Lange mobil und gesund
Joggen gut für die Gelenke: Stimmt das?
Joggen ist zwar gut für das Herz-Kreislauf-System, aber schlecht für die Gelenke? Stimmt nicht. Richtiges Joggen hält auch die Gelenke gesund und schützt bis ins hohe Alter vor Arthrose.
Gelenke sind fürs Joggen gemacht. Wer sich nicht bewegt, fördert Funktionsverluste und vorzeitigen Knorpelverschleiß. Auf was du achten solltest, damit Laufen Medizin und kein Gift für die Gelenke ist.
Die Ingenieursweisheit, dass sich nicht bewegte Fahrzeuge „kaputtstehen“, lässt sich auf den menschlichen Organismus übertragen. So wie bei lang geparkten Autos Lenkgestänge und Stoßdämpfer „festgehen“, Dichtungen spröde werden und verwässerte Schmierstoffe für erhöhten Materialabrieb sorgen, leiden übermäßig „geschonte“ Gelenke unter rissig werdenden Knorpeln, verklebenden Menisken, verflüssigter Gelenkschmiere und muskelabbaubedingtem Stabilitätsverlust.
Laufen ist auch deshalb so gesund, weil dadurch ein Großteil der über 200 gelenkigen Verbindungen des menschlichen Körpers seine natürlichen Bewegungsmuster durchläuft – ohne Verrenkungen, hohe Scherkräfte und übermäßige Gewichtsbelastung. Das gilt natürlich nur so lange, wie Körpergewicht und Trainingspensum nicht längerfristig aus dem Ruder laufen – und zwar in beide Richtungen. Zu wenig Bewegung oder deutliches, mit gestörtem Knochenstoffwechsel einhergehendes Untergewicht – keine Seltenheit unter Ausdauerathlet(inn)en – sind ähnlich gefährlich für die Gelenke wie zu häufige Ultraläufe oder Übergewicht.
Joggen sorgt für Pflege der Gelenke
Beim Laufen haben besonders die tragenden Hüft-, Knie- und Fußgelenke und natürlich die Wirbel(säulen)gelenke einiges zu leisten. Bei aller Diversität in der Bewegungsmechanik von Kugel-, Scharnier-, Ei-, Sattel- oder Drehgelenken treffen in Gelenken grundsätzlich verschiedene Knochen aufeinander. Deren Kontaktflächen sind von einer Knorpelschicht überzogen, die sie vor Abrieb schützt. Eine zähflüssige Gelenkflüssigkeit dient als Schmierstoff und Nährlösung. Zusätzlich sind in tragenden Gelenken wie den Knie- oder Wirbelgelenken knorpelige Dämpfungselemente (Menisken, Bandscheiben) verbaut.
Die Knorpelstrukturen sind besonders pflegebedürftig. Denn ihre Beschädigung ist für viele Gelenkprobleme verantwortlich. Zerstörter Knorpel ist nicht regenerierbar. Ist er stark verschlissen, reiben Knochen direkt aufeinander. Diesen mitunter extrem schmerzhaften Abbauprozess nennt man Arthrose. Er sollte vermieden oder verlangsamt werden, denn ganz ohne Gelenkverschleiß kommt niemand durchs Leben. Sport und das Laufen im Besonderen spielen für die Gesundheit der Bein- und Rückengelenke eine
herausragende Rolle. Richtig dosiert ist das regelmäßige Laufen – sofern kein deutliches Übergewicht vorliegt – kein Arthrosetreiber, sondern vielmehr Gelenkprotektor. Und das liegt vor allem an der Physiologie der so wenig regenerationsfähigen Gelenkknorpel. Die Evolution hat – warum auch immer – diese Knorpelstrukturen nicht mit einer eigenen Blutgefäßversorgung ausgestattet. Ernährt werden die Gelenkknorpel über die „Gelenkschmiere“ (Synovia). Diese zähflüssige Nährlösung, die die Gelenkoberflächen geschmeidig hält, muss dazu quasi in den Gelenkspalt „eingewalkt“ werden. Beim Laufen gelingt das durch die gleichmäßig wiederholten Gelenkbewegungen ideal.
Laufen ist gut – zu viel Laufen ist schädlich
Selten hat man so viele (Einzel-)Läufer die Grünanlagen durchstreifen sehen wie in Zeiten der Corona-Krise. Gleichzeitig hat man aber auch des Öfteren den Satz vernommen: „Mir tun schon die Knie weh von dem vielen Laufen.“ Und genau das ist – unabhängig von Corona – zu einem Problem der heutigen Laufgeneration geworden. Immer mehr Hobbysportler streben nach Zielen, für die ihre individuellen Körper nicht geschaffen sind.
Ein Marathon ist in Zeiten von Ultraläufen und Mehrfach-Ironman zur Normalität geworden – aus sportmedizinischer Sicht ist er es aber nicht. Einseitige Dauer- und Hochintensitätsbelastungen, besonders in Kombination mit einer sich ermüdungsbedingt verschlechternden Lauftechnik, erhöhen den Gelenkverschleiß. Je nach Intensität wirkt beim Laufen das fünf- bis achtfache des Körpergewichts auf die Beingelenke. Über 42 Kilometer auf betoniertem Belag zu laufen, hat mit Förderung der Gelenkgesundheit nicht mehr viel zu tun. Vor allem, wenn man es zu häufig tut und vielleicht noch über Gelenkfehlstellungen wie O- oder X-Beine verfügt, die den Knorpelabrieb zusätzlich verstärken.
Die Erkenntnis, dass „nur das Training für den Marathon gesund ist“, kommt nicht von ungefähr. Zwar ergab eine 2018 von Wissenschaftlern der Thomas-Jefferson-Universität in Philadelphia durchgeführte Befragung, dass langjährige Marathonläufer (Durchschnittalter 48 Jahre) nur halb sooft (8,8 %) unter Arthrose litten wie der Bevölkerungsdurchschnitt (17,9 %). Dennoch sollte dieser Vergleich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Missverhältnis von zu viel und zu häufigem Langdistanzlaufen die Gefahren verstärkten Gelenkverschleißes erhöht. Immerhin gab fast die Hälfte der 675 befragten Marathonis an, dass bei ihnen in den vergangenen zwölf Monaten Hüft- und/oder Knieschmerzen aufgetreten waren. Hinzu kommt, dass sich über die Hälfte der breitensportlich aktiven Marathonläufer zum regelmäßigen Schmerzmittelkonsum bekennen – eine Tatsache, die nicht nur traurig ist, sondern auch die Positivwirkungen des Laufens konterkariert.
Sportler schonen die Gelenke
Trotzdem sollte man dies nicht als Absage ans Laufen ansehen, wie auch der Gelenkexperte Professor Dr. med. Carsten Perka meint, Leiter des Zentrums für Muskulosketale Chirurgie an der Charité in Berlin: „Ganz im Gegenteil: Sportliche Menschen leiden seltener an Übergewicht und schonen ihre Gelenke.“ Perka gibt aber auch zu bedenken: „Viele Menschen, die aufgrund nachhaltig geschädigter Gelenke eine Gelenkprothese benötigen, haben oft jahrelang Extremsport betrieben. Ursachen sind neben Sportverletzungen schlicht Überbelastung.“ Das richtige Maß und vor allem der gezielte Aufbau der gelenkstützenden Muskulatur seien entscheidend, so Perka auf dem Jahreskongress der Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie 2016.
Laufen ist dann Gelenkmedizin, wenn die Dosis den individuellen Voraussetzungen angepasst ist. Dabei spielen Faktoren wie Körpergewicht, Muskel-Fett-Verteilung, Hebelverhältnisse der Gliedmaßen und Lebensstilfaktoren wie die Ernährung eine maßgebende Rolle. Das individuell adäquate Laufpensum herauszufinden und es mit Begleitmaßnamen wie Stabilisations-, Mobilisations- und Koordinationstraining zu kombinieren, ist der Schlüssel zum gelenkgesunden Laufen. Denn: Wer sein Laufen vernünftig dosiert, schützt seine Gelenke „multimodal“ – durch Einwalken der Nährstoffe, gute Schmierung und die Produktion entzündungshemmender Myokine.
Richtig essen für mehr Gelenkgesundheit: Auf Eiweiß und Fett kommt es an
Sport und Ernährung müssen zusammenpassen wie Schloss und Schlüssel. Das gilt nicht nur für die Leistung. Ohne den richtigen Nährstoffmix kann auch das beste Training seine gelenkfreundlichen Wirkungen kaum entfalten. Dabei stehen zwei Faktoren im Fokus: Der Aufbau einer gelenkstabilisierenden Muskulatur und die Nutzung des entzündungshemmenden Potenzials der Lebensmittel. Muskeln benötigen Eiweiß. Dabei geht es nicht um das Anwachsen auf Popeye-Maße, sondern primär um ihren Funktionserhalt. Die für die Kontraktion verantwortlichen Muskeleiweiße Aktin, Myosin und Titin müssen in Form gehalten, das heißt ständig erneuert werden. Kleine bei jeder langen Trainingseinheit entstehende Miniverletzungen müssen repariert und gesetzte Trainingsreize in Wachstumsimpulse umgesetzt werden. All das funktioniert nur über die tägliche und ausreichende Zufuhr von Eiweiß hoher biologischer Wertigkeit.
Gerade bei Langstreckenläufern wird die Eiweißversorgung allerdings oft unterschätzt. Als Richtschnur gilt für Läufer eine Tagesdosis von 1 bis 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Hervorragende pflanzliche Eiweißlieferanten sind Nüsse, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide. Tierische Quellen wie Fisch, Geflügel und Milchprodukte punkten in moderater Dosierung mit ihrem biologisch hochwertigen Eiweiß, das heißt, dieses deckt das ganze Spektrum der neun essenziellen Aminosäuren ab.
Im Bereich der Entzündungsregulation geht es besonders um die entzündungsfördernde Wirkung von Omega-6-Fettsäuren, die in verarbeiteten Lebensmitteln – und auch einigen Pflanzenölen wie Sonnenblumen-, Maiskeim- und Distelöl – im Übermaß enthalten sind. Besonders die vor allem in Schweinefleisch und Wurstwaren enthaltene Omega-6-Arachidonsäure sollte mit Zurückhaltung genossen werden. Gelenkfreundlich sind Lebensmittel mit hohem Gehalt an entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren. Diese sind vor allem in fettreichen Kaltwasserfischen (Hering, Makrele, Lachs, Thunfisch) enthalten, gefolgt von Walnüssen und Leinsamen bzw. Leinöl. Gemüse und Obst punkten mit ihrem basenbildenden Charakter, der im Gegensatz zu säurebildenden „Zuckerbomben“ wie Softdrinks und Süßigkeiten eine Wohltat für die Gelenke ist.