Fit statt kaputt
Verletzungen beim Laufen vermeiden: So geht's
Schon wieder verletzt – schon wieder Laufpause. Nichts hasst du mehr. Wie du es schaffst, Verletzungen beim Laufen zu vermeiden erklärt dir unser Experte Dr. Matthias Marquardt im Interview.
Die Erklärung für häufige Verletzungen beim Laufen zu finden, ist sehr individuell. Allerdings: Verletzungen bedeuten nicht selten, dass eine Belastung den Körper überfordert hat. Mit anderen Worten: Es war zu viel, zu schnell, zu lange. Daneben gibt es natürlich auch andere Aspekte. Zu kurze Pausen lassen dem Körper zum Beispiel nicht ausreichend Zeit zur Regeneration. Und es geht noch weiter: Mangelnde Stabilität im Körper verhindert nicht nur eine optimale Leistung, sondern erhöht auch das Verletzungsrisiko. Und auch dafür sollte Zeit sein: abwechslungsreich und alternativ trainieren. Das macht Spaß und verhindert einseitige Überlastungen. Worauf du beim Lauftraining achten musst, um Verletzungen zu vermeiden, verrät dir unser Experte Dr. Matthias Marquardt im Interview.
Höheres Gewicht führt nicht automatisch zu mehr Verletzungen beim Laufen
Matthias, manche Läufer sind scheinbar dauernd verletzt – andere nie. Gibt es Personen, die aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen einfach verletzungsanfälliger sind?
Ausgeprägte Fehlstellungen führen aller Erfahrung nach häufiger zu Verletzungen. Aber nicht alles, was man vermutet, lässt sich auch wissenschaftlich beweisen. So steigt die Verletzungshäufigkeit zum Beispiel eben nicht mit dem Körpergewicht – abgesehen von massivem Übergewicht. Ich glaube, man muss bei manchen Läufern vorsichtiger mit Umfängen oder Intensitäten sein, aber den sicheren Verletzungsprädiktor gibt es leider nicht.
Was sind denn eigentlich die häufigsten Gründe für Verletzungen bei Läufern?
Zu schnell gesteigertes Training. Übertriebene Umfänge. Unzureichende Regeneration. Kein Stabilisationstraining. Schlechter Laufstil. Unpassender Laufschuh. Und zwar genau in der Reihenfolge, in ihrer Relevanz absteigend sortiert. Läufer tendieren manchmal dazu, die Wichtigkeit genau andersherum zu bewerten.
Am besten wäre ja, man ist nie verletzt. Dafür sollte man natürlich nicht übertrieben sein Training steigern. Gibt es eine Richtlinie, wieviel Steigerung noch okay ist?
10 Prozent Steigerung von einer Trainingswoche zur nächsten sind eine gute Bauernregel. Individuelle Limits bleiben aber leider trotzdem bestehen. Bei mir sind es 40 Kilometer pro Woche, bei mehr Umfang kamen die Überlastungsbeschwerden. Andere schaffen 70, wieder andere 120 Kilometer pro Woche. Was immer das Limit ist: Mach das Beste draus. Fast immer schlägt Fleiß das Talent!
Gerade wenn man nicht auf der Straße unterwegs ist, sondern im Wald, ist der Weg oft uneben. Schnell ist man mal umgeknickt. Was kann man vorbeugend tun?
Neben aufmerksamen Laufen hilft es natürlich, seine Sprunggelenke zu stabilisieren. Einbeiniges Zähneputzen – eine Minute links, eine Minute rechts – auf einem Stabipad, das heißt einem weichen Kissen, hat schon manches Umknicken verhindert!
Erkältungen sind zwar keine Verletzungen, halten einen aber auch oft vom Training ab. Wie kann ich Erkältungen vermeiden?
Zungenschaber und Nasendusche gehören für Sportler bitte zur Grundausrüstung! Sie aktivieren die Schleimhaut-Abwehrbarriere der oberen Atemwege. Außerdem: Die Vitamin D-Werte, die ich in meiner Praxis bei den Ausdauersportlern messe, sind oft erschreckend niedrig. Vitamin D ist wichtig für Ihre Immunabwehr. Beim nächsten Check-up also bitte Vitamin D und am besten gleich auch B12 und Eisen messen lassen! Denn auch ein Mangel an Vitamin B12 und Eisen macht anfälliger für Erkältungskrankheiten.
Und wann darf ich bei einer Erkältung wieder loslaufen?
Wenn man erkältet ist, sollte man niemals mit Fieber trainieren. Bevor man wieder loslegt, sollte man mindestens drei Tage fieberfrei sein. Alles andere wäre Harakiri. Eine Herzklappenentzündung mit irreversiblen Schäden droht. Mit einer leichten Schnupfnase kann man vielleicht noch einen kleinen lockeren Dauerlauf machen, schneller gesund wird man dadurch aber auch nicht. Im Gegenteil! Spätestens bei Husten ist aber sowieso Schluss mit Training. Kuriere dich aus und steige dann locker wieder ein.
Ohne Verletzungen laufen: Das richtige Training hilft
Wie können mir Krafttraining und Stabilisationsübungen helfen, dass ich mich nicht mehr verletze?
Wenn das sogenannte „Alignement“, also die optimale Ausrichtung des Achsenskeletts verbessert wird, führt das zu einer verringerten Belastung von Gelenken und Sehnen. Deswegen sollte man unbedingt Stabitraining machen.
Welche Rolle spielt eigentlich die Ernährung bei der Verletzungsprophylaxe?
Mikronährstoffe und antientzündliche Nährstoffe wie Omega-3 Fettsäuren gehören zur Verletzungsprophylaxe unbedingt dazu. Sie halten die Zellmembranen geschmeidig und liefern das Grundgerüst für entzündungshemmende Botenstoffe im Körper. Kerne, Saaten, Nüsse, Fisch und Gemüse sollten also die Grundnahrungsmittel sein und nicht das deutsch-mediterrane Ernährungsmissverständnis „Pizza und Pasta“.
Mal heißt es, man soll sich vor dem Laufen aufwärmen und dehnen, andere sagen, man soll es sein lassen. Das gleiche gilt für nach dem Sport. Was soll man nun tun?
Ich glaube, das Missverständnis liegt hier: Was macht der Leichtathlet zum Aufwärmen? Locker laufen. Wenn mein Training aber ein extensiver Dauerlauf ist, dann erübrigt sich damit das Aufwärmen. Bei intensivem Training bleibt das Einlaufen mit Steigerungen aber obligat. Dehnen empfehle ich unbeweglichen Sportlern bei warmen Muskeln nach dem Training.
Eine Sache, die viele unterschätzen, ist die Regeneration. Wieso ist es wichtig, auch mal nichts zu tun?
Das ist sogar sehr wichtig. Denn ein Trainingsreiz, der nicht in einer Pause verarbeitet werden kann, ist ein sinnloser Reiz! Man wird dann trotz Trainings einfach nicht besser. Dazu noch folgende Weisheit: Ich kenne keinen Marathon, der an drei Trainingseinheiten zu wenig gescheitert ist. Aber unzählige, die an einer Einheit zu viel gescheitert sind!
Welche Rolle spielt die richtige Ausrüstung?
Der Laufschuh und eventuell auch die Einlage müssen zu Laufstil, Gewicht, Fußtyp, Biomechanik und Verletzungsmuster des Sportlers passen. Das ist auch heute noch keine Aufgabe für Computer. Nur das menschliche Gehirn kann eine so komplexe Entscheidung auf Basis von langjähriger Erfahrung umsichtig treffen. Also, vertraue den alten Hasen im Fachgeschäft!
Gibt es DIE Zauberformel, um Verletzungen zu verhindern?
Ja klar. Ritter Sport - Weiße Nuss. Ist doch klar! Im Ernst: Zaubermittel gibt es keine, aber meine Top-Empfehlung zur Verletzungsprophylaxe bleibt das barfüßige Auslaufen auf Rasen nach dem Training. Fünf Minuten reichen schon, um Fußmuskeln, Stabilität, Koordination und Lauftechnik nebenbei zu verbessern!