Epic Trail Run Azores

Trail-Happening mitten im Atlantik

1500 Kilometer westlich von Europa und 3500 Kilometer östlich von Nordamerika tauchen aus den Tiefen des Ozeans neun grüne Juwelen auf. Sie ragen als die höchsten Gipfel des Mittelatlantischen Rückens aus dem Meer und bilden den Archipel der Azoren. Politisch zu Portugal gehörend sind sie der westlichste Vorposten Europas.

Vulkanische Kräfte haben grandiose Landschaften geformt, die sich mit Pflanzen aller Klimazonen schmücken. Hier spielt die Natur all ihre Reize aus und präsentiert gigantische Naturarenen, die zu den anmutigsten auf diesem Globus gehören.

Beeinflusst durch den Golfstrom herrscht ein mildes Seeklima, das keinen großen Temperaturschwankungen unterliegt. Die durchschnittliche Lufttemperatur beträgt 13° Celsius im Winter und 23° Celsius im Sommer. Mit dem 2351 Meter hohen Vulkan Pico auf der gleichnamigen Insel ragt zugleich der höchste Berg Portugals aus dem Atlantik. Er gehört zu den formschönsten Vulkanen auf der Erde und kann es locker mit dem Fujiyama in Japan oder dem Mount Egmont in Neuseeland aufnehmen.

Auf dem europäischen Festland kennt man die Azoren als Wetterküche. In dieser Region liegt in der Regel das „Azoren-Hoch“, das bei gewonnenem Kampf gegen das „Island-Tief“ für das warme Wetter bei uns sorgt.

Die Ästhetik und Schönheit der Inseln ist kaum zu überbieten und macht sie zu einem wahren Paradies für Naturliebhabende und einem Spielplatz für Trailläuferinnen und -läufer. Die Trailrunning-Community entdeckte diese neun anmutigen Welten, die sich von Santa Maria im Osten bis Flores im Westen über eine Distanz von 600 Kilometern erstrecken, relativ spät.

Erst 2014 etablierte sich auf der Insel Faial, deren sicherer Hafen obligatorischer Zwischenstopp für Transatlantik- und Weltumsegler ist, der erste Traillauf. In der Folge explodierte die Trailrunningszene förmlich. Mittlerweile sind die Azoren ein Hotspot mit Veranstaltungen auf einem halben Dutzend Inseln und über alle Distanzen und Schwierigkeitsgrade. Generell sind die Portugiesen, wie auch die benachbarten Spanier, totale Trailrunningfreaks.

Zum Saisonausklang lockte am 3. Dezember 2022 zum siebten Mal der „Epic Trail Run Azores“ auf der Hauptinsel Sao Miguel. Mit rund 755 Quadratkilometern und 140.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist sie die größte und wirtschaftlich bedeutendste des gesamten Azorenarchipels. Ihre Hauptstadt Ponta Delgada (70.000 Einwohner*innen) wird von zahlreichen Fluggesellschaften Westeuropas direkt angeflogen.

Das Wetter kann im Dezember zwar recht rau sein, jedoch herrscht hier am 37. nördlichen Breitengrad ein gemäßigtes Klima mit Tagestemperaturen zwischen 13 und 18° Celsius. Äußerst preisgünstige Flüge und Unterkünfte zu dieser Jahreszeit laden zum Besuch der Veranstaltung und einem festlichen Jahresausklang auf traumhaften Trails.

Sämtliche Ortschaften sind bereits weihnachtlich geschmückt, eine wahre Lichterorgie erhellt die Innenstädte – die Azoreaner sind absolute Beleuchtungsmaniacs! Schon beim Anflug auf Sao Miguel fällt das satte Grün der Insel ins Auge. Im Gegensatz zu den Kanaren unterliegen die Azoren nicht dem Nordost-Passat. Deshalb herrscht hier eine hohe Luftfeuchtigkeit und das Wetter kann sich stündlich ändern. Über 100 Vulkane gibt es auf Sao Miguel, einige noch aktiv und größtenteils von einem grünen Naturteppich überdeckt.

Mit über 1000 Anmeldungen und neuem Teilnehmendenrekord war der Event mit vier Strecken bereits Wochen vorher ausverkauft. Darunter 88 ausländische Gäste aus 21 Ländern, dabei auch Exoten aus Kanada, Argentinien, Marokko und Brasilien.

Die Königsstrecke über 110 Kilometer (+6243m, -6348m) startete am Vortag um 23 Uhr, morgens um viertel nach sieben stiegen die 60-Kilometer-Läuferinnen und -Läufer (+2982m, -3145m) auf halber Strecke ein und die teilnehmerstärksten Kategorien über 30 (+1835m, -1900m) und 15 Kilometer (+725m, -793m) nahmen um 9 bzw. 9:15 Uhr die nicht minder schönen und spektakulären Schlussabschnitte der langen Strecken in Angriff.

Die Route führte über zwei Gebirgszüge im Osten der Insel, dem Tronqueira- und dem Fogogebirge. Dabei wurde bis 2019 mit dem 1105 Meter hohen Pico da Vara auch der höchste Berg von Sao Miguel gequert, was wegen einem Erdrutsch seit 2021 allerdings nicht mehr möglich ist.

Butterweiche Genusstrails durch dunkle, feuchte, duftende Urwälder und entlang kleiner Wasserkanäle, sogenannter Levadas, sorgten für einen Sinnesrausch. Unwirklich satte Grüntöne, meterhoher Farn und kleine Wasserfälle schmückten den Trail. In den Höhenlagen spröde, baumlose Landschaft, an der Steilküste entlang des Ozeans abstrakte Skulpturen aus erstarrter Lava, die vor Jahrhunderten ins Meer floss. Wild und archaisch, jeder Meter ein Genuss!

Die Laufstrecke tangierte zwei der berühmtesten Gewässer der Insel, die Kraterseen Lagoa das Furnas und Lagoa do Fogo, beide Überbleibsel vulkanischer Aktivitäten. Am Furnassee richtete die letzte Eruption von 1630 und ein nachfolgendes Erdbeben verheerende Zerstörungen an. Heute bildet die Hügellandschaft ein einzigartiges Trail- und Wanderrevier.

Am nördlichen Ufer des blaugrünen, von tiefen Wäldern umgebenen Kratersees qualmt, schwefelt und blubbert es aus Erdlöchern und die kleine Ortschaft Furnas lockt mit Thermalbädern. Der Pico do Barrosa, welcher majestätisch über dem Lagoa do Fogo thront, sorgte 35 Kilometer später für den abschließenden Höhepunkt.

Der 947 Meter über dem Meer liegende zweithöchste Berg der Insel betäubt hier normalerweise die Trailläufer mit grandiosen Panoramablicken. Azurblauer Himmel verschmilzt mit dem tiefen Blau des Ozeans. Schluchten, Ortschaften, Landzungen und Küstenlinien, sowie das vorgelagerte Inselchen Ilhéu da Vila tauchen messerscharf im Sucher der Pupillen auf. Hier findet Google Earth in der Liveversion statt und man will gar nicht mehr runter!

Normalerweise! Diesmal herrschte ausgerechnet am Renntag Sauwetter mit Sturmböen, Nebel und Regengüssen, was für die Jahreszeit jedoch nicht unüblich ist. Und unter diesen Umständen wollte man so schnell wie möglich wieder runter … Aber es half nichts, knapp 1000 Höhenmeter mussten wieder abgearbeitet werden. Natürlich nicht ohne krasse Zwischensteigungen und herrlichen Schlammpassagen im azoreanischen Urwald.

In dem lauschigen Ort Vila Franca do Campo an der Südküste, ehemalige Hauptstadt der Insel, bevor diese nach einer Naturkatastrophe von Ponta Delgada abgelöst wurde, endete für alle vier Kategorien das Rennen. Jeder Finisher bekam eine Holzmedaille umgehängt und erhielt eine warme Mahlzeit. Während der Portugiese Cesar Duarte die 110 Kilometer lange Ultrastrecke nach 14:55 Stunden beendete, benötigte seine Landsfrau Fatima Buchas auf dem 9. Gesamtplatz und als erste von nur zwei Damen im Ziel, 17:18 Stunden. Wegen der extrem fordernden Wetterlage beendeten nur 23 von 110 Startern den längsten Lauf.

Vitor Cruz (POR) benötigte für die 60-Kilometer-Strecke 6:45 Stunden, während Otmane Benhlima aus Marokko als letzter Finisher doppelt so lange unterwegs war und das Trailabenteuer 13:30 Stunden lang genoss. Insgesamt 850 Trailläuferinnen und Trailläufer beendeten alle vier Rennen.

Die Azoren bezaubern mit einem Farbenspiel auf der Leinwand der Natur. Man lebt und fühlt die Atmosphäre der Ruhe und die Abgeschiedenheit der Inseln, wo das Leben dem Rhythmus der Jahreszeiten folgt. Der Epic Trail Run Azores ist definitiv eine Reise wert!