Nahrungsergänzung: Was wirklich sinnvoll ist
Manche Nahrungsergänzungsmittel leisten wertvolle Dienste. Aber welche brauchen wir und welche nicht? Hier gibt's Tipps von unserem Experten Dr. Stefan Graf.
Eins ist klar: Am gesündesten und günstigsten wäre es, alles, was wir Läufer brauchen, mit der täglichen Nahrung zu uns zu nehmen. Weil das aber nicht immer gelingt, können manche Nahrungsergänzungsmittel wertvolle Dienste leisten. Warum das für Eisen und Vitamin B zutrifft, für Kalzium und andere Substanzen aber nicht, liest du hier.
Sinnvolle Nahrungsergänzug: Vitamin B und Eisen
Leidest du an Blutarmut (Anämie) und Abgeschlagenheit? Bist du schnell erschöpft, hast kaum Appetit, kannst dich nicht gut konzentrieren? Dann kann das daran liegen, dass es deinem Körper an Eisen und Vitaminen aus dem B-Komplex fehlt. Auch Reizbarkeit und Schlafstörungen sowie Haut- und Schleimhautschäden, brüchige Nägel und Haare können Symptome des Mangels sein, der ganz oben auf der Minderversorgungsliste steht.
Eisen ist als Bestandteil des Hämoglobins für den Sauerstofftransport mit dem Blut zuständig. Für den Aufbau von Hämoglobin benötigt der Körper zweiwertiges Eisen, das ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt. Pflanzliches Eisen muss der Körper zunächst aufwendig in die zweiwertige Variante umgewandeln. Das gilt auch für die „Königsvitamine“ B12 (Cobalamin) und B9 (Folsäure), die eine zentrale Rolle bei der Blutbildung, der Energiegewinnung und beim Muskelaufbau spielen. Intensivsportler, Frauen und Veganer tragen ein erhöhtes Risiko für eine Minderversorgung.
Bewährtes Hausmittel zur Vorbeugung und Behandlung leichter Vitamin-B- und Eisen-Defizite ist die Bierhefe. In Tabletten- oder Flockenform lässt sie sich gut ins Müsli mischen. Neben dem gesamten Vitamin-B-Komplex und Eisen liefert Hefe die Vitamine E und K, Mineralien, Spurenelemente (Zink, Natrium, Kalium, Magnesium, Phosphor, Schwefel, Kupfer) sowie Aminosäuren. Neuerdings sind auch Cobalamin-Sprays, Folsäure-Lutschtabletten und sogar Cobalamin-haltige Zahnpasta auf dem Markt. Die B-Vitamine darin sollen über die Mundschleimhaut resorbiert werden. In der Praxis konnte aber keins der Produkte überzeugen.
Hier gibt‘s reichlich Vitamin B12 (Cobalamin): Leber, Fisch, Eier, Milch, Käse, Sauerkraut
Hier gibt‘s reichlich Vitamin B9 (Folsäure): Leber, Spinat, Tomaten, Vollkornprodukte
Hier gibt‘s reichlich zweiwertiges Eisen: Fleisch, Innereien (v.a. Leber), Eigelb
Hier gibt‘s reichlich dreiwertiges Eisen: Hülsenfrüchte, Petersilie, Vollkorngetreide
Sinnvolle Nahrungsergänzug: Das „Sonnen“-Vitamin D
Bis zu 90 Prozent der Deutschen – auch bürotätige Läufer, die während des Wintertrainings nur ihr Gesicht mit Sonne verwöhnen, – zeigen in den Wintermonaten eine Unterversorgung mit Vitamin D. Das liegt allerdings nicht daran, dass unsere Nahrung zu wenig Vitamin D enthält. Die Vorstufe des Vitamins ist in tierischen Lebensmitteln reichlich vorhanden, aber: Ohne Sonnenlicht wird im Körper aus der Vorstufe nicht das aktive Vitamin D, das den Kalziumhaushalt und den Knochenaufbau reguliert. Fehlt dem Körper über einen längeren Zeitraum Vitamin D drohen Knochenerweichung, Osteoporose (Abnahme der Knochendichte), und die Blutgefäße verlieren an Elastizität. Auch ein Zusammenhang mit Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Krebs wird diskutiert.
Auch in Solarien lasssen sich Vitamin-D-Mängel nicht beheben, da die Röhren die maßgebliche UV-B-Strahlung nicht abgeben. Die künstliche UV-A-Exposition erhöht einzig die Gefahr schwerer Hautschäden bis hin zum Krebs. Eine Vitamin-D-Substitution ist daher oft angezeigt, sollte aber unter medizinischer Aufsicht erfolgen. Wahllos frei verkäufliche Produkte zu konsumieren birgt Risiken, da Überschüsse des fettlöslichen Vitamins nicht über den Urin entsorgt werden können.
Hier gibt‘s die Vorstufe zum Vitamin D: tierische Lebensmittel, Fettfische, Milchprodukte
Unter Einfluss der UV-B-Strahlung des natürlichen Sonnenlichts wird in der Haut aus der Vorstufe Vitamin D gebildet.
Unnötig, außer für Vegetarier: L-Carnitin
Fatburner, Leistungsbooster? Was ist dran an den Werbeversprechen für Gewichtsreduktion, Steigerung von Ausdauerleistung und Muskelaufbau? Nichts. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Aufnahme von L-Carnitin-Präparaten keine Erhöhung der wirksamen Konzentration im Muskel verursacht. Weder eine erhöhte Fettabbaurate noch eine Verbesserung von Ausdauerleistung und Muskelaufbau ist nachweisbar. Zudem erhöhen Carnitin-Präparate lediglich den Gehalt im Blut, nicht jedoch in den Muskelzellen.
Dennoch hat L-Carnitin eine wichtige Funktion im Körper. Die Aminosäureverbindung transportiert in den Muskeln Fettsäuren vom Zellplasma in die Mitochondrien („Zellkraftwerke“), wo aus Fett und Kohlenhydraten Energie gewonnen wird. Da Carnitin aber lediglich als „Fettsäure-Taxi“ fungiert, erhöht es den absoluten Fettabbau nicht.
Der Körper gewinnt L-Carnitin durch Eigenproduktion aus den Aminosäuren Methionin und Lysin sowie durch den Verzehr carnitinreicher Lebensmittel. Mit maßvoll fleischhaltiger Mischkost wird auch der sportlich geforderte Körper umfassend versorgt. Da Carnitin nicht abgebaut, sondern in den Muskeln gespeichert wird, steht es auch in Phasen höherer Beanspruchung in ausreichender Menge zur Verfügung.
Einzig für Vegetarier und Veganer kann eine wohldosierte Carnitin-Substitution angezeigt sein, da pflanzliche Nahrung sehr wenig L-Carnitin enthält. Eine Überdosierung kann Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche und Durchfall verursachen.
Hier gibt‘s reichlich natürliches Carnitin: Lammfleisch, Rindfleisch
Bedenklich: Nahrungsergänzung mit Kalzium
1,5 Prozent des menschlichen Körpers bestehen aus Kalzium. Es ist das mengenmäßig am stärksten vertretene Mineral und verleiht Knochen und Zähnen Stabilität. In Muskelzellen sind Kalziumionen für die Signalweiterleitung von den Nerven erforderlich. Ohne Kalzium ist eine koordinierte Muskelfunktion nicht möglich. Kalziummangel führt zu Übererregbarkeit. Krämpfe und koordinative Störungen sind die Folge.
Im Herzmuskel ist Kalzium für Belastungsanpassungen von Bedeutung. Sowohl Mangel als auch Überversorgung können lebensbedrohliche Folgen haben. Als essentielles Mengenelement muss Kalzium mit der Nahrung zugeführt werden. Der tägliche Bedarf liegt bei 0,8 bis 1 Gramm, kann aber bei sportlich erhöhten Anforderungen bis 1,4 Gramm ansteigen.
Nahrungsergänzung mit Kalziumpräparaten gehört zwar zu den häufigsten Substitutionen im Breiten- und Leistungssport, ist aber dennoch in den meisten Fällen nicht empfehlenswert, weil sich der Kalziumbedarf meist problemlos mit der Ernährung decken lässt und eine Überdosierung von Kalzium gefährliche Folgen haben kann. Aktuelle Studien erhärten den Verdacht erhöhter Herzinfarkt- und Schlaganfallraten durch dauerhafte Kalziumüberdosierung auf mehr als 1,4 Gramm pro Tag. Eine Supplementierung ist nur in Ausnahmefällen angezeigt, beispielsweise wenn kalziumreiche Nahrungsmittel aufgrund von Unverträglichkeiten nicht gegessen werden können.
Hier gibt‘s reichlich natürliches Kalzium: Milchprodukte, Joghurt, Quark, Hartkäse, Brokkoli, Blattspinat, Grünkohl, Fenchel
Bei Verletzungen manchmal sinnvoll: Enzyme
Enzympräparate sind keine Nahrungsergänzung zum Ausgleich von Mangelzuständen. Ihre zeitlich begrenzte Verabreichung unterstützt aber sinnvoll die körpereigene Regeneration bei Verletzungen, Infekten und Erschöpfungszuständen. Die heilende Wirkung von Blättern und Früchten enzymhaltiger Pflanzen wird bereits seit Jahrhunderten von Naturvölkern genutzt. Sie beruht auf der Arbeit von Proteasen (Eiweiß spaltende Enzyme) wie Papain (Papaya) oder Bromelain (Ananas).
Nach Übertritt aus dem Darmtrakt in die Blutbahn entfalten die Enzyme ihre entzündungshemmende, immunstärkende und Blutgerinnsel auflösende Wirkung im ganzen Körper. Mit Wobenzym und Wobe-Mugos haben sich zwei Enzymkombinationen verschiedener pflanzlicher und tierischer Gewebe bei der Behandlung von Verletzungen (Muskeln, Sehnen, Bändern) sowie zur Immunstärkung bewährt.
Hier gibt‘s reichlich natürliche Enzyme: Papaya, Ananas
Bedenklich: Konzentriertes Eiweiß
Eine umfassende Proteinversorgung ist wichtig für Regeneration, Muskelaufbau, Aktivität von Enzymen und Immunsystem. Die empfohlene Aufnahme von täglich 0,8 bis 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ist problemlos über eine ausgewogene Ernährung zu decken – sofern nicht gänzlich auf Eiweißträger tierischen Ursprungs verzichtet wird oder Resorptionsstörungen vorliegen. Ohne medizinische Gründe ist von der Aufnahme konzentrierter Eiweißpräparate abzuraten. Dauerhafte Überdosierungen können Nierenschäden verursachen.
Hier gibt‘s reichlich natürliches Eiweiß: Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Hülsenfrüchte, Soja, Nüsse
Unnötig und bedenklich: Kreatin
Das als Nahrungsergänzung angebotene Kreatin-Monohydrat wurde ursprünglich nur im Kraftsport mit einer das Muskelwachstum fördernden und den Körperfettanteil verringernden Wirkung beworben. Als Kreatin-Phosphat bildet es im Muskel einen „Energiepuffer“, aus dem bei Bedarf sehr schnell Energie geliefert wird. Mittlerweile versprechen die Hersteller auch eine Erhöhung der Ausdauerleistung durch Vergrößerung der muskulären Kohlenhydratspeicher.
Die wissenschaftliche Faktenlage ist jedoch dünn und gesundheitliche Risiken sind aufgrund manifester Nebenwirkungen gegeben. Dazu zählen ein Anstieg des Körpergewichts durch Wassereinlagerung in der Muskulatur, ein Absinken des Magnesiumspiegels (Krämpfe) sowie Magen-Darm-Beschwerden. Darüber hinaus hemmt substituiertes Kreatin-Monohydrat die körpereigene Kreatinsynthese und die Entsorgung scheint für die Nieren „nicht ganz ohne“. Vor diesem Hintergrund ist von einer Kreatin-Substitution abzuraten, zumal es unser Organismus selbst aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin herstellen kann. Wir nehmen Kreatin auch mit fleischlicher Nahrung auf.
Hier gibt‘s reichlich natürliches Kreatin: Fleisch