10 Fragen, 10 Antworten
Darauf kommt's beim Lauftraining wirklich an
Hunderte Läuferinnen und Läufer waren schon in den Running Camps mit unserem Trainingsexperten Carsten Eich. Von allen Fragen, die ihm dort gestellt werden, beantwortet er hier die Top 10.
#1 Man hört immer wieder: „Langsam laufen macht schnell.“ Warum ist es so wichtig, langsam zu laufen?
Unsere Leistungsfähigkeit muss über die Grundlagenausdauer aufgebaut und stabilisiert werden. Stellen wir uns die Leistungsfähigkeit in Form einer Pyramide vor. Oben an der Spitze finden wir unsere Höchstleistung. Unten sehen wir die Basis – das ist die Grundlagenausdauer, die ich nur entwickeln kann, wenn ich entsprechend meiner Leistungsfähigkeit in einem ruhigen Dauerlauftempo unterwegs bin. Wenn dieses Fundament nicht gut gebaut ist, wenn also die Basis wacklig ist, werde ich auch keine Spitzenleistungen erreichen können. Um besser zu werden, müssen wir unseren Stoffwechsel trainieren. Wichtig für gute Ausdauerleistungen ist der Fettstoffwechsel. Den trainiere ich am effektivsten in einem extensiven Dauerlauftempo in einem Herzfrequenzbereich, der etwa 60 bis 75 Prozent der maximalen individuellen Herzfrequenz entspricht. Natürlich werde ich nicht schneller, wenn ich immer nur langsam laufe. Aber das notwendige intensive Training im mittleren und oberen Bereich der Pyramide schlägt besser an, wenn mein Fundament sicher steht.
#2 Wie lange dauert es, bis ich eine gute Grundlagenausdauer habe?
Meine Erfahrung ist, dass man Einsteiger am Anfang eher bremsen muss. Die Motivation ist zu Beginn meistens hoch. Und auch Verbesserungen stellen sich schnell ein. Das führt dazu, dass sich viele Läufer zu viel zumuten und zu schnell unterwegs sind. Und damit – siehe oben – das Fundament der Grundlagenausdauer nicht gut genug ausbauen. Ich empfehle für den Aufbau der Grundlagenausdauer mindestens zwei, besser sogar drei Monate einzuplanen. Es bringt nichts, von jeder Trainingseinheit ausgepowert mit hochrotem Kopf nach Hause zu kommen.
#3 Wenn ich meine Herzfrequenzwerte nicht einordnen kann, wie komme ich dann weiter?
Die heutige Generation von Sportuhren mit Herzfrequenzmessung bietet hier tolle Funktionen. Ideal ist es natürlich, seine maximale Herzfrequenz zu kennen. Wenn ich diese in meine Laufuhr eingebe, ermittelt die Uhr die für mich idealen Trainingszonen. Kenne ich meine maximale Herzfrequenz nicht, findet die Uhr über Parameter wie Alter, Geschlecht und Fitnesslevel des Sportlers eine gute Annäherung, so dass sie jedem Läufer klare Signale gibt, wenn dieser im „roten Bereich“ unterwegs ist. Mit einer guten Sportuhr, die heute in der Regel eine Multi-Sportuhr ist, die sich für viele Sportarten eignet, bin ich also gut bedient. Gerade Laufeinsteigern empfehle ich eine solche Uhr, um sich selbst ein bisschen zu bremsen. Es gibt viele Untersuchungen, die belegen, dass viel zu viele Läufer im Durchschnitt deutlich zu schnell unterwegs sind. Um ein Training ganz gezielt steuern zu können, ist eine Leistungsdiagnostik sehr hilfreich.
#4 Stichwort Leistungsdiagnostik: Wann macht es Sinn eine solche zu machen?
Ich bekomme mit einer Leistungsdiagnostik eine aktuelle und objektive Ist-Situation meines Leistungsvermögens. Wir machen die Leistungsdiagnostik in unserem Camp mit einem sogenannten Feldstufentest. Wir laufen also unter realen Bedingungen auf der Bahn – nicht auf einem Laufband - 800-Meter-Abschnitte in festgelegten Geschwindigkeiten. In den Pausen wird Blut über die Ohrläppchen abgenommen. Mit jedem neuen Lauf erhöht sich die Geschwindigkeit. Jeder Läufer ist so lange dabei, wie er die aktuelle Geschwindigkeitsstufe noch durchhalten kann. Anhand der Blutwerte können anschließend die Stoffwechselparameter im Blut auf jeder Stufe ermittelt werden. Diese Werte spiegeln mein aktuelles Leistungsvermögen wider. Da zeitgleich meine Herzfrequenz aufgezeichnet wird, kann ich anschließend sehen, wie mein Leistungsvermögen mit der Herzfrequenz zusammenspielt. Auf der letzten Stufe – also kurz vor der maximalen Ausbelastung – komme ich meiner maximalen Herzfrequenz sehr nah. Mit diesen Daten kann ein erfahrener Coach nun das Training individuell planen und Ziele festlegen, die auf das aktuelle Leistungsvermögen aufbauen. So lässt sich über Monate ein sinnvoller Trainingsplan aufstellen, der über meine individuellen Herzfrequenzwerte gesteuert wird.
#5 Ich werde einfach nicht schneller, was mache ich falsch?
Viele Läufer sind verwundert, dass sie nicht besser werden, obwohl sie seit drei Jahren kontinuierlich dreimal die Woche ihren 8- bis 10-Kilometer-Dauerlauf in 50 bis 60 Minuten zurücklegen. Sie fühlen sich gut dabei, werden aber nicht schneller. Warum ist das so? Weil der Körper in dem genannten Beispiel nicht mehr leisten muss. Wir brauchen also neue, fordernde und unterschiedliche Trainingsreize, um unsere Leistungsfähigkeit verbessern zu können. Das sind unterschiedliche Intensitäten in Form von höheren Reizen oder auch alternativen Sportarten und Übungen, die dazu führen, dass unser Körper gefordert wird, sich auf ein höheres Niveau zu entwickeln.
#6 Wie wichtig ist ein guter Laufstil und wie kann ich ihn verbessern?
Mit jedem Schritt muten wir unserem Körper zu, dass er das zwei- bis dreifache unseres Körpergewichts auffangen muss. Das ist eine durchaus große Belastung für unseren Bewegungsapparat aus Knochen, Muskeln, Gelenken, Sehnen und Bändern. Leider passen sich vor allem Sehnen und Bänder nicht so schnell an neue Reize an, wie unser Herz-Kreislauf-System. Deshalb sollten wir von Beginn an darauf achten, einerseits einen effektiven Laufstil zu entwickeln und andererseits den gesamten Bewegungsapparat zu stärken. Auch deshalb sind Kräftigungsübungen, zum Beispiel für den Rumpf, so wichtig für Läufer. Auch regelmäßiges Dehnen und koordinative Übungen dürfen nicht fehlen. In unseren Camps bekommt jeder Läufer das Rüstzeug an die Hand, um seine Lauftechnik nach und nach so umzustellen, dass er idealerweise den Fuß flach und nicht zu weit vorm Körperschwerpunkt aufsetzt, die Arme gut einsetzt und darauf achtet, seine Körpermitte stabil zu halten, damit eine gute Hüftstreckung möglich wird. Dabei geht es immer um eine individuelle Verbesserung. Den einen Laufstil, der für alle passt, den gibt es nicht.
#6 Wie lange sollte ich bereis laufen, bevor ich mich an einen Marathon heranwage?
Je länger die geplante Wettkampf-Distanz, desto länger auch die Vorbereitung auf ein Rennen. Ich empfehle, einen Marathon dann anzugehen, wenn man als Läufer schon mindestens zwei Jahre regelmäßig trainiert und schon den einen oder anderen Halbmarathon gefinisht hat. Für den ersten Marathon empfehle ich einen Trainingsplan, der einen Aufbau über etwa sechs Monate vorsieht. Davon werden die ersten zehn bis zwölf Wochen als Grundlagentraining mit langsam steigenden Kilometerumfängen geplant. Danach beginnt die spezielle Wettkampf-Vorbereitung mit intensiveren Einheiten, die mich auf meine geplante Wettkampf-Geschwindigkeit vorbereiten. Für den Halbmarathon reicht auch eine etwas kürzere Vorbereitung von insgesamt etwa 16 Wochen.
#8 Stichwort Regeneration: Warum sind Pausen so wichtig?
Ohne Pausen gibt es keine Leistungsanpassung. Wir brauchen Trainingsreize, um uns verbessern zu können. Aber das geschieht nicht während ich trainiere, sondern in der Regenerationszeit. Zudem muss ich meinem Körper nach mehreren Reizen auch die Chance auf Erholung geben. Deshalb sollten Trainingspläne so aufgebaut sein, dass auf Wochen mit steigender Belastung eine Regenerationswoche folgt. In dieser Woche wird nicht komplett pausiert, aber die Trainingsintensität und -häufigkeit wird reduziert. Der Körper hat dann Zeit, sich zu erholen und kann die Trainingsreize der vorherigen Wochen zu einem höheren Leistungsniveau verarbeiten.
#9 Nach einem Rennen: wie viel Pause brauche ich?
Ich finde es ganz wichtig, auf den Körper zu hören. Der signalisiert uns, wann er wieder Lust hat zu laufen. Gerade nach einem Marathon haben die meisten Läufer muskuläre Einschränkungen in Form von Muskelkater. Allein deshalb sollten gewisse Erholungszeiten nicht unterschritten werden. Zwei Wochen Pause sind angebracht. Wenn der muskuläre Schmerz nachlässt kann man sicher wieder Schwimmen gehen oder Rad fahren. Aber intensivere Einheiten können in dieser Phase sogar Verletzungen nach sich ziehen. Eine Faustregel, die sich bewährt hat, besagt, dass man etwa die Hälfte der gelaufenen Wettkampf-Kilometer in Tagen umgerechnet auf intensive Einheiten verzichten sollte. Das wären beim Marathon 21 Tage, nach einem Halbmarathon zehn Tage und fünf Tage nach einem 10-Kilometer-Rennen, das man am Limit absolviert hat.
#10 Wie merke ich, dass ich mich dauerhaft zu hoch belaste?
Am besten funktioniert das über die Herzfrequenz. Das persönliche Gefühl spielt für mich aber auch eine große Rolle. Einsteigern fällt das aber oftmals noch schwer. Nach Gefühl zu laufen, hat auch mit Erfahrung zu tun, die man als Läufer über eine paar Jahre erst sammeln muss. Deshalb ist die Herzfrequenz der beste und objektivste Indikator für die individuelle Belastung beim Training. Allerdings ist die Herzfrequenz sehr individuell. Der eine ist mit einem Puls von 150 Schlägen pro Minute noch im unteren Belastungsbereich unterwegs, bei einem anderen Läufer beginnt hier schon die „rote Zone“, die nichts mehr mit Grundlagenausdauer zu tun hat. Das muss man wissen. Die einfachen Regeln aus der Zeit, als es noch keine Pulsuhren gab, gelten aber zum Glück immer noch. So lange ich beim Laufen noch reden kann, so dass meine Atmung gleichmäßig und ruhig bleibt, bin ich in meinem Wohlfühltempo unterwegs.