Auf den Trails am Fernpass
So gut tun die Berge Tirols
Die Ferienregion Imst ist ein Trailrunning-Eldorado. Im vergangenen September fand dort mit dem „Starkenberger Homerun“ ein Trailrennen unter Corona-Bedingungen statt. Wir waren dabei.
Als wir abends im tirolerischen Imst bei einem Glas Wein sitzen, sorgt die Geschichte für große Augen bei den Zuhörern. Da erzählt doch einer tatsächlich davon, dass ihm auf seinem 25 Kilometer langen Lauf durch die Berge Tirols zwei Taucher begegnet sind. In voller Montur. Trockenanzug. Flossen. Druckluftflaschen.
War der Lauf so hart, dass der Kollege angefangen hat zu halluzinieren? Immerhin war die Sonneneinstrahlung an diesem Septembersamstag im Spätsommer 2020 noch ziemlich hoch. Und die Strecke beim Starkenberger Homerun hatte es in sich: 25,7 Kilometer. 1061 Höhenmeter im Aufstieg. Meistens auf steilen, schmalen Pfaden durch den Bergwald. 1228 Meter im Abstieg. Davon ein guter Teil in der Rosengartenschlucht nahe Imst mit ihren steilen, felsigen und anspruchsvoll zu laufenden Wegen.
Start am Schloss Fernstein mit seinem superklaren See
Aber keine Sorge, so groß war die Belastung, dann doch nicht, dass irgendwer wegen Sauerstoffmangels ins Fantasieren gekommen wäre. Die beiden Taucher sind tatsächlich am Rand der Strecke aufgetaucht. Der Starkenberger Homerun ist ein Trailrennen, bei dem zwei Teilnehmer ein Team bilden, aber von unterschiedlichen Startpunkten aus ins Rennen gehen. Der eine läuft von Norden kommend auf den Zielort Imst zu, der andere startet südlich des Ortes im Inntal.
Und der Start im Norden liegt eben genau am Fernsteinsee – das Gewässer unterhalb des 1216 Meter hohen Fernpasses ist berühmt für seine Klarheit. Dementsprechend gut ist die Sicht unter Wasser. Das lockt Taucher an. Und an diesem Samstagmorgen, kurz bevor der Trailrun gestartet wird, macht sich grade eine Gruppe aus der Nähe von Stuttgart fertig zum Tauchgang. Das Wasser in fast 1000 Metern Höhe ist auch am Ende des Sommers keine zehn Grad warm. Deshalb legen die Taucher Anzüge an, in denen sie auch unter Wasser trocken bleiben. „Viele Fische oder so gibt‘s hier zwar nicht zu sehen, aber in Europa hat man nicht viele Möglichkeiten, in so klarem Wasser zu tauchen“, sagt einer von ihnen.
Wir Trailrunner bekommen da schon mehr zu sehen. Unsere Strecke führt von der Burg Fernstein, die wie ein mächtiger Wächter über der Route zum Fernpass thront, erstmal auf Forstwegen leicht bergab. Ideal zum zügigen Einrollen mit tollen Ausblicken in Richtung der Ötztaler Alpen im Süden, bevor sich dann nach fast zehn Kilometern alles ändert. Vom Forstweg biegt die Strecke direkt in den Bergwald ab. Durch den geht es jetzt fast 1000 Höhenmeter steil bergauf.
Unser Trailrun wird auf dem Starkenberger Panoramaweg ausgetragen, der als Fernwanderweg den Fernsteinsee im Norden mit Schloss Landeck im Süden verbindet. Dort startet der von Süden kommende Läufer beim Starkenberger Homerun. Mittendrin liegt Imst mit dem Schloss Starkenberg, das auch eine Brauerei beherbergt, nach deren Bier der Panoramaweg und der Trailrun benannt sind. Der insgesamt 59 Kilometer lange Weg führt von Highlight zu Highlight. Er verbindet Schlösser und Burgen. Ruinen und historische Gemäuer. Er überwindet Berge, Täler und tiefe Schluchten. Und bietet tolle Ausblicke.
Anspruchsvolle Trails im Bergwald
Bis zu denen wir uns allerdings noch etwas quälen müssen. Im ersten großen Anstieg sieht man: Bäume. Wenn man denn mal den Blick vom Weg nach oben nehmen kann. Denn Wurzeln, Steine, Gras, Matsch und Geröll fordern die ganze Aufmerksamkeit. Und weil der Weg hier nur eine Richtung kennt (steil nach oben), rast das Herz. Das ist schweißtreibend. Vor allem, wenn man es sich vorgenommen hat, zu zweit in ein paar Stunden eine Strecke zu schaffen, für die sich normale Wanderer vier bis fünf Tage Zeit lassen.
Kurz vor dem Erreichen der Waldgrenze biegt die Strecke dann wieder nach unten ab. Es gilt, Tempo aufzunehmen und die Konzentration aufrechtzuerhalten, um im Downhill gut über all die Wurzeln und Geröllbrocken zu kommen, bevor es dann auf breiten Wegen und über Brücken und Schluchten Richtung Imst geht.
Zum Schluss durch die eindrucksvolle Schlucht des Rosengartens
Kurz vor dem Ziel mitten in dem uralten Städtchen, das schon seit dem 13. Jahrhundert über Marktrechte verfügt, wartet der Höhepunkt des Starkenberger Homeruns: Die letzten Kilometer führen durch die spektakuläre Rosengartenschlucht. Hier hat sich auf einer Länge von 1,5 Kilometern der Schinderbach durch die Felsrücken der Imster Mittelgebirgsterrassen gegraben und eine enge Felsenschlucht geschaffen. 250 Höhenmeter führt die Schlucht bergab. Sie beginnt am Rand des Plateaus, auf dem der Ortsteil Hochimst unterhalb des 2774 Meter hohen Muttenkopfs liegt, dem Hausberg der Imster. Ihr Ende liegt direkt am Ortseingang von Imst. Und diese letzten Höhenmeter bergab sind technisch sehr anspruchsvoll und tun noch mal richtig weh.
Zumindest dann, wenn man – wie wir – am Tag vor dem Rennen gleich mal ausprobiert hat, was Imst noch so alles an Aktivitäten zu bieten hat. Denn außer Trailrunning kann man hier auch perfekt beim zügigen Bergwandern seinen Kreislauf in Schwung bringen. „Speed Hiking“ nennt man das hier und hat dafür an den Hängen des Hausberges gleich mal einen „Park“ geschaffen, in dem drei Runden mit fantastischen Ausblicken markiert worden sind. Und egal, wie schnell oder langsam man dort unterwegs ist – die Bewegung auf fast 2000 Metern über dem Meer tut einfach gut. Dazu trägt natürlich auch bei, dass man in den Imster Bergen die entstandenen Kaloriendefizite auf den Berghütten wunderbar mit Tiroler Spezialitäten wie Kaspressknödelsuppe wieder auffüllen kann. Zurück ins Städtchen geht es dann mit dem Alpine Coaster. Die Abfahrt auf dieser Sommerrodelbahn mit Schienen ist extrem rasant und noch dazu gelenkschonend.
Und abends probiert man aus, wie der Wein schmeckt, der mittlerweile dank des Klimawandels von Winzern wie der Familie Flür auch in Nordtirol angebaut werden kann. Wirklich lecker. Dabei werden dann die Geschichten ausgepackt, die man auf den Trails rund um Imst so erleben kann. Manchmal sogar mit Tauchern.
Der nächste Starkenberger Homerun findet am 18. September 2021 in Imst statt. Hier gibt's mehr Infos und du kannst dich direkt anmelden.