Laufschuh-Beratung
„Ein Laufschuh sollte sich auf Anhieb gut anfühlen“

| Interview: Norbert Hensen | Fotos: Asics

Laufschuhhersteller ASICS war viele Wochen mit einer mobilen Teststation in Deutschland unterwegs, um Läufer*innen in Zusammenarbeit mit Sportfachhändlern vor Ort eine hochwertige Beratung anzubieten

„Feel the Difference“ – so hieß die Deutschland-Tour, bei der tausende Läufer*innen neue Laufschuhe an der frischen Luft testen konnten. Das Gemeinschaftsprojekt von Asics und vielen Sport2000-Händlern fand unter speziellen Auflagen statt. Wir haben mit Enno von Seht, Marketing Manager bei Asics gesprochen, wie Schuhberatung in Corona-Zeiten funktionieren kann.

Jedes Jahr werden mehrere Millionen Laufschuhe allein in Deutschland verkauft. Dass rund dreiviertel aller Laufschuhkäufer*innen nicht viel über Laufschuhe wissen, hat eine ASICS Studie ergeben. Muss man denn als Läufer*in überhaupt wissen, was ein Pronierer oder Supinierer ist?
Enno von Seht: Das ist so nicht ganz richtig. Unsere Studie untersuchte das Nutzerverhalten: Die Untersuchung belegt, dass sage und schreibe 81 Prozent aller Läufer*innen gar nicht wissen, ob sie in den für sie optimalen Schuhen unterwegs sind! Vor allem die vielen, während der Pandemie neu dazugekommenen Läufer*innen haben einen hohen Beratungsbedarf. Das Internet kann Orientierung geben, aber der geschulte Fachhandel in Verbindung mit Anprobe und Testlaufen (wir nennen es Trials) ist durch nichts zu ersetzen. Der „Running Experte“ im Geschäft sollte auf jeden Fall Pronierer von Supinierer unterscheiden können.

Immer mehr Schuhe werden online bestellt – ohne auszuprobieren, wie sich ein Laufschuh anfühlt. Die „Feel the Difference“ Tour in Zusammenarbeit mit Sport 2000 hat in den vergangenen Wochen vielen Läufer*innen ermöglicht, ausgiebig verschiedene Modelle zu testen. Warum ist das so wichtig?
Enno von Seht: Mit der entsprechenden Laufanalyse sind die unterschiedlichen Laufstile und Laufschuhmodelle sehr gut miteinander abzugleichen. Abrollverhalten, Pronation/Supination, Aufprall (Impact) sind offensichtliche Parameter, die beim Praxistest sichtbar werden. Individuelle Vorlieben werden bei der fachlichen Beratung berücksichtigt und führen meistens zu einem nachhaltigen, freudvollen Lauferlebnis.

Die Tour war in ganz Deutschland unterwegs. Und das unter Pandemie-Bedingungen. Wie hat das funktioniert?
Enno von Seht: Entscheidend war die gute Kommunikation mit dem Handelspartner im Vorfeld um sowohl die Sicherheit der Teilnehmer*innen als auch unseres Teams zu garantieren. Die behördlichen Auflagen schwankten je nach Region und Entwicklung der Infektionszahlen. Aber weil die Eventserie draußen standgefunden hat, gab es bis Anfang November keine großen Hürden. Vor Ort haben die Läufer*innen eine Maske bekommen, mussten sich in einer Liste eintragen, konnten sich die Hände desinfizieren. Damit hatten wir die Auflagen für viele erfolgreiche Einsätze erfüllt.

Wie haben die Läufer*innen das Konzept angenommen?
Enno von Seht: Laufanalysen und praktische Testmöglichkeit wurden dankend angenommen. Mit der ASICS-typischen Expertise und einer breiten Palette konnten wir für jede/n Läufer*in den perfekten Schuh finden. Gerade beim Laufen ist es extrem wichtig, mit dem richtigen Schuh zu laufen, um nicht durch Verletzungen den Rhythmus zu verlieren. Neben dem „guten Gefühl“ am Fuß führt das auch dazu, dass man sich mental freier und entspannter fühlt.

Studien zeigen, dass falsche Laufschuhe die Verletzungsanfälligkeit verstärken können. Wie erkenne ich, dass ein Schuh nicht zu mir passt?
Enno von Seht: Wir haben unserer Tour bewusst den Titel „Feel The Difference“ gegeben. D.h. ein neuer Laufschuh sollte sich auf Anhieb gut anfühlen. Und zwar nicht beim Sitzen oder Stehen, sondern beim aktiven Laufen. Ist der Wohlfühlfaktor nicht sofort spürbar, sollte man nicht warten bis blaue Zehennägel, Muskel- oder Gelenkschmerzen einem den Spaß verderben. Aber: Vor allem unerfahrene Läufer*innen sollten wissen, dass sich die Trainingsanpassungen im Cardio-Bereich schneller einstellen als im passiven Bewegungsapparat. Daher gilt es vor allem am Anfang Tempo und Distanzen behutsam zu steigern.

Die Passform ist vielleicht das wichtigste Kriterium, um sich in einem neuen Schuh wirklich wohl zu fühlen. Wie passt das mit der Zunahme von Verkäufen im Netz zusammen?
Enno von Seht: Bei ASICS finden Sportler*innen die größte Kontinuität in Sachen Modell-Politik. Viele unserer Topmodelle sind über Jahrzehnte gereift und finden in der Lauf-Szene ihre treuesten Fans. Einmal passend immer passend, könnte man sagen. Darüber hinaus setzen wir neben den Trial-Tours auch online Maßnahmen um, die den Läuferinnen und Läufern den Weg zum perfekten Schuh erleichtern. „Digital Shoefinder“ ist hier das Stichwort. In wenigen Schritten gelangen Kund*innen damit zu einer geeigneten Auswahl. Das Tool hat sich bereits bewährt und wird im kommenden Jahr weiter ausgerollt. Nicht nur im Running ist das ein wichtiger Ansatz. Vergleichbar setzen wir dieses Konzept auch im Tennis- und Indoor-Bereich um, wo die richtige Schuhwahl ebenso wichtig ist.

Enno von Seht ist seit Sommer 2020 Marketing Manager North-East bei ASICS (EMEA). Viele Jahre war Asics unumstrittener Marktführer beim Laufschuhkauf in Deutschland. Der begeisterte Triathlet Enno von Seht will Asics Position als eine der führenden Sportbrands in Europa stärken.

Das große Comeback wird dem Stabilschuh gehören. Hier deuten alle Untersuchungen und Umfragen auf eine extrem steigende Nachfrage hin.

Enno von Seht

Laufen.de hat gerade einen digitalen Laufschuhfinder gestartet. Was tut ASICS als Hersteller, um Läufer*innen im Internet zu beraten?
Enno von Seht: Der Laufschuhfinder von Laufen.de gibt einen sehr guten Überblick über das Angebot aller Marken. Als „Europas No.1 Running Brand“ möchte ASICS sowohl den Läufer*innen als auch den Handelspartnern natürlich auch digital ein Rund-um-Sorglos-Paket aus einer Hand zur Verfügung stellen. Da geht es nicht nur um die richtige Schuhwahl mit dem „Digital Shoefinder“, sondern auch um viele andere nützliche Hinweise und Angebote, die das Läufer*innenleben angenehmer machen. Von Chatrooms, Pflegehinweisen, Sizecharts, Produktlaunches, Sicherheitstipps etc. bis hin zu den Trainings-und Wettkampf-Angeboten der ASICS Runkeeper App, reicht das Angebot weit über die reine Produktbeschreibung hinaus. Nicht zuletzt über die größte Running Community der Welt, mit mehr als 700 ASICS FrontRunnern weltweit, können alle aktuellen Themen rund um das Laufen mit absoluten Expert*innen diskutiert werden.

Die Corona-Pandemie beflügelt das Online-Shopping. Werden in Zukunft noch mehr Laufschuhe im Netz gekauft und ist das aus Läufersicht vernünftig?
Enno von Seht: Grundsätzlich und gerade in der aktuellen Situation ist davon auszugehen, dass der Online-Channel weiter an Fahrt aufnimmt. Sich heutzutage auch digital auszurichten ist daher unabdingbar. Wir werden die Endverbraucher*innen aber immer entscheiden lassen wo sie oder er die ASICS-Ausrüstung kauft und dafür die passenden Hilfsmittel (z.B. den ASICS Storefinder) zur Verfügung stellen. Wir haben die Vorteile des stationären Einkaufs erwähnt, aber es ist auch unsere Herausforderung hier das beste digitale Tool zu entwickeln.

Wie kann sich der Fachhandel darauf einstellen? Sind die Spezialisten wie die über 100 Laufprofi-Händler in Zukunft nur noch Fachberater mit eigenem Showroom?
Enno von Seht: Auch hier merkt man einen neuen Wind in der Fachhandelslandschaft. Es wird verstärkt auch über digitale Kanäle kommuniziert und viele arbeiten bereits mit einem Omnichannel Ansatz, um ihre Stammkundschaft mit den Vorteilen aus beiden Welten zu bedienen. Fakt ist aber weiterhin, dass der stationäre Fachhandel im Bereich Laufschuhe der stärkste Absatzkanal ist und es wohl auch längere Zeit bleiben wird.

Momentan sind gut gedämpfte und komfortable Laufschuhe sehr gefragt. Bleibt das 2021 so oder zeichnet sich schon ein neuer Trend ab?
Enno von Seht: Für das kommende Laufjahr hat ASICS neben den bewährten Modellen auch wieder ein Feuerwerk an Innovationen und Newcomern am Start. Als wir 1979 als erste Brand einen speziellen Damen-Laufschuh herausbrachten, ahnte noch niemand, welche Attraktivität das Laufen einmal auf beide Geschlechter ausüben würde. Dementsprechend ist es auch zukünftig ein Schwerpunkt für ASICS, das Damen-Sortiment weiterzuentwickeln. Daneben gibt es große Projekte mit unverwechselbaren Silhouetten in den Kategorien Speed und Trail. Das ganz große Comeback wird allerdings dem Stabilschuh gehören. Hier deuten alle Untersuchungen und Umfragen auf eine extrem steigende Nachfrage nicht nur bei Lauf-Beginner*innen hin. Der unterstützende Schuh, quasi als Lebensversicherung und Spaßgarantie in einem. Eine Entwicklung die ASICS sehr entgegen kommt.