Das hilft gegen die Schmerzen
Seitenstechen beim Laufen: Was tun?
Seitenstechen beim Laufen sind unangenehm und sie können jeden treffen. Wie sie entstehen und was du dagegen tun kannst.
Seitenstechen muss man wohl niemandem erklären oder beschreiben: Plötzlich und – vermeintlich – ohne Vorwarnung ist er da. Der Stich in die Flanke. Und das auch bei Belastungen, die man kennt und sonst absolut im Griff hat. Die nie ein Problem dargestellt haben.
Sogar im Sitzen, beim Reden, beim Treppensteigen – oder beim Lachen: Autsch! Der Schmerz raubt einem schier den Atem. Geht tief in die Lunge. Wie ein Messer, das bei jedem Atemzug tiefer in den Brustkorb gerammt wird: Seitenstechen eben.
Klar, jeder und jede weiß, dass man an Seitenstechen nicht stirbt. Seitenstechen sind keine Verletzung. Trotzdem: Sticht die Flanke, geht beim Laufen nichts mehr. Man kann nur hoffen, dass der Schmerz rasch wieder verschwindet. Und dann, bitte, nie wieder kommt. Das Dumme an der Sache: Letzteres ist ein frommer Wunsch. Alle wissen, dass der Stich wiederkommen kann.
So entstehen Seitenstechen
Aber was sind Seitenstechen eigentlich? Ganz grundsätzlich und einfach: Muskeln brauchen, sollen sie arbeiten, Sauerstoff. Je intensiver sie arbeiten, umso mehr. Weil der Körper eine schlaue Maschine ist, denkt er mit: Benötigen bestimmte Muskeln besonders viel Sauerstoff, fährt er die Versorgung anderer, gerade weniger aktiver, Muskeln ein wenig herunter. Genial.
Sauerstoff holt sich der Körper über die Lunge. Die wird durch das Zwerchfell „betrieben“ – also komprimiert und ausgedehnt. Korrekterweise: Dabei sind noch einige andere Muskeln in Brustkorb und Rückenbereich mit im Spiel, die Hauptrolle spielt aber das Zwerchfell: Der größte Atemmuskel.
„Umverteilung“ des Sauerstoffs
Wenn sich das Zwerchfell entspannt, sinkt es nach unten, in Richtung Bauch – die Lunge wird größer. Durch den Unterdruck atmen wir ein. Spannen wir das Zwerchfell an, hebt es sich – wir atmen aus. Im Idealzustand bekommen alle Muskeln und Körperregionen immer genau so viel Sauerstoff, wie sie gerade verbrauchen. Dann ist dieser Atem-Kreislauf stabil. Alles ist in Balance und läuft rund: Wir könnten jetzt gefühlt „ewig“ rennen. Perfekt. Doch mitunter, zum Glück eher selten, macht der Körper dann bei der Sauerstoff-Versorgung hochaktiver Muskelgruppen kleine Verteilungsfehler.
Dann entscheidet er (vereinfacht gesagt) etwa kurzfristig, dass eine Region – beim Laufen sind es die Beine – einen extra Tick Sauerstoff braucht. Und holt den von anderswo. „Anderswo“ ist meist unproblematisch – außer diese „Umverteilung“ geschieht zu Lasten ebenfalls gerade hochaktiver Muskeln. Zum Beispiel des Zwerchfelles. Und das Zwerchfell, dieser große Atemmuskel, ist beim Laufen hochaktiv. Bekommt es da plötzlich zu wenig Sauerstoff, reagiert es auf den Engpass: Die Bänder, die es in Position halten, verkrampfen sich. Das ist dieser stechende Schmerz.
Seitenstechen treffen nicht nur Anfängerinnen und Anfänger
Seitenstechen treffen mitunter auch gut trainierte Läuferinnen und Läufer. Aber: Je besser jemand im Training ist, je mehr Erfahrung er oder sie mit der gerade aktuellen Trainings- oder Belastungsintensität hat, umso besser wird der Sauerstoff im Körper verteilt – und umso seltener wird Seitenstechen auftreten. Garantie, das weiß wohl jeder und jede, ist das aber dennoch keine.
Denn bis heute weiß die Wissenschaft nicht hundertprozentig, was Seitenstechen genau auslöst. Eben weil sie sehr wohl auch bei gut trainierten Personen in „normalen“ Belastungszonen auftreten können. Neben der Unterversorgung des Atemmuskels zählen aber unruhige Atmung, Stress oder plötzliche, intensive Belastungen zu den bekannten „begünstigenden“ Auslösern,
Die Milz ist nicht der Auslöser
Früher glaubten Medizinerinnen und Mediziner übrigens, dass Seitenstechen entsteht, wenn sich die Milz beim Laufen verkrampft. Die Milz liegt knapp unter dem Brustraum, unmittelbar beim Zwerchfell – der Ort also würde passen. Doch die Milz-These ist heute widerlegt.
Kann man Seitenstechen vorbeugen? Jein. Wie schon gesagt: Je besser trainiert jemand ist, desto eher wird er oder sie von Seitenstechen verschont bleiben. Was aber auch hilft: Gleichmäßigkeit beim Sport – und eine tiefe, ruhige Atmung tief in den Bauch. Klingt banal, ist es aber nicht. Zum einen, weil auch Reden die Regelmäßigkeit des Atmens massiv beeinflusst: Plaudern beim Sport sollten Personen, die zu Seitenstechen neigen, eher unterlassen.
Nicht zu viel essen und trinken vor dem Laufen
Zum anderen ist am Satz „ein voller Bauch trainiert nicht gern“ viel dran. Arbeiten Magen und Verdauung intensiv, brauchen sie mehr Sauerstoff – und dadurch auch mehr Blut im Bauchraum. Außerdem liegt Essen tatsächlich „schwer“ im Magen. Das belastet die Aufhängung der Verdauungsorgane – alles zieht nach unten, das Zwerchfell aber zieht beim Ausatmen nach oben …
Nicht nur, aber auch deshalb, sollte man zwei Stunden vor dem Laufen nichts mehr essen. Oder zumindest nur leicht verdauliche Nahrung – etwa eine Banane eine Stunde vor dem Lauf. Zwischen richtig großen Mahlzeiten und einem Lauf sollten sogar mindestens vier Stunden liegen. Und: Zu viel zu Trinken ist auch nicht gut – Gewicht und Geschwabbel eines übervollen Bauches sind eine Belastung.
Das hilft, wenn dich Seitenstiche plagen
Und natürlich gilt auch in punkto Seitenstechen-Prophylaxe: Aufwärmen! Wer langsam und behutsam von Ruhe- auf Betriebstemperatur hochfährt, vermeidet nicht nur Verletzungen, sondern wird auch seltener von Seitenstechen heimgesucht.
Und wenn es dann doch mal sticht? Bei akutem Seitenstechen hilft es oft, sich noch im Laufens bewusst nach vorne zu beugen und die schmerzende Bauchseite fest anzuspannen. Gegendruck von außen – etwa mit der Faust – an der stechenden Stelle kann ebenfalls helfen. Nutzt das nichts, heißt es: Nichts erzwingen, nicht dagegen ankämpfen, sondern stehenbleiben oder zumindest massiv langsamer werden. Bis der Schmerz nachlässt.
Vorsichtig wieder mit dem Laufen starten
Hilfreich ist da mitunter die sogenannte „Flankendehnung“: Stehenbleiben, den aufrechten Körper nach rechts lehnen, dabei den linken Arm gestreckt hoch über den Kopf ziehen und bewusst in die linke Flanke atmen. Diese Stellung kurz halten, dann die andere Seite ebenso dehnen.
Erst wenn der Schmerz abgeklungen ist, geht es weiter. Zunächst langsamer, achtsamer, behutsamer – aber das tut man dann in der Regel ohnehin. Schließlich soll der Schmerz ja nicht zurückkommen.
Doch auch wenn all diese Rezepte, Erklärungen und Vermeidungsstrategien meist gut funktionieren, muss ehrlicherweise zum fiesen, plötzlichen Stich in der Flanke am Schluss eine kleine, grausame Wahrheit wiederholt werden: Wirklich und absolut gefeit ist man vor Seitenstechen leider nie.