20 Darmoperationen
So hat diese Frau mit Laufen zurück ins Leben gefunden
Wegen einer angeborenen Fehlfunktion arbeitet Silke Achenbachs Darm von Geburt an nicht. Nach vielen Operationen und langem Leid kämpft sie sich ins Leben zurück. Und findet im Laufen eine neue Liebe.
Ganz normal sein. Durchschnitt. Ist für viele unendlich langweilig. Für Silke ist es das Größte auf Erden. Denn das bedeutet: Nicht leiden, dazugehören, laufen, leben. Denn in ihrem bisherigen Leben hat Silke nicht nur massive gesundheitliche Probleme durchlebt. Manche Ärzte und Ärztinnen meinen, es wäre ein Wunder, dass sie es bis hierhin geschafft hat.
Jetzt geht es Silke zum ersten Mal gut. 20 Bauchoperationen liegen hinter der 46-Jährigen aus Kempen am Niederrhein und sie hofft, dass keine weitere hinzukommt. Und sie beginnt jetzt, die Welt zu erkunden. Ihre erste Flugreise hat sie gerade hinter sich, noch mit viel Angst, Komplikationen, aber auch viel Freude.
Silke hat eine angeborene Fehlfunktion des Darms. Eine richtige Diagnose gibt es nicht. Fakt ist aber, dass ihr Darm von der Geburt an nie richtig gearbeitet hat. Schon als Silke ein Baby ist, muss ihre Mutter Abführmittel anwenden. Was heute mit all den Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungen bei Kindern unvorstellbar ist: Damals machen sich die Ärztinnen und Ärzte deswegen nicht so viele Sorgen. Ihre Mutter wird oft mit Aussagen wie „Das gibt sich schon“ abgespeist. Und selbst als festgestellt wird, dass Silkes Darm viel zu lang ist, ist der Kommentar nur, das sei halt so, man könne aber damit leben. Niemand nimmt das Problem wirklich ernst.
Aufstehen um 4:00 Uhr, um vor der Arbeit noch Einläufe zu machen
Leben geht aber nur mit ständigen Einläufen. Was Silke zu sich nimmt, kommt nämlich nicht wie bei anderen auch wieder von allein unten raus. Die Mobilität des Dick- und Dünndarms ist so stark gestört, dass der Darminhalt nicht oder kaum transportiert wird. Die Folgen: heftige Bauchschmerzen, stark geblähter Bauch, Übelkeit und Erbrechen.
Ein offener Umgang mit dem Thema ist damals schwierig, die Scham groß. Und so ist Silke als Kind und auch später als Erwachsene oft nicht dabei, wenn andere Spaß haben, Ausflüge machen oder auf Klassenfahrt und Team-Events sind. „Der Aufwand wäre einfach viel zu groß geworden“, meint Silke. Um überhaupt arbeiten zu können, steht sie meist morgens um 4:00 Uhr auf, um dann ihr Programm mit Einläufen vor der Arbeit abzuspulen.
Die Probleme mit dem Darm machen einsam
Dieses Prozedere ist nicht nur unglaublich anstrengend. Es macht auch einsam, wenn man niemandem so richtig davon erzählen kann und man auch nie bei Unternehmungen dabei ist. Trotzdem zieht Silke all das 34 Jahre lang durch. Bis 2010. „Da konnte ich einfach nicht mehr“, blickt Silke zurück. Erstmals wird ihr Problem ernst genommen und bei Untersuchungen kommt heraus, dass ihr Darm total verschlungen ist. Im Zuge mehrerer Operationen wird ihr ein Teil des Dickdarms entnommen und sie bekommt ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang. Doch die OPs bringen nicht die erhoffte Verbesserung.
Was dann folgt ist eine Odyssee durch Krankenhäuser. Immer wieder wird Silke operiert. Mal geplant, mal als Not-OP. Es wird der komplette Dickdarm entfernt und auch immer mehr vom Dünndarm. Es wird ein 16 Zentimeter großer Tumor am Eierstock gefunden, der zum Glück gutartig ist und mit dem Eierstock entfernt wird. Später muss auch der andere Eierstock wegen eines Tumors herausgenommen werden. Immer wieder gibt es Komplikationen. Darmverschlüsse. Ein System für Darmspülungen, das nicht funktioniert. Das Stoma bricht Verwachsungen werden behoben.
Hinter Silke Achenbach liegen harte Jahre, die vielen Operationen haben Spuren hinterlassen. Trotzdem blickt die 46-Jährige optimistisch in die Zukunft. Denn zum ersten Mal geht es ihr gut.
Es ist eine Never Ending Story, die Silke nicht nur körperlich zusetzt, sondern auch psychisch immens belastet. Immer wieder die Hoffnung zu haben, dass nun alles besser wird, und dann doch wieder herbe Rückschläge zu erleiden. Dazu die fortwährenden Probleme. Zwischenzeitlich ist Silke bis auf 34 Kilo abgemagert und sitzt im Rollstuhl.
Ein eiserner Willen und Resilienz helfen ihr, alles zu überstehen
Wie man so etwas übersteht? „Ich habe großes Glück, dass ich so ein riesiges Paket Willen und Resilienz mitbekommen habe“, sagt Silke. Aber die Wahrheit ist auch: Es sind Jahre, in denen sie einfach versucht zu überleben und sich immer weiterzuhangeln. Nach jeder Operation macht sie sich mit Gymnastik und Seilspringen wieder fit. „Irgendwann war ich bei einer halben Stunde Seilspringen angekommen und dachte mir, ich werde verrückt, wenn ich das noch weitermache“, erzählt sie lachend.
Und so kommt der zu diesem Zeitpunkt etwas irrwitzige Gedanke auf: Ich will einen Halbmarathon laufen. Also fängt Silke Anfang 2018 an zu laufen. Mit dem Ziel, im Frühjahr 2019 im niederländischen Venlo einen Halbmarathon zu laufen. Am Anfang arbeitet sie im Fitnessstudio auf dem Laufband und Stepper an den Ausdauer-Grundlagen. „Das war so unglaublich anstrengend“, blickt sie zurück. „Aber um hinzuschmeißen, bin ich zu diszipliniert.“ Wenn sie in all den Jahren eines gelernt hat, dann ist das: Funktionieren und Ziele verfolgen. „Darin bin ich echt gut, sonst hätte ich das alles nicht überstanden.“ In diesem Fall hilft es ihr, ihr Ziel „Ich will laufen“ zu verfolgen und nicht aufzugeben. Was sie wieder lernen muss, ist genießen, abschalten, einfach mal nicht funktionieren.
Der Traum vom Halbmarathon
„Und irgendwann hat mir Laufen einfach nur Spaß gemacht. Es hat mir geholfen, den Kopf freizubekommen. Ich habe mich gespürt, ich war endlich wer auf dieser Welt.“ Und so läuft sie zum ersten Mal fünf Kilometer, dann zehn Kilometer. Venlo im Kopf. Doch dann macht ihr der Darm wieder einen Strich durch die Rechnung. Silke hat Schmerzen, das Stoma funktioniert immer schlechter. Statt Halbmarathon in Venlo zu laufen, wird sie Ende Mai 2019 erneut operiert.
Es ist die größte und schwerste Operation bis dato. „Und davor wollte ich mir ein Ziel setzen, damit ich das alles überstehe“, blickt Silke zurück. Das neue Ziel ist der Halbmarathon im Oktober 2019 in Köln. „Sobald ich nach der OP aufgewacht bin, habe ich mir die Internetseite des Kölner Halbmarathons angeschaut.“ Und das macht sie danach immer wieder. Es hilft ihr, die schwere Zeit zu überstehen, die auf diese Operation folgt. „Mein Körper und meine Seele waren kaputt. Und ich habe viel länger als sonst gebraucht, um aus dem Bett zu kommen“, erzählt sie. Vier Wochen lang erbricht sie alles, was sie zu sich nimmt, und wird mit Infusionen versorgt.
Ich habe mir immer wieder die Seite des Köln-Marathons angeschaut. Das hat mir geholfen, durchzuhalten“
Silke Achenbach darüber, wie sie 2019 nach der OP wieder auf die Beine gekommen ist
Als sie dann endlich wieder Nahrung zu sich nehmen kann, will sie zusammen mit ihrem Personal Trainer Philipp Kemper loslegen. An Laufen ist erst einmal aber nicht zu denken. Durch das viele Sitzen und Liegen verspannen sich die Muskeln. Wegen schmerzender Naben, einem immer noch geschwollenen Bauch und Wassereinlagerungen sind erst einmal nur leichte Dehn- und Lockerungsübungen möglich. Und auch die erschöpfen sie. Aber ein Anfang ist gemacht.
Einmal einfach eine von vielen sein
Im Juli folgen die ersten kleineren Laufeinheiten auf dem Laufband. Mit jeder Woche fällt ihr das Laufen leichter, Anfang August läuft sie zum ersten Mal fünf Kilometer am Stück, Mitte August zehn Kilometer. 14 und 17 Kilometer sind ihre längsten Einheiten vor dem Kölner Marathon.
Und an dessen Start steht sie dann tatsächlich am 13. Oktober 2019. „Das war einfach nur geil“, sagt sie lachend und man merkt ihr noch heute, fast vier Jahre später, die Freude an. „Ich war endlich mal eine von vielen, ein ganz normaler Mensch. Ich war nicht ausgeschlossen.“ Silke ist endlich mal eine von mehreren Tausend und nicht etwas Besonderes. Sie hat Sorgen, dass sie während des Laufs Probleme mit ihrem Bauch bekommt, aber alles geht gut. Nach 2:20 Stunden erreicht sie zusammen mit ihrem Trainer und Tränen in den Augen das Ziel. „Ich hattes es geschafft. Ich war in ein neues Leben gelaufen!“
Nach der 20.Operation geht es ihr endlich gut
Im Februar 2022 wurde Silke zuletzt – zum 20. Mal – operiert. „Diese OP hat mir ein neues Leben geschenkt. Zum ersten Mal muss ich keine Abführmittel mehr nehmen und bin an einem Punkt, wo ich hoffe, dass keine weitere Operation folgt. Es geht mir endlich gut“, blickt sie optimistisch in die Zukunft.
Natürlich hat sie auch heute noch Einschränkungen. Sie lebt nun mit einem künstlichen Darmausgang und ist zu 80 Prozent schwerbehindert, was man ihr übrigens nicht ansieht, geschweige denn anmerkt. Sie kann nicht so viel auf einmal essen und isst deswegen immer wieder kleine Portionen. Dazu trinkt sie hochkalorische Trinkmahlzeiten, denn weil der Dickdarm nicht mehr vorhanden ist und auch ein großer Teil Dünndarm fehlt, geht die Nahrung zu schnell durch den Körper. Und gleichzeitig ist durch die vielen Verwachsungen die Gefahr des Darmverschlusses gegeben. Und nach all den Operationen merkt sie, dass ihr Körper nicht mehr so belastbar ist. Und bei Läufen, die über 10 Kilometer hinausgehen, merkt sie die Belastung danach enorm. Aber trotzdem hat sie jetzt einen Zustand erreicht, der viel besser ist als je zuvor.
Ex-Halbmarathonrekordler Carsten Eich hilft ihr in der Vorbereitung auf den nächsten Halbmarathon
Und deshalb schmiedet sie jetzt Pläne. Nach einem Halbmarathon im vergangenen Jahr von Düsseldorf nach Duisburg will sie dieses Jahr wieder die 21,0975 Kilometer in Köln laufen. Der ehemalige deutsche Halbmarathonrekordler Carsten Eich unterstützt sie mit Trainingsplänen. In der rheinischen Metropole würde sie dieses Jahr gerne die 2:15 Stunden knacken, vielleicht sogar 2:14.
Sie macht sich Gedanken, wie sie ihr Energielevel bei den langen Trainingsläufen und im Wettkampf konstant halten kann. Carsten Eich stellt den Kontakt zu dem Unternehmen UltraSports her. Der Hersteller hochwertiger Sporternährung legt ihr seine Kohlenhydrat-Gels ans Herz. „Unterwegs einfach schnell einen Energieriegel zu essen, ist für mich undenkbar. Anfangs war ich etwas skeptisch, doch die Inhaltsstoffe haben mich überzeugt. Durch die clevere Kohlenhydratmischung verbunden mit Arginin und reichlich Natrium bin ich endlich wieder belastbarer. Und das Beste: Ich vertrage die Gels sehr gut“, sagt Silke Achenbach. Neben den Gels nutzt sie auch die Proteinpräparate der Firma. „Nach meinen Läufen fühle ich mich dank der darin enthaltenen Aminosäuren Arginin und Citrullin einfach frischer.“ Selbst den scharfen Ingwerextrakt des Sporternährers aus Kusterdingen verträgt sie prima.
Träume für die Zukunft
Derzeit studiert sie Wirtschaftspsychologie. Ihr Traum ist es, auf der ganzen Welt zu laufen, eine Stiftung zu gründen, Vorträge zu halten und Menschen damit Mut zu machen. Betroffenen, bei Krankenkassen oder auch in Firmen, würde sie gerne ihre Geschichte erzählen und damit zeigen, was es heißt, nicht aufzugeben. Um andere zu motivieren. „Denn ich bin nicht irgendein Speaker, der Gelerntes erzählt. Ich bin authentisch, ich habe das alles wirklich erlebt.“
Tag für Tag kämpft sich Silke ins Leben zurück. Sie lernt mit ihren Ängsten umzugehen und ihren Alltag mit all seinen Facetten zu meistern. Und sie wünscht sich, jemanden kennenzulernen, der ihr zuhört, sie in den Arm nimmt, mit dem sie zusammen durchs Leben gehen kann – oder natürlich am besten laufen. Denn eines ist sicher: „Ich will leben.“