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Berlin-Marathon
Startet Philipp Pflieger mit neuem Trainer und neuer Bestzeit in den zweiten Frühling?

| von Jörg Wenig & Christian Ermert

Nach gutem und harten Training bei Renato Canova ist Philipp Pflieger zuversichtlich, beim BMW Berlin-Marathon seine Bestzeit angreifen zu können, die seit Herbst 2020 bei 2:12:15 Stunden steht.

Philipp Pflieger hat mit Kenenisa Bekele etwas gemeinsam: Der einzige deutsche Top-Marathonläufer im Feld wird so wie der äthiopische Superstar am Sonntag zum vierten Mal beim BMW Berlin-Marathon starten. Bei keinem anderen Marathon lief der inzwischen 34-jährige Regensburger so oft wie in Berlin - gleiches gilt auch für Kenenisa Bekele. Dabei hält Philipp Pflieger einen Zwei-Jahres-Rhythmus ein: 2015, 2017 und 2019 lief er bisher bei diesem Rennen. Nach einem starken Berlin-Debüt 2015 war das Rennen für ihn allerdings keine Erfolgsgeschichte mehr. 2017 und 2019 kam der Regensburger, der für LT Haspa Marathon Hamburg startet, nicht ins Ziel. Doch dieses Mal soll es wieder anders laufen. Dafür hat Philipp Pflieger einiges in seinem Umfeld verändert.

„Ich bin guter Dinge, auch wenn ich vor drei Wochen im Trainingslager aufgrund eines Infektes eine Woche Training verpasst habe“, sagte Philipp Pflieger, der sich Ende 2020 in Valencia auf 2:12:15 verbessert hatte. „Mein Ziel ist es jetzt, zumindest unter 2:12 Stunden zu laufen und vielleicht auch eine Zeit knapp unter 2:11 zu erreichen.“

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Nach drei verpatzten Marathonrennen in Berlin will Philipp Pflieger an der Siegessäule wieder erfolgreich sein

Vor sechs Jahren hatte Philipp Pflieger beim BMW Berlin-Marathon als bester deutscher Läufer mit 2:12:50 Stunden überrascht. Diese Zeit sollte später ausreichen für die Olympia-Nominierung. Das Berliner Rennen war als erster von mehreren Schritten in Richtung erweiterte europäische Spitze gedacht. Doch Philipp Pflieger geriet ins Stolpern, der zweite Schritt passierte nie wirklich. Statt dessen folgten immer wieder verletzungsbedingte Probleme, auch vor seinem Start bei den Spielen in Rio, und Rückschläge bei den Saisonhöhepunkten bis hin zu einem Knock-out in Berlin 2017 knapp zehn Kilometer vor dem Ziel und einem erneuten Aus bei dem Rennen zwei Jahre später. Dazwischen war er auch beim EM-Marathon in Berlin nicht ins Ziel gekommen. Manches passte offensichtlich nicht mehr zusammen bei der Weiterentwicklung von Philipp Pfliegers Karriere.

Zwischenzeitlich hatte Philipp Pflieger schon an ein Karriereende gedacht. Doch dann machte er den mutigsten Schritt seiner Karriere: Philipp Pflieger zog die „Notbremse“. Der Läufer verließ Ende 2019 seinen Verein, die LG Telis Finanz Regensburg, und seinen langjährigen Trainer Kurt Ring, der ihn in die nationale Spitze geführt hatte. Zunächst stand er dabei buchstäblich im Regen, da ein zunächst avisierter Vereinswechsel nicht zustande kam. Zwar fand er mit dem Laufteam Haspa Marathon Hamburg einen Klub, jedoch fehlte ihm zunächst ein Trainer.

Mangels Coach trainierte er sich selber und setzte dann im Februar 2020 in Barcelona ein Achtungszeichen: Mit 62:50 gelang ihm erstmals eine Halbmarathonzeit von unter 63 Minuten - ein Ergebnis, dem er zuvor vier Jahre lang vergeblich hinterhergejagt war. Die „Notbremse“ hätte er wohl schon eher ziehen müssen. „Vielleicht hätte ich diesen Schritt zwei Jahre früher machen sollen“, sagt Philipp Pflieger. „Aber wäre ich dann bei Renato Canova gelandet? Wahrscheinlich nicht.“ So könnten sich die eigentlich verspäteten Änderungen am Ende doch noch positiv auswirken, da er jetzt von dem italienischen Top-Trainer gecoacht wird.

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Auf der Pressekonferenz vor dem Berlin-Marathon berichtet Philipp Pflieger aus seinem Training

Als Philipp Pflieger im Winter 2020 ohne Coach im kenianischen Iten trainierte, traf er Sondre Moen. Der Norweger hatte sich unter Renato Canova zu einem europäischen Top-Marathonläufer entwickelt und 2017 mit einer Zeit von 2:05:48 Stunden sogar einen Kontinentalrekord aufgestellt. So kam die Verbindung zu dem italienischen Coach zustande. „Das Trainingspensum von Renato ist eine große Herausforderung. Aber er hat eine absolut positive Aura und ich habe viele neue Impulse bekommen. Oft komme ich an Grenzen, aber drei Wochen später geht es dann doch darüber hinaus. Das war früher unmöglich“, erzählt Philipp Pflieger, der sich dann beim Valencia-Marathon 2020 auf 2:12:15 steigerte. „Vielleicht habe ich mir früher Grenzen gesetzt, die keine Berechtigung haben.“

Als Beispiel beschreibt er eine Trainingseinheit aus dem August: „Special Block nennt das mein Coach. Klingt irgendwie harmlos, ist aber grenzwertig, und wenn man das übersteht, weiß man, dass man für einen ganz schnellen Marathon gerüstet ist.“ Und so sah der „Special Block“ von Philipp Pflieger aus: Morgens locker zwei Kilometer einlaufen, dann zehn Kilometer in 32:48 Minuten. Fünf Minuten Pause, dann 15 Kilometer gesteigert, sodass am Ende eine 3:04er-Pace auf der Uhr steht. Mittagspause. Am Nachmittag erstmal zwei Kilometer Shake-out-Run. „Nach dem sich aber nichts wirklich locker anfühlt, bevor noch mal zehn Kilometer in 32:29 Minuten gelaufen werden wollten“, erinnert sich der Läufer. Und als sei das alles nicht genug, gab‘s am Ende noch zehn Tempoläufe über 600 Meter in 1:37 bis 1:39 Minuten mit zwei Minuten Pause. „Das Gefühl, wenn du zum ersten schnellen 600er antrittst und schon 39 Kilometer in den Beinen hast, ist schwer zu beschreiben. Mein Coach will eben sehen, ob ich nach so vielen Kilometern motorisch noch in der Lage bin, einen Gang hochzuschalten. Dass ich das geschafft habe, macht mich zuversichtlich, bei meinem geplanten Herbstmarathon meine persönliche Bestzeit von 2:12:15 Stunden noch einmal angreifen zu können.“

Mut machen Philipp Pflieger sicherlich auch die vielen anderen Athleten, die sich unter Renato Canova während seiner jahrzehntelangen Trainer-Tätigkeit nach und nach enorm verbessern konnten. Neben Sondre Moen gilt dies zum Beispiel auch für Arne Gabius. Als er in Frankfurt 2014 ein sensationelles Marathon-Debüt lief und ein Jahr später dann dort mit 2:08:33 Stunden den deutschen Rekord brach, war es auch Renato Canova, der ihm die Trainingspläne schrieb. Arne Gabius ist aus einem anderen Grund noch ein gutes Beispiel für Philipp Pflieger: Mit 34 Jahren ist immer noch Zeit für Erfolge im Marathon. Als Arne Gabius seinen deutschen Rekord über die 42,195 km lief, war er 34. Danach rannte er noch einige Jahre auf hohem Niveau.

Philipp Pflieger hilft, für Gleichberechtigung laufend die Welt zu umrunden

Die 42,195 Kilometer, die Philipp Pflieger am Sonntag in Berlin laufen wird, werden aber nicht nur seiner persönlichen Leistungsentwicklung dienen − er widmet sie auch einem guten Zweck: Dem Kilometerzähler von laufen.de-Partner Plan International. Dabei sollen Sportlerinnen und Sportler bis zum Welt-Mädchentag am 11. Oktober symbolisch einmal die Welt umrundet werden – für Gleichberechtigung. Dafür müssen insgesamt mindestens 40.075 Kilometer zurückgelegt werden, sodass dann mindestens 40.075 Euro für die Gleichberechtigung gesammelt worden sind. Die Kilometerzahl entspricht der Strecke einmal um den Äquator. Alle, die das Ziel teilen, können mitmachen. Ob zu Fuß, auf dem Rad oder im Wasser, egal wie – jeder Kilometer und jeder Euro zählt.

Philipp Pflieger widmet seine gesamten im Aktionszeitraum vom 12. September bis 11. Oktober gelaufenen Kilometer dem Kilometerzähler. Das werden am Ende circa 350 Kilometer sein – inklusive der 42,195 beim Berlin Marathon am kommenden Sonntag. Dabei hat er aufgerufen, noch mehr Kilometer zu laufen als er. Unter allen seinen Fans, die dies schaffen, wird ein persönliches Überraschungspaket von Philipp Pflieger verlost. Mehr Infos dazu findest du hier.

 

Noch mehr Informationen zum 47. BMW Berlin-Marathon am 25. und 26. September findest du im fast 200 Seiten starken digitalen Event-Magazin, das ab sofort kostenlos zur Verfügung steht. Und am Sonntag ab 9:00 Uhr findest du den Live-Ticker zum Rennen auf laufen.de!