50. BMW Berlin-Marathon
Mit über 80 Jahren: Vier, die schon 1974 finishten, starten 2024 wieder
Beim 50. BMW Berlin-Marathon wollen am Sonntag (29. September) 58.212 Menschen starten. Darunter sind auch vier über 80-Jährige, die schon 1974 bei der ersten Auflage am Start waren.
Am 10. Oktober 1974 brachen 286 Läuferinnen und Läufer auf zum ersten Berliner Volksmarathon. Sie liefen auf einer Pendelstrecke entlang der als Autobahn genutzten Rennstrecke Avus am Rande des Grunewaldes. 244 von ihnen erreichten damals das Ziel. 25 Finisher des Jahres 1974 trafen sich im August 2024 wenige Wochen vor dem Jubiläumsmarathon in der Berliner Restaurant-Institution „Eierschale“ in Dahlem. Und vier von denen wollen am 29. September wieder an den Start gehen. Darunter ist mit Günter Hallas auch der Sieger von 1974.
„Ich war heute Morgen schon schwimmen. Zwanzig Minuten im Tegeler See. Bei dieser Hitze ist das herrlich, obwohl ich früher das Schwimmen gar nicht so gemocht habe. Und es auch nicht besonders gut kann.“ So eröffnet Günter Hallas das Gespräch beim Treffen der 74er-Finisher im Ende August sehr heißen Berlin. Er ist 50 Jahre nach seinem Sieg beim ersten Berliner Marathon immer noch fast jeden Tag sportlich aktiv. Und hat seitdem auch kaum ein Gramm zugenommen. Dabei ist er schon 82 Jahre alt. Nur sein Knie verhindert, dass er sich auf den 50. BMW Berlin-Marathon so vorbereiten kann wie auf den ersten. Damals hat er als Briefträger gearbeitet. Und weil Anfang der 70er-Jahre die Post auch in den Berliner Mietshäusern nicht einfach unten in die Briefkästen geworfen, sondern bis in die Wohnungen zugestellt wurde, bestand sein Training neben den fast täglichen Dauerläufen vor allem aus Treppensteigen.
Das macht das Knie nicht mehr mit, aber laufen geht wieder ganz gut, seitdem ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde. Dass er überhaupt Langstreckenläufer wurde, hat auch mit dem Sportabzeichen zu tun, das er als Jugendlicher unbedingt schaffen wollte. Weitsprung, Hochsprung, Speerwerfen, 3000 Meter – alles kein Problem. Nur über 100 Meter blieb er partout nicht unter den geforderten 13,4 Sekunden. „Ich war einfach zu langsam.“ Mit 18 konnte er dann aber auf die 400 Meter ausweichen. So schaffte er es. Danach blieb er bei der Leichtathletik im TSV Siemensstadt hängen und begann mit regelmäßigem Lauftraining. Auf den ersten Berliner Marathon, für den er zwölf Mark Startgeld bezahlte, bereitete er sich vor, indem er 20 oder 25 Kilometer im Training lief. Der Rest würde schon irgendwie gehen.
Premieren-Siegerin Jutta von Haase und Sieger Günter Hallas erinnern sich zusammen mit Organisator Horst Milde
Am 10. Oktober 1974 gewann er dann in 2:44:53 Stunden. Nach einem einsamen Rennen, bei dem kaum Zuschauer an der Strecke waren. „Nur ein paar Spaziergänger, aber die hielten uns Läufer ja damals größtenteils für verrückt“, erinnert sich Günter Hallas. Und auch im Ziel warteten kaum Menschen auf den Sieger, der sich unterwegs an zwei Verpflegungsstellen nur mit Wasser und Salztabletten versorgt hatte.
Dagegen wird die Versorgung am 29. September fast schon einem kulinarischen Schlaraffenland gleichen, wenn sich Günter Hallas zusammen mit Martin Teague, Uwe Meseberg und Peter Bartel und über 50.000 anderen wieder einmal auf die 42,195 Kilometer durch Berlin begibt. Gemeinsam haben die vier sicherlich weit über 100-mal den BERLIN-MARATHON gefinisht. Peter Bartel war zuletzt sogar jedes Jahr dabei: Mit dem Tretroller ist er kurz vor dem Besenwagen hergefahren, um all‘ jenen Mut zu machen, die Gefahr liefen, wegen Überschreiten der Zeitlimits das Ziel am Brandenburger Tor nicht zu erreichen. „Ich versuche, dafür zu sorgen, dass sich der Besenwagen nicht zu schnell mit Aufgebenden füllt“, sagt er.
Peter Bartel organisiert den Lauf der vier 74er-Finisher
Der 82-Jährige hat sowohl das Treffen der 25 Finisher in der „Eierschale“ organisiert als auch den Jubiläumsstart der vier Finisher von 1974 koordiniert. Zwei von denen fehlten allerdings in der „Eierschale“: Martin Teague und Uwe Meseberg.
Die beiden reisen erst zum Marathon-Wochenende in die Hauptstadt. Martin Teague gehörte 1974 zur Berlin-Brigade der US-Armee, die in West-Berlin stationiert war. Gemeinsam mit zehn Kameraden lief er damals den Marathon. Heute lebt er in Chicago, hat sich für einen Start beim 50. BMW BERLIN-MARATHON gemeldet und von den Organisatoren jene Startnummer sechs erhalten, mit der er auch 1974 antrat. Uwe Meseberg lebt in Bruchhausen-Vilsen bei Bremen.
Peter Bartel verbindet mit Sieger Günter Hallas aber viel mehr als der gemeinsame Start am 29. September: Genau wie Hallas läuft er mit einem künstlichen Kniegelenk, beide wurden vom selben Chirurgen operiert. Dazu sind die beiden fast genau gleich alt, ihre Geburtstage liegen nur zwei Tage auseinander. Und seit 43 Jahren laufen sie auch im gleichen Verein: in der LG Nord Berlin.
Den Jubiläumsmarathon wollen die beiden laufend und gehend finishen und dabei vor allem die Atmosphäre genießen. Denn für Peter Bartel ist es immer noch überwältigend, zu erleben, wie sehr die Bevölkerung das Laufen angenommen und es zu einer Massenbewegung hat werden lassen. „Das war für uns 1974 einfach unvorstellbar. Damals musste man sich manchmal sogar Beschimpfungen anhören, wenn man lief. Und jetzt werden die Letzten beim Marathon genauso gefeiert wie die Ersten. Als ich vergangenes Jahr auf meinem Roller mit den Letzten am Brandenburger angekommen bin, und da noch tausende Leute standen und applaudierten, sind mir die Tränen gekommen. Die Frau, die ich begleitet habe, hat es mit den letzten Mitteln ins Ziel geschafft und ist mir dann um den Hals gefallen. Das war ein fantastisches Erlebnis.“
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Er selbst hat nie so ganz aufgehört mit dem Laufen, auch wenn er zuletzt die ganz großen Herausforderungen mit dem Tretroller gesucht hat, nachdem er sich 2009 bei einem Sturz auf einem vereisten Feldweg das Knie verletzt hatte. Der studierte Mathematiker hat ganze Länder und Kontinente durchquert. Ist einmal von Los Angeles nach New York durch die USA gerollert. Manchmal konnte er auch an Laufveranstaltungen mit dem Roller teilnehmen. „Eigentlich geht das ja nicht, aber wenn die Organisatoren mich kennen, bekomme ich schon mal die Erlaubnis und eine Startnummer.“
In der Vorbereitung auf den 50. BMW BERLIN-MARATHON ist er aber wieder mehr gelaufen. „Ich habe zwar kein Trainingsprogramm, aber so für sieben, acht Kilometer bin ich jetzt doch oft rausgegangen.“ Er hofft, dass das reichen wird, um die 42,195 Kilometer am 29. September irgendwie zu schaffen, und so die 50 Jahre Marathon in Berlin gebührend zu feiern.