Haspa Marathon Hamburg
Richard Ringer will zu Olympia laufen - Haftom Welday sogar Richtung deutscher Rekord
Beim Hamburg-Marathon warten hochkarätige Rennen. Während Richard Ringer Hamburg als Sprungbrett für Olympia in Paris nutzen will, bricht Lokalmatador Haftom Welday Richtung deutscher Rekord auf.
Rund 12.000 Läufer werden am Sonntag beim größten deutschen Frühjahrs-Marathon in Hamburg starten. Rahmenwettbewerbe hinzugerechnet, registrierten die Veranstalter über 30.000 Meldungen für die 37. Auflage des Haspa Marathon Hamburg. Der Marathon-Europameister Richard Ringer (LC Rehlingen), der Lokalmatador Haftom Welday (Hamburger Laufladen) und Fabienne Königstein (MTG Mannheim), die nach einer Babypause den ersten Marathon seit ihrem elften Platz bei der EM in Berlin 2018 laufen wird, sind die prominentesten deutschen Topathleten auf der Startliste. Das Rennen wird am Sonntagmorgen ab 9:00 live im NDR-Fernsehen übertragen.
Bei den Frauen ist ein neuer Streckenrekord in Reichweite: 2:16 als Ziel von Tiruye Mesfin
Ein Jahr nach dem sensationellen Streckenrekord der Äthiopierin Yalemzerf Yehualaw, die das Rennen 2022 in 2:17:23 Stunden gewonnen und damit auch einen inoffiziellen Debüt-Weltrekord aufgestellt hatte, kann diese Marke schon wieder fallen. Denn ihre Landsfrau Tiruye Mesfin, die am Sonntag als große Favoritin an den Start geht, hat eine Jagd auf die Hamburger Bestzeit angekündigt.
„Ich bin in sehr guter Form und die Vorbereitung lief bestens. Daher möchte ich am Sonntag den Streckenrekord angreifen. Das Minimalziel ist eine persönliche Bestzeit“, sagte die erst 20-jährige Tiruye Mesfin, die im vergangenen Dezember bei ihrem Marathon-Debüt in Valencia auf Anhieb eine Weltklassezeit von 2:18:47 Stunden erreichte. Die Äthiopierin möchte die schnelle Strecke nutzen und könnte sich - trotz der enorm starken nationalen Konkurrenz im Kampf um die drei Olympia-Startplätze - für Paris 2024 zumindest ins Gespräch zu bringen. „Mein Plan ist es, am Sonntag die erste Hälfte in 68:00 Minuten zu laufen“, sagte Tiruye Mesfin, die damit Kurs nehmen würde auf eine 2:16er-Weltklassezeit.
Bei den Männern will sich der brasilianische Südamerika-Rekordler Daniel do Nascimento, der vor einem halben Jahr beim New York-Marathon auf spektakuläre Weise scheiterte, mit einem starken Rennen zurückmelden. Vor einem Jahr überraschte er in Seoul mit einem Südamerika-Rekord von 2:04:51. Damit fehlen ihm nur vier Sekunden zum Hamburger Streckenrekord, den Cybrian Kotut vor einem Jahr aufstellte.
Im November erlebte der Brasilianer einen regelrechten Knock-out beim New York-Marathon. Nachdem der 24-Jährige der hochkarätigen Konkurrenz mit einem Weltrekordtempo davongestürmt war, brach er zehn Kilometer vor dem Ziel zusammen und lag von Krämpfen geplagt auf dem Straßenpflaster. „Das war nicht die beste Strategie, ich habe in New York einen Fehler gemacht. Nach 30 Kilometern wurde mir schlecht, ich bekam Magenprobleme“, erzählte Daniel do Nascimento. „Ich werde am Sonntag intelligenter laufen und das Rennen dieses Mal sicher beenden. Marathon ist ein bisschen wie eine Ehe - es gibt schwierigere und leichtere Zeiten.“ Eine Weltrekordjagd wird Daniel do Nascimento in Hamburg nicht starten, aber er will eine Bestzeit erreichen und könnte dann auch den Streckenrekord brechen.
Aus deutscher Sicht steht Richard Ringer im Mittelpunkt. Der Marathon-Europameister wird am Sonntag zum ersten Mal nach seinem sensationellen Triumph bei den Titelkämpfen in München im vergangenen Sommer am Sonntag wieder bei einem Marathon an den Start gehen.
Der Läufer des LC Rehlingen will den Haspa Marathon Hamburg nutzen, um sich möglichst gleich für den nächsten großen Titelkampf zu qualifizieren: Für die Olympischen Spiele 2024 in Paris steht die internationale Norm bei 2:08:10 Stunden. Maximal drei deutsche Läufer können beim Olympia-Marathon starten. Rund ein halbes Dutzend Athleten rechnen sich Olympia-Chancen aus, und mit Haftom Welday (Hamburger Laufladen) ist ein zweiter deutscher Topläufer am Sonntag am Start. Es ist aber fast nicht vorstellbar, dass Richard Ringer als Europameister nicht nominiert werden könnte.
Während die Spitzengruppe in Hamburg am Sonntag mit einer geplanten Halbmarathonzeit von rund 62:45 Minuten voraussichtlich ein Tempo einschlagen wird, das auf eine 2:05er-Zielzeit führt, wählt Richard Ringer eine etwas defensivere Herangehensweise. „Ich möchte meine Bestzeit von 2:08:49 deutlich unterbieten“, kündigte der 34-Jährige an, der schon beim Olympia-Marathon in Sapporo 2021 auf Rang 26 als bester deutscher Läufer überzeugt hatte und seine enormen Qualitäten in einem hochsommerlichen Meisterschaftsrennen bereits in Japan bewiesen hatte. „In Hamburg plane ich mit einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 64:00 Minuten. Ich hoffe, dass ich dann noch zulegen kann und eine Zeit zwischen 2:07:30 und 2:08:00 erreichen kann. Ich denke, dass das reichen könnte für einen Olympia-Startplatz. Aber wenn es aufgrund der deutschen Konkurrenz eng wird, muss ich noch mal reagieren“, sagte Richard Ringer.
Haftom Welday will Kurs auf den deutschen Rekord nehmen
Dass Haftom Welday ankündigte, am Sonntag in der ersten Gruppe mitlaufen zu wollen und damit Kurs nehmen würde auf den deutschen Rekord von Amanal Petros (2:06:27), nimmt Richard Ringer zur Kenntnis. Es ändert aber nichts an seiner eigenen Rennstrategie. „Es kann passieren, dass irgendwann ein deutscher Läufer auch 2:05 Stunden läuft. Ich kann das nicht beeinflussen, der Sport wird globaler, und diese Entwicklung wird weiter gehen. Es werden zukünftig noch mehr aus Afrika stammende Läufer für europäische Nationen starten. Ich denke, das wird sich auch auf andere Disziplinen übertragen“, sagt Richard Ringer, der in Hamburg erst seinen fünften Marathon laufen wird und seinen ersten City-Marathon in Deutschland.
Aufgrund seiner außerordentlich starken Meisterschafts-Rennen bei Olympia und der EM könnte man zumindest mittelfristig auch Richard Ringer zutrauen, Zeiten von unter 2:06 Stunden zu laufen. Hätte er nicht ein solches Potenzial, wäre er kaum Europameister geworden.
Es ist durchaus möglich, dass es in Hamburg in der zweiten Rennhälfte noch zu einem spannenden Kampf um die Position des besten deutschen Läufers kommen wird. Denn Haftom Welday, der sich in Berlin im vergangenen September überraschend auf 2:09:06 Stunden gesteigert hatte, muss ein derart hohes Tempo auch erst einmal über die 30-km-Marke hinaus halten können.
Richard Ringer: Aus dem Höhenhaus zur neuen Bestzeit?
„Ich habe mich seit November Schritt für Schritt auf den Marathon in Hamburg vorbereitet und es lief insgesamt sehr gut - sogar besser als erwartet, denn ich hatte keinerlei Probleme oder gesundheitliche Ausfälle“, erzählte Richard Ringer, der sich im Halbmarathon in Barcelona im Februar auf 61:09 Minuten steigerte und dann über diese Distanz vor kurzem auch den deutschen Meistertitel gewann. Im Training machte er dabei zu Jahresbeginn anstelle des klassischen Höhentrainingslagers etwas Neues. Mit der Trainingsgruppe seines belgischen Coaches Tim Moriau zog er in ein „Höhenhaus“ in Belgien. In der dünnen Luft des Hauses haben die Athleten gelebt und dann draußen auf normaler Höhe trainiert. „Am Anfang war das nicht leicht, aber dann lief es gut“, erzählte Richard Ringer.
Der Europameister ist weiterhin auch teilweise berufstätig. Egal, was am Sonntag in Hamburg passiert: „Am Dienstag fange ich wieder an zu arbeiten“, sagte Richard Ringer, der bei Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen im Controlling eine Teilzeitstelle hat. In den letzten drei Monaten konnte er ausschließlich trainieren, nun folgt wieder eine Arbeits-Phase. Ende September könnte sich Richard Ringer vorstellen, bei der Straßenlauf-WM über die Halbmarathon-Distanz an den Start zu gehen. Ob danach ein Herbst-Marathon folgt, entscheidet sich zu einem späteren Zeitpunkt.