128. Boston-Marathon
Sisay Lemma gewinnt nach famosem Alleingang und zählt jetzt zu den Olympia-Favoriten
Mit einem sensationellen Alleingang hat Sisay Lemma den Boston-Marathon gewonnen. Der Äthiopier löste sich bereits bald nach der 5-km-Marke von der Konkurrenz und gewann in 2:06:17 Stunden.
Nach dieser Ausnahme-Leistung auf der schwierigen, hügeligen Strecke bei der 128. Auflage des Klassikers gehört Sisay Lemma sicherlich zu den Olympia-Favoriten bei den Spielen in Paris im Sommer. Zweiter wurde sein Landsmann Mohamed Esa in 2:06:58, Rang drei belegte der Titelverteidiger Evans Chebet (Kenia) mit 2:07:22.
Im Frauenrennen gewann Hellen Obiri bei insgesamt guten aber am Ende etwas warmen Wetterbedingungen zum zweiten Mal in Folge den Boston-Marathon. Die Kenianerin triumphierte in 2:22:37 und könnte sich damit einen der drei national stark umkämpften Olympia-Startplätze gesichert haben. Ihre Landsfrau Sharon Lokedi wurde in 2:22:45 Zweite. Einen nie erwarteten dritten Platz belegte die bereits 44 Jahre alte Kenianerin Edna Kiplagat in 2:23:21.
Es war nicht der Tag von Fabienne Königstein (MTG Mannheim). Die einzige deutsche Topläuferin in Boston gab das Rennen zwischen Kilometer 15 und 20 auf, nachdem sie zuvor bereits deutlich langsamer geworden war. Die 31-Jährige litt möglicherweise unter einer Erkältung. Sie stieg immerhin so rechtzeitig aus, dass sie nun noch kurzfristig bei einem anderen Marathon starten könnte. Melat Kejeta (Laufteam Kassel) hatte zunächst geplant, in Boston zu starten. Doch sie verzichtete auf das schwere Rennen, um sich vollkommen auf die Olympia-Vorbereitung konzentrieren zu können.
Der 33-jährige Sisay Lemma, der seinen ersten größeren Marathon-Sieg bereits 2015 im Wien gefeiert hatte und in der Folge unter anderem in Frankfurt (2015), London (2021) und zuletzt in Valencia (2023) triumphierte, lief im ersten Drittel des Boston-Marathons Zwischenzeiten, die sogar im Weltrekord-Bereich (2:00:35) lagen. Nach 42:43 Minuten passierte er die 15-km-Marke, den Halbmarathon hatte der Äthiopier dann nach 60:19 erreicht. So schnell, stellte der US-Laufsport-Journalist David Monti fest, war in Boston noch niemand die erste Hälfte gelaufen. Weiter stürmte Sisay Lemma allein auf weiter Flur auch die ersten Hügel in Boston hinauf und wurde dabei kaum langsamer. Bei 30 km hatte er nach 1:26:56 Stunden nun einen Vorsprung von 2:49 Minuten, also rund einen Kilometer!
Der Titelverteidiger Evans Chebet hatte zwischenzeitlich das Tempo angezogen, doch es war zu spät. Auch wenn Sisay Lemma auf den letzten 10 km langsamer wurde, brach er in keiner Phase wirklich ein. „Ich wollte mich in Boston rehabilitieren und war zuversichtlich, dass ich dieses Mal gewinnen würde“, sagte Sisay Lemma, der 2017 in Boston aufgegeben und zwei Jahre später abgeschlagen auf Rang 30 ins Ziel gelaufen war. „Eigentlich wollte ich den Streckenrekord brechen.“ Diese Marke hält sein Landsmann Geoffrey Mutai, der 2011 eine Zeit von 2:03:02 erreicht hatte. „32 Kilometer lang lief es gut, aber die letzten 10 wurden dann sehr schwer“, sagte Sisay Lemma, der bei seinem Sieg in Valencia im vergangenen Dezember mit 2:01:48 zum viertschnellsten Marathonläufer aller Zeiten wurde.
Bei den Frauen jubelt Hellen Obiri
Das Rennen der Frauen verlief lange Zeit relativ ereignislos. Eine 19-köpfige Spitzengruppe passierte den Halbmarathon-Punkt nach 1:12:33 Stunden. Diese 19 Läuferinnen waren auch bei Kilometer 30 nach 1:43:27 bei gleichbleibendem Tempo noch gemeinsam vorne. Bis Kilometer 35 hatte sich die Gruppe dann auf ein Dutzend Athletinnen verkleinert. „Ich habe zunächst versucht, ruhig zu bleiben“, erklärte Hellen Obiri später. Als die zweimalige 5.000-m-Weltmeisterin dann kurz nach 35 km das Tempo deutlich erhöhte, war das Gros der hochklassigen Konkurrenz schnell geschlagen. Bis ungefähr Kilometer 39 konnte die frühere Marathon-Weltmeisterin (2011 und 2013) und Boston-Siegerin (2021) Edna Kiplagat überraschend noch mithalten, danach gab es ein kurzes Duell zwischen Hellen Obiri und Sharon Lokedi. Auf den letzten 1.500 Metern war die Titelverteidigerin nicht zu schlagen und Lokedi fiel zurück. Obiri, die im November auch den New York-Marathon gewonnen hatte, lief zum dritten großen Marathon-Triumph in Folge.