Átjan Wild Islands Festival
Sport trifft Kultur in mystischer Natur der Färöer-Inseln
Das Átjan Wild Islands Festival auf den Färöer-Inseln ist ein Tipp für alle, die mehr wollen als nur laufen. Neben Trailläufen in atemberaubender Natur gibt es ein umfangreiches Kulturangebot.
Eine weidende Schafherde mitten in der Hauptstadt? Das kann dir auf den Färöer-Inseln durchaus passieren. Denn die Färöer-Inseln, 18 grüne Inseln, die steil aus dem kobaltblauen Wasser des Nordatlantiks ragen, halten so manche Überraschung bereit.
Bevölkert von rund 53.000 Menschen und 70.000 Schafen liegt die zu Dänemark gehörende autonome Inselgruppe auf halbem Wege zwischen Schottland und Island am 62. nördlichen Breitengrad inmitten des Golfstroms. Im Mittelpunkt des färöischen Archipels, dessen Gesamtfläche kleiner ist als die von London, liegt Tórshavn. Benannt nach dem altgermanischen Donnergott Thor (Thor’s Hafen) ist sie mit 22.000 Einwohnern eine der kleinsten und angenehmsten Hauptstädte der Welt.
Das historische Stadtviertel mit seinen alten Holzhäusern besteht aus einem Wirrwarr von Gassen und schmalen Durchlässen, aus Stufen und Felsen sowie niedrigen, schwarz geteerten Häusern mit weißen Fensterrahmen und grünen Grasdächern. Was man sieht, ist in der Tat ein echter, aus dem Mittelalter stammender Stadtkern, der niemals einer vernichtenden Feuersbrunst zum Opfer gefallen ist, wie es sonst bei fast allen skandinavischen Städten aus jener Zeit der Fall war.
Und eine weitere Besonderheit sind Grünflächen mitten in der Stadt, auf denen eben ganze Schafherden weiden. Tórshavn ist alt und modern zugleich. Hier gibt es das gleiche wie in der großen Welt, nur in kleinerem Umfang und konzentrierter. Und noch eine Besonderheit haben die Inseln: Sie beheimaten den Tórshavn-Marathon, der als kleinster Hauptstadt-Marathon der Welt gilt. Neben einer Handvoll lokaler Volksläufe ist der seit 2003 ausgetragene Lauf die einzige Laufveranstaltung des Landes mit internationalem Charakter.
Hier setzte der Deutsche Raoul Jankowski in den letzten fünf Jahren seine Duftnote. Von 2017 bis 2019 gelang ihm ein Hattrick, wobei er jeweils mit neuem Streckenrekord siegte. Nach zweijähriger Coronazwangspause holte er sich im Juni dieses Jahres seinen vierten Sieg – mit erneutem Streckenrekord.
2018 kommen die ersten Trailläufer und -läuferinnen auf die Schafsinseln
Erst 2018 wurden die Färöer-Inseln als einer der immer rarer werdenden weißen Flecken auf dem Trailrunningglobus entdeckt. Der britische „Festivaldirektor“ Theo Larn-Jones rief, in Kooperation mit der walisischen Eventagentur Love Trails Festival, mit 200 Teilnehmern aus einem Dutzend Ländern den ersten Traillauf auf den Schafsinseln im Nordatlantik ins Leben. Mit großzügiger Unterstützung der färöischen Gemeinden, Landbesitzer, Bergrettung und dem Rotem Kreuz.
Das Átjan Wild Islands Festival ist ein Hybrid, bei dem Trailrunning mit Outdoor-Aktivitäten vermischt und mit Kunst, Kultur und Musik gekreuzt wird. Von Mittwoch bis Sonntag gibt es fünf spannende Tage voller sportlicher Abenteuer, Partys mit einheimischen Top-DJs und Künstlern, Nachtrennen in den Bergen, einem „Pub-Crawl-Run“ (im übertragenen Sinne ein Rennen von Kneipe zu Kneipe), Mini-Filmfestival, Workshops und Vorträgen. Und dazu viel gute Laune.
Kaltwasserschwimmen und Yoga am Morgen
Und jeden Morgen steht Kaltwasserschwimmen im 10 Grad kalten Atlantik in einer kleinen geschützten Bucht am Rande Tórshavns auf dem Plan. Mal mit, mal ohne einen künstlichen Heißwasserpool daneben, um die schockgefrosteten Glieder wieder ins Leben zurückzuholen. Ein tolles Gefäßtraining, optional mit anschließender Yoga-Session.
Und natürlich nicht zu vergessen: vier traumhaft schöne Trails über 10, 23, 42 oder 55 Kilometer und unzählige Höhenmeter. Für die 3. Edition im September 2022 wurde mit 510 Anmeldungen ein neuer Rekord erreicht. Nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause gab es definitiv Nachholbedarf. Átjan bedeutet übrigens in der färöischen Sprache die Zahl 18 und steht für die 18 Hauptinseln aus denen der Archipel besteht.
Wilde und archaische Landschaften
Weit weg vom Staub der Kontinente, ohne Massenauflauf, schreiendem Publikum und sonstigem Halligalli kann man hier in der sauberen und klaren Luft des Nordatlantiks die wilden und archaischen Landschaften der Färöer genießen. Alle vier Rennen starteten am Samstag zu unterschiedlichen Zeiten im kaum besiedelten äußersten Norden der Hauptinsel Streymoy, eine knappe Fahrstunde von Tórshavn entfernt. Gemeinsames Ziel war Tjornuvik, das nördlichste Dorf der Insel, mit nur 65 Einwohnern. Neben Verpflegungsstellen beim Marathon und Ultra stand jederzeit Quellwasser aus sauberen Gebirgsbächen zur Verfügung.
Eine penible Pflichtausrüstung war für jeden Teilnehmer vorgeschrieben. Schon in eigenem Interesse. Auch bei schönstem Wetter kann innerhalb kürzester Zeit die Hölle los sein. Auf den Färöern ist es möglich, alle vier Jahreszeiten an einem Tag zu erleben. Wie in den meisten Regionen des Nordens gibt das Land seine Schönheit und natürliche Ästhetik nur in homöopathischen Dosen preis. Dicke Nebelschwaden und rund 280 Regentage im Jahr lassen die Landschaft oft hinter einen grauen Schleier fallen.
Im Winter nicht zu kalt, im Sommer nicht zu heiß
Am Renntag war der nordische Wettergott gut gelaunt und genehmigte seinen laufenden Gästen einen der restlichen 85 Tage. Das Seeklima bedingt sehr wechselhaftes Wetter. Strahlender Sonnenschein, Nebelbänke und Regenschauer lösen einander in rascher Folge ab.
Der die Inseln umspülende warme Meeresstrom bewirkt ein mildes Klima. Es bildet sich niemals Meereseis und auch die Wintertemperaturen sind mit durchschnittlich 3° Celsius angesichts der recht nördlichen Lage ziemlich hoch. Im kurzen Sommer liegt die Temperatur im Schnitt bei 11° Celsius.
Die Färöer-Inseln …
… sind ein autonomer Bestandteil des Königreichs Dänemark. Sie bestehen aus einer Gruppe von 18 Inseln im Nordatlantik zwischen Schottland, Norwegen und Island. Die Färöer sind seit 1948 weitgehend autonom und haben mit dem Løgting eines der ältesten Parlamente der Welt. Die knapp 54.000 Bewohner – die Färinger, auch Färöer genannt – betrachten sich mehrheitlich nicht als Dänen. Vielmehr als eigenständiges Volk, das von den Wikingern auf den Färöern abstammt. Sie sprechen Färöische, eine selbständige nordgermanische Sprache, des weiteren skandinavische Sprachen und Englisch. Die Insel kann per Flugzeug und Schiff erreicht werden.
Unbeschreibliche Kulisse für den Start
Ein brillanter Tag, wie es ihn nur im hohen Norden gibt, mit stahlblauem Himmel und unendlichem Weitblick, läutete um 6 Uhr morgens den Start der Ultraläufer ein. Die kürzeren Strecken folgten wenige Stunden später. Start des 10-Kilometer-Laufs und des verlängerten Halbmarathons finden an einem Sandstrand am Fuße des Koppenni statt, mit 790 Metern höchster Berg der Insel. Eingerahmt wird der pittoreske Startplatz am Ende eines langen fruchtbaren Tals, dem Saksunardalur, von sattem Grün auf steilen Hängen von denen mehrere Wasserfälle herabstürzen.
Darüber erheben sich die Berge, vom Gräsungsland ansteigend zu den langen, schwarzen Felsbändern, die sich stockwerkartig auftürmen. Die Felsbänder sind Kanten gewaltiger Basaltschichten, die unterseeische Vulkane hier im Tertiär vor bis zu 60 Millionen Jahren aufgebaut haben. Auf butterweichen, feuchten und saftigen Trails drangen die Läufer in diese hoch gelegenen Regionen ein.
Ein außerirdisches Landschaftskino
Höhepunkt der Strecke war die Passage über die „Skyline-Ridge“ des Langafjall, einem ausgesetzten Felsgrat. Ein saukalter Wind hielt Geist und Konzentration wach und bei ansonsten perfekten Bedingungen eröffnete sich ein außerirdisches Landschaftskino. Wenig später, beim finalen Abstieg, tauchte der Slaettaratindur auf, mit 880 Metern höchster Berg des Landes. Als dann noch tief unten der Zielort Tjornuvik mit seinen beiden markanten, am Ende der Meeresbucht liegenden Felsnadeln Risin und Kellingin ins Bild rückte, wurden sämtliche Emotionen freigesetzt. Beim Zieleinlauf am schwarzen Lavastrand gab es neben obligatorischer Holzmedaille eine Dose leckeres Craftbeer zur Stärkung. Und beim Bad im eiskalten Meer wurde dem müden Körper wieder Leben eingehaucht.
Eine Reise wert – für Läufer, Läuferinnen und normale Touristen
Für Trailläufer und Outdoor-Liebhaber die das Besondere suchen und zudem die herbe Schönheit und das raue Wetter des Nordens lieben, sind die Färöer-Inseln ein lohnendes Reiseziel. Von den 18 Inseln ist eine unbewohnt und es gibt zwei Inseln auf denen jeweils nur eine Familie wohnt. Kein Punkt auf den Färöer ist mehr als fünf Kilometer vom Meer entfernt und es gibt ein äußerst effizientes und gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz.
Einst abgelegene Fjorde sind mit Tunneln und Brücken verbunden, mit Linienbussen, Fähren und sogar Helikoptern ist jeder Ort des Landes erreichbar. Im Dezember 2020 wurde ein elf Kilometer langer Tunnel zwischen den Inseln Streymoy und Eysturoy eröffnet, mit dem weltweit ersten Verkehrskreisel unter dem Meer!
Das dritte Átjan Wild Islands Festival ...
... findet voraussichtlich in der 1. Septemberwoche 2023 statt. Neben dem Laufen stehen zahlreiche weitere Outdoor-Aktivitäten, wie Kajak, Höhlenschwimmen, Tauchen, Klettern, Surfen, Outdoor-Yoga und vieles mehr auf dem Programm. Wer will, kann morgens bereits im kühlen Atlantik schwimmen gehen. Ein Kultur-Programm mit Partys mit einheimischen Top-DJs und Künstlern, Mini-Filmfestival, Workshops und Vorträgen runden das Programm ab.