richtig hart wird … aber stattdessen lief es immer schneller. Wirklich realisiert habe ich die Zeit erst, als ich vom blauen Teppich hoch zur Zieluhr schaute und dort unfassbare 2:24 ticken sah. Selten hat sich ein Marathon so gut angefühlt wie heute“, erklärte Laura Hottenrott über Social Media. Nicht wie erhofft lief es für Rabea Schöneborn (SCC Berlin). Sie belegte Platz 46 in 2:31:05 und verfehlte die avisierte Zeit von unter 2:26 Stunden klar.

Gewonnen wurde das Frauenrennen von der Äthiopierin Worknesh Degefa in starken 2:15:51 vor ihren Landsfrauen Almaz Ayana (2:16:22) und Hiwot Gebrekidan (2:17:59). Melat Kejeta (Laufteam Kassel) kam dagegen in Valencia nicht ins Ziel, nachdem sie lange Zeit auf Kurs war für ein Ergebnis von deutlich unter 2:20 Stunden. Damit zeichnet sich ab, dass Melat Kejeta nicht bei den Olympischen Spielen starten kann. Der Marathon-Olympia-Sechsten von 2021, die bei den vergangenen großen interkontinentalen Meisterschaften stets die mit Abstand beste deutsche Straßenläuferin war, fehlt die Norm für Paris. Und die Zeit läuft ihr weg, denn Ende Januar soll das deutsche Marathon-Team feststehen.

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Sieger Sisay Lemma jetzt die Nummer vier aller Zeiten

Der Männersieger von Valencia heißt Sisay Lemma. Der Äthiopier gewann mit der Weltklassezeit von 2:01:48 Stunden. Damit wurde er zum viertschnellsten Läufer aller Zeiten über die 42,195 km und brach den Streckenrekord. Es ist zudem die sechstschnellste je gelaufene Zeit. Hinter ihm erzielten der Kenianer Alexander Mutiso Munyao mit 2:03:11 und der Äthiopier Dawit Wolde mit 2:03:48 ebenfalls Topzeiten. Der 41-jährige frühere äthiopische Superstar Kenenisa Bekele überraschte als Vierter mit einem Master-Weltrekord (Altersklasse ab 40) von 2:04:19.

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So lief Richard Ringer im Männerennen zur Bestzeit

Die Spitzengruppe der Männer passierte die Halbmarathon-Marke bei sehr guten, kühlen Wetterbedingungen in Valencia nach schnellen 60:35 Minuten. Das Tempo lag somit fast im Bereich des Weltrekordes von Kelvin Kiptum (Kenia/2:00:35). Nachdem der letzte verbliebene Tempomacher, Hillary Kipkoech (Kenia), die 30-km-Marke in 1:26:02 Stunden erreicht hatte und dann aus dem Rennen ging, waren noch drei Läufer in der Spitzengruppe: Neben Sisay Lemma waren dies Dawit Wolde und der frühere Halbmarathon-Weltrekordler Kibiwott Kandie (Kenia). Kurz vor der 35-km-Marke konnte sich Sisay Lemma, der zuvor bereits die Marathon-Rennen in London, Frankfurt und Wien gewonnen hatte und dessen Bestzeit bei 2:03:36 (3. in Berlin 2019) stand, dann entscheidend absetzen. „Mein Ziel war es, eine persönliche Bestzeit zu laufen“, sagte Sisay Lemma, der mit seiner Siegzeit von 2:01:48 den Streckenrekord von Kelvin Kiptum um fünf Sekunden verbesserte und die Olympia-Qualifikation erreicht haben dürfte. Kein erfolgreiches Marathon-Debüt gab es für den 10.000-m-Weltrekordler Joshua Cheptegei (Uganda), der bald nach der Halbmarathonmarke zurückfiel und am Ende als 37. in 2:08:59 ins Ziel lief.

Das Duell der beiden deutschen Topläufer Richard Ringer und Haftom Welday entschied wie schon im April in Hamburg der Europameister für sich. Während Welday im April vorneweg gestürmt und dann eingebrochen war, wählte er dieses Mal ein realistischeres Tempo. Nach 64:02 Minuten hatte der Hamburger die Halbmarathon-Marke erreicht. Direkt hinter ihm lief Richard Ringer. Die beiden liefen auch noch fünf Kilometer vor dem Ziel zusammen. Dann konnte Ringer einmal mehr seine Grundschnelligkeit ausspielen und setzte sich rund vier Kilometer vor dem Ziel von seinem nationalen Konkurrenten ab. Richard Ringer hatte in Hamburg bereits die Olympia-Norm mit einer Bestzeit von 2:08:08 unterboten und steigerte sich nun nochmals um 63 Sekunden. Während sein olympischer Startplatz praktisch gebucht ist, muss Haftom Welday um das Ticket bangen. Er konnte auf den letzten Kilometern das Tempo nicht mehr halten und verpasste mit 2:08:24 die Olympia-Norm um 14 Sekunden. Zurzeit könnte Haftom Welday noch über die Weltranglisten-Position nominiert werden. Doch läuft ein dritter deutscher Läufer bis Ende Januar unter 2:08:10 oder füllen sich die insgesamt 80 Marathon-Startplätze alleine über die internationale Normzeit wäre Haftom Welday in Paris nicht dabei.

Die Breite in der Spitze war in Valencia einmal mehr enorm: 14 Läufer erreichten Zeiten von unter 2:06 und gleich 40 blieben unter 2:10 Stunden. Beim japanischen Lake Biwa-Marathon waren es 2022 sogar 42 Läufer, die unter 2:10:00 liefen.

Das Rennen der Frauen im Detail

Im Rennen um den Sieg entwickelte sich bei den Frauen in der zweiten Hälfte zunächst ein äthiopischer Dreikampf zwischen Worknesh Degefa, der 10.000-m-Olympiasiegerin von 2016 und damaligen Weltrekordlerin Almaz Ayana sowie Hiwot Gebrekidan. Rund zehn Kilometer vor dem Ziel übernahm Degefa, die bereits zweimal den Dubai-Marathon gewonnen und 2019 auch in Boston triumphiert hatte, die Initiative. Im zweiten Versuch setzte sich die Äthiopierin, die zuvor eine Bestzeit von 2:17:41 hatte, dann erfolgreich ab. Aufgrund ihrer starken Siegzeit von 2:15:51, mit der sie zur siebtschnellsten Läuferin aller Zeiten wurde, könnte sie für Olympia nominiert werden.

Melat Kejeta hatte zwei Tage vor dem Rennen noch erklärt, dass sie sich noch nicht entschieden habe, ob sie mit der ersten oder zweiten Gruppe mitlaufen würde. Sie wählte dann die Führungsgruppe und passierte die Halbmarathonmarke nach sehr schnellen 67:29 Minuten. Kurz vor der 25-km-Marke verlor sie den Kontakt zur Spitzengruppe, lief aber lange Zeit noch ein Tempo, das auf eine Endzeit von deutlich unter 2:20 Stunden und somit auch auf einen deutschen Rekord (2:19:19 von Irina Mikitenko) hindeutete. Doch im letzten Teil des Marathons brach Melat Kejeta ein und zwischen 35 und 40 km beendete sie das Rennen. Es war zunächst nicht klar, warum sie aufgegeben hatte.

Laura Hottenrott lief das vielleicht beste Rennen ihrer Karriere. Nach einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:12:43 Stunden konnte sie in der zweiten Hälfte noch zulegen und überraschte mit einer Steigerung auf 2:24:32. Damit verbesserte sie sich genau um dreieinhalb Minuten, nachdem sie Ende September in Berlin nicht über 2:29:38 hinaus gekommen war. Ihre alte Bestzeit von 2:28:02 war Laura Hottenrott 2021 in Enschede gelaufen.

Keinen guten Tag erlebte dagegen wie schon in Berlin, wo sie aufgegeben hatte, Rabea Schöneborn. Nach einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:13:23 konnte die Berlinerin dieses Tempo nicht halten und lief schließlich nach 2:31:05 ins Ziel.

Auch bei den Frauen gab es in Valencia eine starke Breite in der erweiterten Spitze: Gleich 45 Läuferinnen blieben unter 2:30:00 Stunden. Kurzfristig nicht starten durfte die ursprünglich schnellste Läuferin auf der Startliste: Die Äthiopierin Tsehay Gemechu wurde offenbar aufgrund eines Dopingverdachts suspendiert.