Stadion ohne Läufer? Protest gegen Berlins Pläne
Werden die Europameisterschaften 2018 die letzte große Leichtathletik-Veranstaltung in Deutschland sein? Danach sieht es aus, wenn Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller seine Pläne für den Umbau des Olympiastadions zu einer reinen Fußballarena durchsetzt.
In London werden Ende der kommenden Woche die Leichtathletik-Weltmeisterschaften beginnen, ein Jahr später ist dann das Berliner Olympiastadion der Schauplatz für die kontinentalen Titelkämpfe. Doch die EM könnte 2018 auf lange Sicht der letzte große Leichtathletik-Titelkampf sein, der in Deutschland stattfindet - das zumindest wäre das Ergebnis, wenn Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller im Verbund mit seinen SPD-Genossen und Hertha BSC seine Pläne durchdrücken würde.
Demnach würde das Berliner Olympiastadion, dessen Laufbahn auch für eine Reihe von Lauf-Veranstaltungen genutzt wird, in eine reine Fußball-Arena umgewandelt werden. Gegen diese Pläne, die quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ohne größere politische Absprachen oder entsprechende Konsultationen öffentlich gemacht wurden, formiert sich inzwischen ein starker, nicht nur regionaler und nationaler sondern auch internationaler Protest.
Nie mehr jubelnde Leichtathletik-Fans in Berlin?
Das Berliner Olympiastadion ist die Ikone der deutschen Sportarenen und eines der besten Leichtathletik-Stadien der Welt. Es sah zunächst Olympische Spiele (1936) und in jüngerer Vergangenheit Weltmeisterschaften in der Leichtathletik (2009). Im Vorfeld der Fußball-WM 2006, als unter anderem das Finale in Berlin stattfand, wurde es umfangreich umgebaut, um weiterhin als multifunktionale Arena mit höchstem Standard zu dienen. Eine zukünftige deutsche Olympiabewerbung hätte international sicherlich mit Berlin und diesem Stadion die besten Chancen.
Das Berliner Olympiastadion wird auch für verschiedene Lauf-Veranstaltungen genutzt. Darunter ist der traditionsreiche 25-km-Lauf, der einst der Trendsetter für den deutschen Straßenlaufsport war und heute noch jährlich sein Ziel in der Arena hat. Das einzige international hochklassige deutsche Leichtathletik-Sportfest findet jedes Jahr im Olympiastadion statt (ISTAF).
Usain Bolt kämpft für den Erhalt seiner Weltrekordbahn
Eine Reihe von internationalen Sportstars haben sich in den letzten Wochen für den Erhalt des Berliner Olympiastadions stark gemacht. Darunter ist auch Superstar Usain Bolt (Jamaika), der in Berlin 2009 bei der WM die nach wie vor aktuellen Weltrekorde über 100 und 200 m aufstellte. „Das Berliner Olympiastadion ist eines der besten der Welt. Es wäre eine große Schande, wenn hier die Bahn herausgenommen wird. Denn das Stadion könnte in der Zukunft bedeutende Leichtathletik-Veranstaltungen ausrichten“, sagte Usain Bolt.
In einer Hauptstadt, in der immer wieder die einfachsten Dinge nicht funktionieren - der seriöse Tagesspiegel veröffentliche unlängst ein komplette Seite Drei über einige der Unzulänglichkeiten in Berlin, wobei das Dauerthema Flughafen dabei nicht einmal eine Rolle spielte -, hat die nächste Polit-Posse begonnen.
Der Präsident der Vereinigung der internationalen Marathonläufe und Straßenrennen (AIMS), der Spanier Paco Borao, hat sich in einem Brief an Bürgermeister Müller für den Fortbestand des Olympiastadions als multifunktionale Arena eingesetzt. Er appelliert an die Verantwortung Müllers, die dieser für den Sport insgesamt in seiner derzeitigen Funktion trägt. Borao zitiert dabei den ersten Absatz der Olympischen Charta: „Der Olympismus ist eine Lebensphilosophie, die in ausgewogener Ganzheit die Eigenschaften von Körper, Wille und Geist miteinander vereint und überhöht. Durch die Verbindung des Sports mit Kultur und Bildung sucht der Olympismus, einen Lebensstil zu schaffen, der auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut.“
AIMS-Präsident Borao fordert Bürgermeister Müller auf, „die derzeit im Olympiastadion stattfindenden Aktivitäten, den Sport insgesamt und die kulturellen Aktivitäten der Bürger Berlins zu respektieren“, ebenso wie die geschichtliche Entwicklung und Bedeutung der Arena.
„Wir müssen diesen Umbauplänen entgegentreten. Das Berliner Olympiastadion ist so wie das Brandenburger Tor ein weltbekanntes Symbol deutscher Geschichte. Die Architektur darf nicht den wirtschaftlichen Interessen eines Fußball-Klubs zum Opfer fallen,“ sagte der Präsident der Vereinigung der deutschen Straßenläufe, German Road Races (GRR), Horst Milde. Gemeinsam mit Gerd Steins, dem Präsidenten des Forums für Sportgeschichte und AIMS Marathon Museum of Running auf dem Olympiagelände, erklärt er zudem: „Das wäre ein Skandal allererster Güte und ein Kotau vor dem Fußball - unabhängig davon, was der Denkmalschutz zu den Plänen sagt, denn das gesamte Olympiagelände steht unter Denkmalschutz. Es kann nicht sein, dass die deutsche Leichtathletik ihr letztes vom internationalen Leichtathletik-Verband IAAF lizensiertes Stadion verliert."
Das Olympiastadion ist auch Schauplatz der 25 Kilometer von Berlin
Gerhard Janetzky, langjähriger Chef des 25-Kilometer-Laufes und des ISTAF sowie aktuell Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbandes (BLV), erklärte: „Als Leichtathletik-Präsident bin ich verärgert, als Berliner entsetzt: Völlig überraschend und ohne Abstimmung mit dem Deutschen oder Berliner Leichtathletik-Verband entschied sich der Berliner Senat dazu, die blaue Leichtathletik-Bahn in Berlin, Ort vieler Weltrekorde und Spitzenleistungen, in Richtung ,Beerdigung’ zu planen. Grund dafür ist der Wunsch der Firma Hertha BSC ein aus ihrer Sicht ,besseres’ Stadion zu bekommen. Der Senat hat offenbar Angst, diesen Mieter zu verlieren und hat sehr schnell Entgegenkommen gezeigt. Aus Sicht der Leichtathletik ist dieses Stadion das ,Wohnzimmer’. Die WM 2009 mit Usain Bolt, viele ISTAF-Meetings, die 25 km von Berlin und viele Veranstaltungen der Leichtathletik sind hier zuhause – gewesen? Der in Aussicht gestellte Umzug der Leichtathletik in das Jahnstadion ist zurzeit eine reine Mogelpackung. Berlin setzt seinen Weg in die sportliche Monokultur fort und setzt mit allem Risiko auf die Hertha-Karte.“
Auch der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Clemens Prokop, wurde überrascht von den Umbauplänen. Er kündigte in Zusammenarbeit mit dem Berliner Leichtathletik-Verband eine Bürgerinitiative „Rettet das Berliner Olympiastadion“ an. Auch die Prüfung eines Bürgerbegehrens schließt Prokop nicht aus. „Für die Leichtathletik bedeutet der Abschied aus dem Olympiastadion, dass es in Berlin keine internationale Meisterschaften und in Deutschland keine Weltmeisterschaften mehr geben wird. Wir werden daher um den Erhalt der Laufbahn im Olympiastadion kämpfen“, sagte Clemens Prokop.