Golden Trail World Series
Streckenrekord: Rémi Bonnet pulverisiert die 30 Jahre alte Bestzeit am Pikes Peak in Colorado

Der fünfte Lauf der Salomon Golden Trail Series führte auf den 4301 Meter hohen Pikes Peak in Colorado. Die Luft dort oben ist dünn - sehr dünn. Der Respekt der Trail-Weltelite war entsprechend groß.

Auch wenn die Eliteathleten ein wenig schmunzelten, als Greg Vollet am Freitagabend vor dem Rennen schrieb, dass der Start für 7 Uhr morgens „confirmed“ sei, war das mehr als ein launiger Gag des Gründers der „Golden Trail Serie“ an „seine“ Eliteathleten: Der Wetterbericht hatte für die Tage und Nächte unmittelbar vor dem fünften Lauf der Serie, dem „Ascent“ auf den Pikes Peak, nämlich Regen und – in den höheren Regionen – Schnee angesagt. Die Veranstalter des Laufes auf Colorados höchsten Gipfel waren also alles andere als entspannt, ob und wie dieser knallharte, technische Lauf ausgetragen werden kann.

Denn auch wenn der Berglauf von Manitou Springs über den historischen „Barr Trail“ hinauf auf den Gipfel in Zahlen mit 13,3 Meilen doch „nur“ ein Halbmarathon ist, ließen die anderen Parameter sogar die haushohe Favoritin Sophia Laukli (Team Salomon / USA) von „Panik“ sprechen, wenn sie an die Höhe und die dünne Luft hier denke: Schon beim Start auf 1800 Metern schnaufen auch gut trainierte Menschen. Oben, auf 4300 Metern, ist für die meisten schon Gehen eine Herausforderung.

Vorjahressieger Rémi Bonnet (Red Bull/Salomon/Schweiz), der mit dem Ziel angereist war, den „unmöglichen“ Streckenrekord von 2:01:06 Stunden (von Matt Carpenter aus dem Jahr 1993) zu brechen, zeigte sich vorab demütig. Der Mix aus Schnee und Eis, hatte die an sich schon extrem anspruchsvolle Strecke im oberen Streckenbereich über Nacht absolut unvorhersagbar gemacht. Unmöglich, zu sehen, ob der Schnee festgepresst war, oder lose knietiefe Löcher verbarg. Besonders hart war das für die Philemon Ombogo Kiriago und Patrick Kipngeno (beide: Run2gether/Kenia), die noch nie auf Schnee gelaufen waren. Dass sie ihren Doppelsieg von „Sierre-Zinal“ wiederholen können würden, glaubten sie nicht.

Obwohl das Wetter auf der legendären Strecke dann perfekt war: Die Sonne ließ den Pikes Peak kurz nach 6:20 Uhr über Manitou Springs regelrecht aufleuchten - und bei windstillen 7 Grad nahm das Elitefeld und danach ein Pulk von fast 1800 Läuferinnen und Läufern einen der härtesten Bergläufe der Trailwelt in Angriff.

Rémi Bonnet: Top vorbereitet zum Streckenrekord

Dass Rémi Bonnet nicht nur in Topform sondern auch topmotiviert war, war schon am frühen Morgen klar: „Ich habe mit Greg Carpenter gesprochen - er sagte, sein 30 Jahre gültiger Rekord sei heute wohl fällig.“ Vom Start weg kristallisierte sich im Spitzenfeld im ersten Teil des Rennens eine Dreierspitze heraus: Bonnet und die beiden Kenianer Philemon Ombogo Kiriago und Patrick Kipngeno. Unterhalb der Baumgrenze gaben die Doppelsieger von Zierra-Zinal den Ton an, Bonnet ließ sich von ihnen wie er hinterher sagte „pacen“.

Doch dann, ab etwa 3000 Metern wurde es eisiger. Es galt, erste Schneeflecken zu überlaufen. Für Bonnet, den Skibergsteiger, von den Bedingungen her ein Heimspiel - für die Afrikaner absolutes Neuland: „Ich bin auf so einem Untergrund noch nie gelaufen. Und bei uns heißt es: Du kannst erst auf Elefantenjagd gehen, wenn du schon Kaninchen erlegt hast“, zollte Patrick Kipngeno der Strecke aber auch dem Schweizer Konkurrenten nach dem Lauf Respekt: Rémi Bonnet zog an den beiden Kenianern vorbei - und war ab da absolut uneinholbar.

10.000 Dollar Extra-Prämie um 21 Sekunden verpasst

Das Finale war dann dennoch ein Herzschlag-Finish: Für den Fall, dass nicht nur Carpenters Streckenrekord, sondern auch die 2-Stunden-Schallmauer fallen würde, hatten die Veranstalter ein Extra-Preisgeld von 10.000 Dollar ausgesetzt.

Bonnet gab alles - pulverisierte Carpenters Rekord von 1993 mit (vermeintlicher) Leichtigkeit, scheiterte mit 2:00:20 Stunden zwar knapp an der zweiten Hürde, jubelte aber dennoch in der dünnen Luft laut und sagte: „Ich habe alles daran gesetzt, diesen Rekord zu brechen. Das galt als unmöglich, aber ich hab‘s trotzdem geschafft und bin stolz, dass ich der Welt bewiesen habe, wer bergauf die Nummer 1 ist! Ich war 30 Tage vor dem Rennen hier und habe gezielt darauf hingearbeitet. Und das hat sich ausgezahlt. Die letzten 20 Tage vor meiner Ankunft habe ich in einer Unterdruckkabine trainiert und geschlafen und habe heute viel weniger unter der Höhe gelitten. Jetzt muss ich nur nochmal herkommen, um unter 2 Stunden zu bleiben.“

Kipngeno kam als zweiter mit 2:04:15 Stunden ins Ziel und war ebenfalls zufrieden: „Ich freue mich total über den zweiten Platz. Rémi war heute eine Klasse für sich, es war einfach unmöglich, mit ihm mitzuhalten. Im ersten Abschnitt war ich Tempogeber, aber er hat den Moment genutzt, in dem ich mir Wasser geholt habe, um einen Vorsprung auszubauen. Ich bin wirklich zufrieden mit meiner Leistung, weil das nicht nur mein erster Wettkampf in den USA war, sondern auch das erste Rennen meines Lebens im Schnee!

Dritter wurde mit 2:07:44 der ebenfalls unter den Favoriten gereihte Ex-Triathlet Eli Hemming (Salomon/USA), der schon Zweiter (ebenfalls hinter Bonnet) beim Mont Blanc-Marathon war. „Ich komme dem Sieg jedes Jahr ein bisschen näher, das ist ja durchaus positiv. Rémi war heute wie von einem anderen Stern, aber ich bin wirklich zufrieden mit meiner Zeit.“

Das Duell der Super-Frauen: Laukli führt mit 2:1 gegen Wyder

„Wo ist Sophia?“ Judith Wyder (Red Bull/Hoka/Schweiz) war noch nicht einmal ganz über der Ziellinie, als sie schon nach ihrer größten Konkurrentin (nicht nur) am Pikes Peak Ausschau hielt, um ihr zu gratulieren. Sophia Laukli (Salomon/ USA) hatte sich von der Schweizerin lange Zeit im Anstieg auf den Gipfel ziehen lassen. Aber „als ich dann merkte, dass Judith müde wurde, habe ich mein Ding gemacht - und das hat ganz offensichtlich hervorragend funktioniert“, jubelte Laukli, die oben im Schnee ganz in ihrem Element war.

Im Winter stand sie zuletzt sehr erfolgreich auf Langlauf-Ski. 2022 wurde sie bei den Olympischen Spielen in Peking 15 über 30 Kilometer. Oben am Gipfel von Colorados höchstem Berg strahlte sie mit der Sonne um die Wette: 2:35:54 Stunden stand in der Ergebnisliste. Ihren beiden GTWS-Siegen vom Marathon du Mont-Blanc (Chamonix/Fra) im Juni und beim 50. Lauf Zierre-Zinal in der Schweiz am 12. August fügte sie nun einen dritten Erfolg hinzu.

Judith Wyder gab zunächst den Ton an

Und dass, obwohl es am Anfang gar nicht gut gelaufen war: „Nach 30 Minuten wurde mir richtig schlecht. Zum Glück – aber auch überraschenderweise – habe ich mich dann aber gut erholt.“ So gut, dass sie sich an die Fersen von Co-Favoritin Wyder heften konnte. Ein fast schon „traditioneller“ Zweikampf: Laukli hatte Wyder Mitte August beim Klassiker Zierre-Zinal geschlagen, aber kurz davor, war die Schweizerin beim DoloMyths Run in Italien vor der Amerikanerin ins Ziel gekommen.

Kein Wunder, dass nicht nur alle Augen auf die beiden Schnee-Spezialistinnen (Wyder ist auch Langlauf-Trainerin) gerichtet waren, sondern auch die Läuferinnen selbst nervös gewesen waren, erklärt Laukli im Ziel: „Ja, auch wegen der Wetterbedingungen: Ich hatte Angst, der Schnee könnte rutschig und tückisch sein - aber es lief alles perfekt.“

Doch auch Wyder verbrannte nicht alle „Körner“: Auf der Ziellinie hatte sie nach 2:39:35 Stunden sogar noch Kraft für einen Freudensprung. Schon in einer Woche steht beim Mammoth in Kalifornien am 22. September das nächste Duell an. Anna Gibson (USA) überrascht als Dritte mit 2:43:59 Stunden.

Nächtes Rennen: Mammoth Run in Kalifornien

Nach Pikes Peak steht noch ein weiteres Rennen in den USA auf der To-do-Liste der „Golden Trail World Series“: Am 22. September gilt es am Rande der Sierra Nevada, in Kalifornien, die „Mammoth 26K“ zu absolvieren. Der Lauf bei „Mammoth Lake“, einem kleinen Winterskiort zwischen etlichen 4000er-Gipfeln, zählt mit seinen rund 1400 Höhenmetern zu den unumstritten schönsten und legendärsten unter allen US-Trailläufen.

Für die rund 40 europäischen Spitzenläuferinnen und -Läufer, die von den Veranstaltern der Serie in die USA eingeladen wurden und die hier insgesamt zwei Wochen gemeinsam unterwegs sind, ist er die letzte Chance, sich für das Finale der Golden Trail World Series am 19. Oktober in Golfo Dell Isola an der ligurischen Küste in Italien zu qualifizieren.

Dort darf starten, wer bei seinen (mindestens) drei besten Rennen der Serie genug Punkte gesammelt hat, um zu den jeweils 30 besten Männer und Frauen zu zählen. Da etliche Läuferinnen und Läufer aber erst zwei Ergebnisse haben und viele andere sich noch verbessern wollen, wird es am 22. September noch einmal so richtig spannend.

Golden Trail World Series: Ranking nach fünf von sechs Rennen

Männer:

  1. RÉMI BONNET (Salomon/Schweiz) 566 Punkte
  2. MANUEL MERILLAS (Scarpa/Spanien) 516 Punkte
  3. ROBERTO DELORENZI (Brooks Trail Runners/Schweiz) 494 Punkte
  4. ELI HEMMING (Salomon/USA) 482 Punkte
  5. BART PRZEDWOJEWSKI (Salomon/Polen) 446 Punkte
  6. ELHOUSINE ELAZZAOUI (Pini Mountain Racing/Marokko) 431 Punkte
  7. DANIEL PATTIS (Brooks Trail Runners/Italien) 395 Punkte
  8. PATRICK KIPNGENO (Run2Gether/Kenia) 376 Punkte
  9. VALENTIN MARCHON (Salomon/Schweiz) 372 Punkte
  10. ANTHONY FELBER (Sidas x Matryx/Frankreich) 360 Punkte

Frauen:

  1. SOPHIA LAUKLI (Salomon/USA) 600 Punkte
  2. MIAO YAO (Salomon/China) 463 Punkte
  3. THERES LEBOEUF (Team Leboeuf Compressosport/Schweiz) 457
  4. SYLVIA NORDSKAR (Hoka/Norwegen) 455 Punkte
  5. CAITLIN FIELDER (Salomon/Neuseeland) 440 Punkte
  6. DANIELA OEMUS (Salomon/Deutschland) 438 Punkte
  7. ANNA-STIINA ERKKILÄ (Asics/Finnland) 406 Punkte
  8. ALICE GAGGI (Brooks Trail Runners/Italien) 391 Punkte
  9. JUDITH WYDER (Hoka/Red Bull/Schweiz) 388 Punkte
  10. TABOR HEMMING (Salomon/USA) 363 Punkte