Härtetest: Mit Joey Kelly durch die Wüste Namibias

Härtetest: Mit Joey Kelly durch die Wüste Namibias

| Christian Ermert I Fotos: Thomas Stachelhaus
Hitze. Sand. Blasen. Skorpione. Wilde Affen. All‘ das erlebte Andreas Ewald an der Seite von Joey Kelly in den Wüsten Namibias.

Hitze. Sand. Blasen. Skorpione. Wilde Affen. All‘ das erlebte Andreas Ewald an der Seite von Joey Kelly in den Wüsten Namibias. Und bei dem Rennen, das eigentlich als Wettkampf geplant war, wurden die beiden Freunde.

Wie hart ist Joey Kelly wirklich? Diese Frage stellte man sich irgendwann im vergangenen Jahr in der Redaktion von Stern-TV bei RTL. Und kam auf die Idee, fünf ganz normale Sportler zu suchen, die sich einem Härtetest mit dem Ex-Musiker und Extremsportler stellen. Als Moderator Steffen Hallaschka dann vergangenen Herbst fragte „Wer ist härter als Joey Kelly?“, saß im niedersächsischen Horneburg Andreas Ewald vor dem Fernseher. Der 36-Jährige kam auf die Idee, sich zu bewerben. Und das ohne große Erfahrungen im Extremsport. Der Inhaber einer Werbeagentur ist zwar seit drei Jahren Tag für Tag drei bis vier Stunden sportlich aktiv, aber Wettkämpfen interessieren ihn nicht.

Namibia-GPS
Über GPS-Empfänger und Laptop verfügten nur Joey Kelly und das RTL-Team. Die Teilnehmer wussten nie, wie lange und wohin sie laufen müssen.
Nach diesem Vorspiel brach die Gruppe zum Waldlauf auf. Wohin? Wie lange? Außer Joey Kelly und dem RTL-Fernsehteam wusste das niemand. Nach drei Stunden Laufen war es schon lange dunkel. Müdigkeit. Mitten im Wald wurde geschlafen, vielleicht eine Stunde, dann führte Joey die Bewerber zu den Mountainbikes, die von den RTL-Mitarbeitern an der verabredeten Stelle deponiert worden waren. Die nächtliche Tour war fast 70 Kilometer lang. Sie führte an den Start des Röntgenlaufs.

Der Marathon gab der Hälfte der Bewerber den Rest. Fünf von ihnen erreichten das Ziel. Alle anderen gaben wegen Krämpfen oder Kreislaufproblemen auf. Andreas Ewald aber lief die ganzen 42,195 Kilometer an der Seite von Joey Kelly. Und wurde ausgewählt, zusammen mit vier anderen den Härtetest mit Joey Kelly bestreiten zu dürfen.

Schon beim Casting machte sich sein tägliches, stundenlanges Training bezahlt. „Ich fahre jeden Morgen 15 Kilometer mit dem Rad ins Büro nach Stade und nachmittags wieder zurück. Und dann laufe ich noch mal eineinhalb bis zwei Stunden im Wald“, erzählt er. Warum tut er das? „Das ist für mich wie Meditation. Mein Kopf wird frei“, sagt er.

In Namibias Hauptstadt beginnt der Härtetest

Mit seinem Auftritt beim Casting hatte er sich aber erst für die eigentliche Aufgabe qualifiziert. Und die begann an einem Nachmittag im Dezember am Frankfurter Flughafen. Dort traf er sich mit Joey Kelly, dem RTL-Team und den anderen Kandidaten Birgit Schmidt-Böse, Frank Pachura, Klaus Möllenhoff und Falko Toetzke. Wohin die Reise gehen würde, erfuhren sie erst kurz vor dem Einchecken: Windhoek stand als Ziel auf den Tickets. In der Hauptstadt Namibias im Südwesten Afrikas sollte also der Härtetest beginnen: Ein Wüstenlauf gegen Joey Kelly.

Von Windhoek aus geht's an die Küste

Wieder wird es ein Lauf ins Ungewisse. Keiner der Teilnehmer weiß, wohin es geht oder wie lang die täglichen Etappen sind. Nur eins ist klar: Zehn Tage muss man durchhalten, um eine Chance auf die 10.000 Euro zu haben, die der erhalten soll, der sich als härter als Joey Kelly erweist. In Windhoek angekommen, geht’s erst mal ins Hotel. Nach zwei komfortablen Nächten dann die Ansage: Rucksäcke packen, es geht los. Mitnehmen darf jeder so viel, wie er tragen will. Mit drei Ausnahmen: Keine Handys, keine Schmerzmittel, keine Lebensmittel. „Da nimmt natürlich niemand für jeden Tag eine frische Unterhose mit. Man muss ja alles schleppen“, sagt Andreas Ewald. Genau wie die anderen beschränkt er sich auf das nötigste. Schlafsack, Isomatte und – eine Packung Zigarillos. „Ich bin Genussraucher. Und die Aussicht auf den ersten Zug im Ziel hilft mir, meinen inneren Schweinehund zu besiegen“, erklärt er.

Namibia-Schatten
Das einzige schattige Plätzchen in den nächsten 100 Kilometern.
An einem dieser Abende hat sich dann das RTL-Team noch eine besondere Gemeinheit einfallen lassen. Während die Teilnehmer an ihrem Energieriegel knabberten und Wasser mit Eletrolytpulver tranken, hatte man mitten in der Wüste einen Tisch mit einem Topf voll Essen aufgebaut, dazu ein paar kühle Bier. „Ihr könnt euch davon nehmen, aber für jeden der es tut, reduziert sich das Preisgeld um 2000 Euro“, war die Ansage. „Hat natürlich keiner gemacht, das war ein bescheuertes TV-Element“, erzählt Andreas Ewald.

Vielleicht hätte das anders ausgesehen, wenn die Aktion an den letzten drei Tagen stattgefunden hätte. Denn nach einer knappen Woche in der Wüste wurde den Teilnehmern das Essen ganz gestrichen. Es gab nur noch Wasser und Pulver mit den wichtigsten Mineralien. Daran scheiterte der letzte verbliebene Konkurrent von Andreas Ewald. Der ist erfahrener Extremläufer und meistens sehr austrainiert. Ohne Nahrung wurde genau das zum Problem. Falko Toetzke ging buchstäblich die Energie aus. Andreas Ewald war dagegen wie Joey Kelly mit Fettreserven in das Abenteuer gestartet, von denen er zehren konnte. „Außerdem faste ich jedes Jahr einmal für drei Wochen. Dabei hat mein Körper anscheinend gelernt, Energie aus dem zu gewinnen, was da ist.“

Frank Pachura und Klaus Möllenhoff waren schon zuvor ausgeschieden. Beide litten an riesigen Blasen an den Füßen und Schmerzen. Andreas Ewald hatte für das Wüstenabenteuer die ältesten Sportschuhe ausgewählt, die er in seinem Schrank finden konnte. Ganz einfache Treter waren das, meilenweit entfernt von dem, was die Sportartikelhersteller fürs Trailrunning anbieten. „Das war vielleicht meine beste Entscheidung“, sagt er. Und er hat gelernt, dass es in Grenzsituation nicht aufs Material ankommt.

Auch die körperlichen Fähigkeiten sind nicht das alles Entscheidende. Schließlich waren seine Konkurrenten viel erfahrenere Läufer als er. Am vierten Tag war Andreas Ewald am Tiefpunkt angekommen. Die Energiespeicher waren leer, auch er hatte Blasen an den Füßen, zwar viel kleinere als die anderen, aber gequält haben die doch. Dazu die Hitze und jede Nacht nur vier Stunden Schlaf. Andreas Ewald hätte jederzeit aussteigen können, in kürzester Zeit wäre er einem Hotel gewesen, mit Bar, Pool und einem weichen Bett. „Ich habe mich dann aber ganz bewusst für die andere Möglichkeit entschieden. Ins Ziel kommen, eine rauchen, ein Bier trinken und dann das Hotel genießen. Das fand ich einfach verlockender.“

Und so ist er weitergelaufen, immer an der Seite von Joey Kelly, und auch das größte Abenteuer des gesamten Laufs konnte sie nicht aufhalten. „Es ist toll, zu erleben, was man noch mobilisieren kann, wenn man eigentlich schon geglaubt hat, an der Grenze angekommen zu sein. Und dann löst sich die Grenze einfach auf.“

Auf halbem Weg zwischen Windhoek und der Atlantikküste ging es durch den Kuiseb Canyon. Ein ausgetrockneter Fluss hat hier eine tiefe Schlucht in die Namib-Wüste gegraben. Für Jeeps ist das Gelände unzugänglich. Andreas Ewald und Joey Kelly waren ganz auf sich selbst gestellt. Weil es tagsüber mittlerweile zu heiß war, liefen sie jetzt nachts.

Mit Stirnlampen sind zwischen den hohen, steilen Felswänden in der Schlucht unterwegs, als sie hoch über sich zwei Paar hell leuchtende Augen entdecken. Sie bleiben stehen, ein gellend lautes Geschrei erhebt sich. Sie hatten eine Pavian-Horde aufgeschreckt, die sich in die Felsen zum Schlafen zurückgezogen hatte. Kaum war der Schreck verdaut, erblickten sie vor sich einen Schatten, der ebenfalls aussah wie ein Affe. Als sie näherkamen, erkannten sie im Licht der Stirnlampen, das es ein toter Pavian war. „Das war fast wie im Horrorfilm“, erzählt Andreas Ewald.

Weil das Team keine Zelte aufbauen kann, schlafen die beiden in dieser Nacht unter freiem Himmel und sehen unzählige Sternschnuppen. Am Ende der Etappe müssen sie ungesichert die Steilwände hochklettern, um den Canyon zu verlassen. Hinterher erfährt Andreas Ewald, dass ein Rettungshubschrauber bereit stand.

Namibia-Ziel
Nie haben Zigarillo und Dosenbier besser geschmeckt als nach diesen 441 Kilometern durch die Wüste. Andreas Ewald in der Brandung des Atlantiks.
P.S.: Stern TV hat Andreas Ewald als Anerkennung seiner Leistung einen Mallorca-Urlaub spendiert. Und seit Namibia ist er mit Joey Kelly befreundet. Die beiden telefonieren öfter und Andreas Ewald sagt über ihn: „Er ist Sportler und Unternehmer. Ich auch. Da gibt es viel Gesprächsstoff.“