Im Interview
Hendrik Pfeiffer über seinen Lauf beim legendären Boston-Marathon
Hendrik Pfeiffer hat den Boston-Marathon als 16. in 2:12:22 gefinisht. Eine der besten Leistungen eines Deutschen beim ältesten Marathon der Welt. Hier spricht der Athlet vom TK Hannover darüber.
Hendrik Pfeiffer, nachdem du es bei der 127. Auflage am eigenen Leib erlebt hast: Was macht den Mythos Boston-Marathon aus?
Hendrik Pfeiffer: Der Boston-Marathon hebt sich von allem ab, was ich bisher erlebt habe. Diese Historie. Diese Legende. Und vor allem die Begeisterung der Menschen an der Strecke. Das alles hat meine Erwartungen noch einmal übertroffen. Es ist verrückt, wie viele Menschen an diesen 42,195 Kilometern stehen, obwohl es ja kein Rundkurs, sondern eine Punkt-zu-Punkt-Strecke ist. Hier hast du keine Gelegenheit, Freunde, die laufen, mehrfach zu sehen - wie in Berlin, Frankfurt oder Köln. Und trotzdem gibt es keinen Punkt an der Strecke, wo die Leute nicht mindestens in Zweierreihen stehen. Die Menschen haben uns Läufer so gepusht, dass ich den Regen kaum gespürt habe, obwohl es ja zwischenzeitlich heftig geregnet hat und die Bedingungen nicht einfach waren. Für mich war es schon etwas ganz Besonderes, einer von nur vier Europäern gewesen zu sein, die überhaupt ins Profifeld gekommen sind. Das Rennen war besser besetzt war als je zuvor beim Boston-Marathon. Und das nicht nur wegen Eliud Kipchoge.
War überhaupt schon mal ein Deutscher besser als du beim Boston-Marathon?
Hendrik Pfeiffer: Ein Mann?
Ja, wir lassen mal kurz Uta Pippig und die anderen deutschen Frauen außer Acht, die hier ja nicht nur wegen Pippigs legendären drei Siegen in Folge von 1994 bis 1996 deutlich erfolgreicher waren als die Männer.
Hendrik Pfeiffer: So ganz genau weiß ich das gar nicht, aber mir hat nach dem Rennen der Bundestrainer geschrieben, dass hier noch kein Deutscher besser war. Ich habe aber herausgefunden, dass 1932 ein gewisser Paul de Bruyn gewonnen hat, der Deutscher war.
Und wie ist das Rennen über 90 Jahre später aus deiner Sicht gelaufen?
Hendrik Pfeiffer: Im Gegensatz zu anderen Marathonrennen wurden vorher keine Gruppen für bestimmte Zielzeiten festgelegt. Es ging einfach unfassbar schnell los. Ich war ein bisschen eingeschüchtert von meinen eigenen Bestzeiten. Die ersten fünf Kilometer in 14:30 Minuten, schneller war ich bei meiner Zehn-Kilometer-Bestzeit in Paderborn auch nicht. Hochgerechnet wären das im Ziel 2:04 Stunden gewesen. Das lag natürlich auch daran, dass es auf dem Weg von Hopkinton nach Boston anfangs bergab geht. Aber auch daran, dass alle sehr aggressiv angelaufen sind. Und ich bin mitgerannt. Es hätte keinen Sinn ergeben, so früh abreißen zu lassen. Dann wäre ich allein gewesen und das wäre bei dem Wind schlecht gewesen. Der kam aus Osten und das bedeutete: Gegenwind über die komplette Distanz. Deshalb habe ich alles getan, um in der Gruppe zu bleiben, die gut rollte und funktionierte. Ich habe mich immer gut gefühlt, obwohl in der Gruppe Leute waren, die mir von ihren Bestzeiten her eigentlich deutlich überlegen waren. Wenn es bergauf ging, bin ich immer nach vorn gekommen. Eine größere Herausforderung waren allerdings die Bergabpassagen. Die waren eine Riesenbelastung für die Oberschenkel, ich war froh, wenn es flach war oder bergauf ging. Bei Kilometer 25 war ich aber allein, ich konnte das Tempo der Gruppe nicht mehr halten. Aber die haben ja auch fast noch Kipchoge eingeholt. Trotzdem konnte ich es bis ins Ziel gut durchziehen.
Ich denke auf jeden Fall, dass ich die beste Leistung meiner Karriere abgeliefert habe. Hier gut gelaufen zu sein ist für mich genauso viel wert wie eine Olympiateilnahme.“
Hendrik Pfeiffer über sein Rennen beim 127. Boston-Marathon
Hast du eine Idee, was diese 2:12:22 Stunden von Boston auf einer wirklich schnellen Strecke wert sein könnten?
Hendrik Pfeiffer: Ich denke auf jeden Fall, dass ich die beste Leistung meiner Karriere abgeliefert habe. Die 2:12 sind höher einzuordnen als meine Bestzeit von 2:10:18 Stunden von Sevilla Anfang 2020. Ich bin mir sicher, 2:09 Stunden laufen zu können. Ob es dann in den Bereich der Olympianorm von 2:08:10 Stunden gehen kann, weiß ich nicht genau. Dazu müsste sicher alles passen.
Wann ist dir klar geworden, unbedingt mal in Boston Marathon laufen zu wollen?
Hendrik Pfeiffer: Der Wunsch ist in meinem Kopf, seit ich 2016 in Düsseldorf meinen ersten Marathon in 2:13 gelaufen bin. Da war ich 23 und mir war klar, dass New York und Boston den höchsten Stellenwert haben. In Boston gut gelaufen zu sein ist für mich genauso viel wert wie eine Olympiateilnahme.
Wie zufrieden bist du mit dem Rennverlauf auf einer Skala von eins bis zehn?
Hendrik Pfeiffer: Zehn. Ich hätte auch rückblickend nichts anders gemacht. Taktisch war das Rennen optimal. Ich bin rundum zufrieden.
Ich habe diese Rennen immer als sehr scharfe Tempoeinheiten gesehen und dementsprechend in mein Training eingebaut, ohne dafür das übrige Training zurückzuschrauben.“
Hendrik Pfeiffer über seine vielen Starts im Vorfeld von Boston, bei denen er in Paderborn eine neue Bestzeit über zehn Kilometer erzielte Rennen beim 127. Boston-Marathon
Du hast vor dem Marathon recht viele Wettkämpfe gemacht, bist beim Berliner Halbmarathon gestartet und hast beim Paderborner Osterlauf zehn Tage vor Boston sogar noch eine Bestzeit von 29:06 Minuten aufgestellt …
Hendrik Pfeiffer: … das entspricht meiner Trainingsphilosophie. Ich habe diese Rennen immer als sehr scharfe Tempoeinheiten gesehen und dementsprechend in mein Training eingebaut, ohne dafür das übrige Training zurückzuschrauben.
Hast du dir das selbst ausgedacht oder mit einem Coach abgesprochen?
Hendrik Pfeiffer: Ich trainiere mich ja schon länger selbst, lasse mich von meinem ehemaligen Trainer Tono Kirschbaum aber noch beraten. Und ich wollte das so.
Und wie geht es für dich jetzt Richtung Herbst und dem Olympiajahr 2024 weiter?
Hendrik Pfeiffer: Ich werde auf jeden Fall im Herbst Marathon auf einer schnellen Strecke laufen. Das Ziel ist eine neue Bestzeit, um der Olympianorm so nah wie möglich zu kommen. Ich lasse mir aber auch noch die Option auf zwei Marathons im Herbst offen. Einen früh und einen spät …
… also Berlin und New York?
Hendrik Pfeiffer: Das ist eine Möglichkeit. Nachdem ich vergangenes Jahr in New York nicht im Elitefeld starten konnte, habe ich in Boston den Renndirektor getroffen, der mich zum kommenden New York-Marathon eingeladen hat, nachdem er hier gesehen hat, dass ich auch Berge kann. Aber der Fokus wird im Herbst sicher auf einem schnellen, flachen Rennen liegen.
Meine Carbonschuhe trage ich im Rennen und bei manchen Trainingseinheiten. Sie helfen mir, die optimale Leistung zu bringen.“
Hendrik Pfeiffer über Fast R seines Ausrüsters Puma, mit dem er in Kenia trainiert und den er in Boston getragen hat
In Boston hast du den Carbonschuh Fast R deines Ausrüsters Puma getragen – oder?
Hendrik Pfeiffer: Ja, weil der mir hilft, die optimale Leistung zu bringen. Ich habe mir etwas dabei gedacht, als ich zu Puma gewechselt bin. Das war keine finanzielle, sondern eine produktorientierte Entscheidung. Wenn die Schuhe nicht funktionieren würden, wäre ich da nicht hingegangen, egal wie viel Geld man mir geboten hätte. Ich habe den Vertrag erst unterschrieben, nachdem ich die Schuhe zwei Monate lang zusammen mit meinem orthopädischen und schuhtechnischen Partner getestet habe.
Wie geht es bei dir im Training jetzt weiter?
Hendrik Pfeiffer: Ich konzentriere mich zunächst mal auf kürzere Strecken. Ich muss über zehn Kilometer schneller werden, um mit der nationalen Marathonkonkurrenz Schritt zu halten. Die 29:06 von Paderborn über zehn Kilometer sind schön, aber noch nicht gut genug. Ich muss den 28 Minuten näherkommen. Meine große Stärke ist, dass ich die Ausdauer habe und zäh bin. Wenn ich bei den Leistungen auf den kürzeren Strecken näher an die der Konkurrenz komme und weiterhin meine Stärken ausspielen kann, bin ich im Vorteil. Das ist ein Entwicklungsschritt, den ich machen muss, bevor ich im Juni oder Juli mit der Vorbereitung des nächsten Marathons beginne.
Was war dein bester Moment in Boston? Der Zieleinlauf in der City?
Hendrik Pfeiffer: Nein. Das war der legendäre Heartbreak Hill, dieser 600 Meter lange Anstieg zwischen Kilometer 32 und 34. Der hat zwar „nur“ 27 Höhenmeter, aber in dieser Phase des Rennens ist das schon ein Gipfelsturm. Als ich da oben war, wusste ich, dass ich das „Monster“ bezwungen hatte und gut ins Ziel kommen würde. Das war der Lohn für die ganze harte Arbeit, die ich in Kenia absolviert habe. Es war nicht angenehmen, alle langen Trainingsläufe über 30 oder 35 Kilometer mit 500, 600 Höhenmetern zu machen.