Mehr als Ausdauer: Fitness für Läufer

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Was im ersten Moment paradox klingen mag – immerhin sollten Läufer doch per Definition fit sein –, wird auf einen zweiten Blick vielleicht klarer. Den

Was im ersten Moment paradox klingen mag – immerhin sollten Läufer doch per Definition fit sein –, wird auf einen zweiten Blick vielleicht klarer. Denn der Fitness-Begriff beschränkt sich nicht allein auf die Ausdauer, sondern umfasst verschiedene Aspekte der Motorik und der körperlichen Anpassung. Und wenngleich es für Läufer natürlich in erster Linie um die konditionelle Leistungsfähigkeit geht, profitieren auch sie von einem umfassenden Trainingsprogramm.

Es ist ja nun kein Geheimnis, dass „Fitness“ in den letzten Jahren ein Phänomen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung geworden ist. Die Branche wächst, ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Die Beliebtheit der Studios hat verschiedene Gründe, unter anderem weil das Trainieren in solchen Einrichtungen längst nicht mehr nur für die jüngeren Generationen attraktiv ist. So unterschiedlich daher die Altersgruppen sind, die sich in den Fitness-Studios einfinden, so einig sind sich die Sporttreibenden hinsichtlich der Beweggründe für das Training: Hier zeigt sich allerdings die begriffliche Problematik, denn Fitness wird von den Studio-Mitgliedern vielfach mit Ausdauer gleichgesetzt.

Das mag Läufern nur ein weiteres Argument dafür sein, das Training in einem der Fitness-Clubs als unnötig abzutun. Das Laufen selbst ist nun einmal eine, wenn nicht DIE Ausdauersportart, folglich stellt sich der ansonsten im Studio an Geräten oder in Kursen erzielte Effekt im Vorbeigehen – oder besser: im Vorbeilaufen – ein. Dass selbst die Fachliteratur sich mit einer klaren Definition des Begriffs schwertut, ist für das Verständnis der verschiedenen Ebenen von Fitness auch nur bedingt hilfreich.

Nicht am Trend vorbeilaufen

Einig ist man sich immerhin in der Ansicht, dass „fit sein“ über das „gesund sein“ hinausgeht. Obwohl der Gesundheitsaspekt für viele die Hauptmotivation für die Aktivität im Fitness-Studio ist, so zielt das Training eigentlich auf etwas anderes ab. Es dient der, inzwischen ebenfalls in der Gesellschaft weitgehend etablierten, Selbstoptimierung.

Die Effekte des Studio-Trainings decken sich deshalb in vielerlei Hinsicht mit denen des Lauftrainings. Sie erschöpfen sich aber nicht darin, denn das Fitness-Training fördert gezielt auch die Bereiche Kraft, Beweglichkeit und Koordination.
Das bedeutet unter dem Strich eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit, die den ganzen Körper betrifft. Wovon wiederum nicht nur die Studio-Sportler, sondern auch die "Freilaufenden" profitieren können.

Der Zusammenhang von regelmäßigen Laufeinheiten und einer verbesserten Ausdauer ist keine Neuigkeit mehr. Er ist eine Tatsache. Nichtsdestotrotz heißt Ausdauer nicht ausschließlich, möglichst lange Laufstrecken in einem körperlich guten Zustand – also ohne Ermüdungserscheinungen – zurücklegen zu können. Das ist definitiv ein Teilaspekt, neben dem noch weitere stehen:

•    Allgemeine contra lokale Ausdauer
Hierbei wird der Anteil der an einer sportlichen Belastung beteiligten Muskulatur unterschieden. Liegt dieser bei 1/7 bis 1/6 der gesamten Muskulatur, fällt das unter allgemeine Ausdauer. Wird weniger Muskulatur beansprucht, betrifft das die lokale Ausdauer. Da es sich hierbei vielfach um eine sehr sportartspezifische Ausdauer handelt, wird sie auch als spezielle Ausdauer bezeichnet. Das verdeutlicht noch einmal mehr den Unterschied zur allgemeinen Grundlagenausdauer, die sich – abgesehen von der muskulären Beteiligung – auf die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems beschränkt.

•    Aerobe und anaerobe Ausdauer
In erster Linie ist es diese Grundlagenausdauer, die Läufer im Rahmen ihres Trainings zu steigern versuchen. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die aufgrund der jeweiligen Art der Energiebereitstellung in der Muskulatur unterschieden werden: Aerobe Ausdauer meint dabei eine Belastung, bei der immer noch ausreichend Sauerstoff bereitgestellt werden kann, um die Energieträger in den Muskeln zu verbrennen. Die übliche Trainingsform wären etwa Dauerläufe. Anders sieht es bei der anaeroben Ausdauer aus, denn hier wird die Belastung soweit erhöht, dass die Energie nur noch mit Hilfe der sogenannten Sauerstoffschuld bereitgestellt werden kann. Intervalltraining setzt auf diese Form der Ausdauersteigerung.

Tatsächlich können beide Methoden helfen, die Grundlagenausdauer zu verbessern. Es zeigt sich bereits an diesen Erläuterungen, wie wichtig Kenntnisse bezüglich der Funktion der Muskeln auch beim Ausdauersport sind. Das gilt sogar in mehrfacher Hinsicht.

Denn selbst als Langstreckenläufer ist eine trainierte Muskulatur hilfreich. Nicht so sehr, weil es in diesem Bereich des Laufens unbedingt auf eine besonders ausgeprägte Maximalkraft oder Schnellkraft ankäme. Die sind vor allem im klassischen Kraftsport erforderlich. Von größerem Interesse für Läufer sind hingegen zwei andere Aspekte.

•    Kraftausdauer
Damit ist die Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung bei länger anhaltenden hohen Kraftleistungen gemeint, seien diese nun statischer (etwa bei längerem Halten von Gewichten etc.) oder dynamischer (wenn also Bewegung involviert ist) Natur. Beide Formen sind für Läufer von Bedeutung, denn das Training oder ein Wettbewerb beansprucht nicht allein die Beinmuskulatur. Es ist vielmehr so, dass eben das Skelett und der Bewegungsapparat in ihrer jeweiligen Gesamtheit an den Bewegungsabläufen beteiligt sind. Um beide in ausreichender Weise zu stützen und somit körperliche Schäden wie haltungsbedingte Überbelastungen, Rückenschmerzen und dergleichen mehr zu vermeiden, ist eine ausreichend ausgebildete Muskulatur im Grunde unabdingbar.

Schon aus diesem Grund empfiehlt sich ein Muskelaufbautraining als Ergänzung zu den Ausdauereinheiten. Positiver Nebeneffekt für alle, die durch das Laufen an Gewicht verlieren wollen: Der Muskelaufbau reduziert nicht nur die leidigen Fettpolster, sondern erhöht zugleich den Energieumsatz – selbst in Ruhephasen verbraucht der Körper daher mehr Energie als in untrainiertem Zustand.

•    Schnellkraftausdauer
Das umschreibt die Fähigkeit, Arm-, Bein- oder Rumpfbewegungen, die eigentlich Schnellkraft erfordern, wiederholt durchführen zu können. Die Grundlage für eine gute Schnellkraftausdauer ist die Regenerationsfähigkeit der jeweils beteiligten Muskulatur. Umgekehrt formuliert: Es geht darum, Ermüdungserscheinungen durch Schnellkraftbewegungen so lange wie möglich hinauszuzögern. Das ist vornehmlich für kürzere und mittlere Distanzen bis 2.000 Meter sinnvoll, wobei auch Langstreckenläufer ihre Vorteile aus der Schnellkraftausdauer ziehen können.

Es mag zwar in gewisser Weise richtig sein, aber dennoch gehört zum Laufen eben ein wenig mehr, als einen Fuß vor den anderen zu setzen. Auf den ersten Blick gibt es vielleicht komplexere Bewegungsabläufe, nichtsdestotrotz gibt es ausreichend Gründe, das Koordinationstraining auch beim Laufen ernst zu nehmen. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man sich die Begriffsdefinition vor Augen führt. Die zielgerichtete, ökonomische, präzise und harmonische Durchführung von Bewegungen ist schließlich ganz im Sinne eines Läufers.

Insbesondere deswegen, weil das Koordinationstraining in verschiedenen Bereichen für Verbesserungen sorgen kann:

•    Optimierter Bewegungsablauf
Laufen ist zwar die natürlichste Fortbewegungsart überhaupt, aber auf der sportlichen Ebene zählen eben auch noch andere Faktoren als das reine „Von-A-nach-B-kommen“. Dazu gehört zum Beispiel die Vermeidung überflüssiger Körperbewegungen, weil die spätestens auf langen Strecken an die Substanz gehen und zu schnellerer Ermüdung führen. Ganz zu schweigen von orthopädischen Problemen, die schlechte oder falsche Bewegungsabläufe mit sich bringen.

Optimierte Bewegungen beeinflussen außerdem nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern vor allem die Leistung selbst. Dahinter steckt folgende Kausalverknüpfung: Der verbesserte Bewegungsablauf erlaubt eine ebenso verbesserte Ausschöpfung der Schrittlänge und -frequenz. Dadurch wiederum kann das Lauftempo erhöht werden, was schlussendlich eine insgesamt bessere Leistung zur Folge hat.

•    Verbesserter Laufstil
In ähnlicher Weise wirkt sich das Koordinationstraining auch auf den Laufstil im Allgemeinen aus. Während die oben beschriebene Verbesserung in erster Linie die läuferische Ökonomie betrifft, meint der Stil eher die Harmonie der Bewegungen. Wobei es sich selbstverständlich auch bei der Leistung bemerkbar macht, ob ein Läufer elegant und leichtfüßig oder schwerfällig unterwegs ist.

•    Schutz vor Verletzungen
Ein weiteres Mal zeigt sich die Bedeutung eines richtig entwickelten Muskelapparats für die Leistungsfähigkeit beim Laufen. Denn genau wie das Krafttraining sorgt das Koordinationstraining für ausgebildete Stabilisierungsmuskeln. Die stützen die Bänder und Gelenke und beugen zugleich falschen Bewegungen, Überlastungen und letztlich Verletzungen vor.

Ein im Vergleich zu den bisher genannten Aspekten kontroverser Punkt ist die Notwendigkeit der Beweglichkeit für Läufer. Die Diskussionen drehen sich dabei in erster Linie um das Thema Dehnen und die Frage, ob das für eine verbesserte Leistung wirklich dienlich ist. Es ist vermutlich nicht mit letzter Sicherheit zu klären, ob Dehnübungen vor dem Lauf wirklich zu einer Leistungssteigerung beitragen oder nicht. Was bis zu einem gewissen Grad einfach daran liegen kann, dass jeder einzelne Mensch ganz individuelle genetische Voraussetzungen mitbringt – und wirken sich unter anderem auf die Veranlagung zu flexibleren oder steiferen Muskeln aus.

Andererseits scheinen verschiedene Studien gewisse Muster zutage zu fördern, was die grundsätzliche Frage nach dem Für und Wider größerer Beweglichkeit anbelangt. Das Ergebnis kann auf eine simple Aussage heruntergebrochen werden: Schnellere Läufer zeichnen sich durch eine steifere Kniestreckmuskulatur aus, haben aber gleichzeitig flexiblere Wadenmuskeln. Nichtsdestotrotz muss davon ausgegangen werden, dass auch diese Resultate nur vorläufiger Natur sind.

Was nun wieder das Dehnen und seinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit anbelangt, so rät Professor Predel von der Sporthochschule Köln, die Übungen nur mit aufgewärmten Muskeln durchzuführen. Am besten wird das Dehnprogramm auf das Ende des Trainings verlegt, denn dann trägt es zu einer besseren Durchblutung des Muskelgewebes bei – und macht den ganzen Körper beweglicher.

Training für den ganzen Körper

Wer langfristig erfolgreich und vor allem gesund seinem Hobby nachgehen möchte, sollte sein Training nicht zu einseitig gestalten. Stattdessen ist es absolut sinnvoll, über den Tellerrand hinauszusehen und neben dem obligatorischen Ausdauertraining auch die anderen Komponenten der Gesamt-Fitness aufzugreifen.

Nicht allein, weil es dem allgemeinen Wohlbefinden zu Gute kommt, was ein erfreulicher Nebeneffekt ist. Sondern weil ein umfassendes Trainingsprogramm, das sich auch der Kraft, Koordination und Beweglichkeit widmet, auf verschiedenen Ebenen die läuferische Leistungsfähigkeit verbessern kann.