Sport und Sex
Laufen hält die Spermien fit

| Text: Dr. Stefan Graf | Fotos: Adobe Stock

Laufen und Sex – vielleicht die schönsten Nebensachen der Welt. Studien belegen jetzt: Dosierter Sport ist gut für ein erfülltes Sexleben und hilft auch beim Kinderkriegen. Denn Laufen hält die Spermien fit.

Laufen und Sex – vielleicht die schönsten Nebensachen der Welt. Studien belegen jetzt: dosierter Sport ist gut für ein erfülltes Sexleben und hilft auch bei der Zeugung von Kindern.

Läufer wissen und unzählige Studien belegen es: Vernünftig dosierter Ausdauersport hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf- und Immunsystem, auf innere Organe, den Energiehaushalt, den Bewegungsapparat und vieles mehr. Ein Bereich ist dabei allerdings noch nicht hinreichend untersucht: Wie wirkt sich Laufen auf die Sexualität und Fortpflanzungsfähigkeit aus? Die Forschung läuft allerdings auch hier auf Hochtouren und untersucht: Welche „Potenzen für die Potenz“ stecken im Joggen? Und die Ergebnisse zeigen auch hier: Laufen lohnt sich! Wem es bislang an der Motivation zum Laufen gefehlt hat, der bekommt jetzt die ultimativen Gründe geliefert, warum er es regelmäßig tun sollte. Denn es geht um das Wichtigste: um den eigenen Nachwuchs. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird die „Potenz“ gewöhnlich mit der männlichen „Standfestigkeit“ (erektile Funktionalität) gleichgesetzt. Und da finden sich schnell eine Handvoll wissenschaftlich untermauerter Belege, warum Sport und Laufen auch hier hilft.

1. Laufen hilft dabei, den Blutdruck und Cholesterinspiegel zu senken. Das schützt die Blutgefäße. Durch intakte Blutgefäße kann wiederum das Blut störungsfrei fließen und für eine stabile Erektion sorgen.

2. Laufen erhöht zudem den Testosteronspiegel. Und Testosteron spielt eine bedeutende Rolle bei Spermienbildung, Erektion und Lust auf Sex.

3. Laufen wirkt auch Übergewicht entgegen und senkt so die Wahrscheinlichkeit für mechanische Erektionshemmnisse.

4. Laufen hilft beim Stressabbau. Stress und psychische Belastungen hemmen die Sexualität.

5. Laufen verbessert das eigene Körpergefühl und die Eigenwahrnehmung. Eigene Körpersignale können so besser erkannt und umgesetzt werden.

Während es im alltäglichen Sprachgebrauch bei Potenz meist nur um die Erektion geht, umfasst der Begriff im medizinischen Sinne noch weit mehr: nämlich alle für die Zeugung von Kindern relevanten Faktoren. Dazu gehören die Qualität und Beweglichkeit der Spermien sowie die Güte der Eizellen und die Fähigkeit der Frau, den Embryo auszutragen. In diesem Komplex war die Datenlage über die Wirkung regelmäßigen Laufens bislang dünn.
Neue Forschungsansätze der Epigenetik belegen jetzt: Regelmäßiges Lauftraining mittlerer Intensität hat einen positiven Effekt auf die Qualität von Samen und Eizellen. Es schützt das darin enthaltene Erbmaterial – die DNA – auf mehreren Ebenen vor Beschädigung.

Die „Epigenetik“ erforscht die Auswirkung unserer Lebensbedingungen auf die Regulation unserer Gene. Zu den Lebensbedingungen gehört neben Umweltfaktoren, die vom Menschen kaum beeinflussbar sind, vor allem der individuelle Lebensstil. Wie man sich ernährt, ob man raucht oder viel Alkohol trinkt, besonders aber auch das Bewegungsverhalten hat einen immensen Einfluss auf die Aktivität der Gene. Gene können durch Anheftung- bzw. Abspaltung kleiner chemischer Moleküle blockiert bzw. aktiviert werden. Dass die „Schalterstellungen“ der Gene durch den Lebensstil massiv beeinflusst und die „Schaltpläne“ an den Nachwuchs weitergegen werden, ist die epochale Erkenntnis der jüngsten Forschungsgeschichte. Der Sport spielt da eine wichtige Rolle. 

Denn: Wer regelmäßig in moderater Dosierung läuft, trägt dazu bei, dass der eigene Nachwuchs aus Samen und Eizellen mit einem gesunden Genregulationsmuster gezeugt wird. „Gute“ Gene, die beispielsweise die Information für Schutzproteine gegen Krankheiten tragen, sind auf „an“ gestellt. Gefährliche, potenziell Krankheiten auslösende Gene, die jeder von uns in sich trägt, werden bei Läufern besser in Schach gehalten.

Aber wieviel Sport ist nun wirklich gut? Zweimal pro Woche „volle Pulle“ oder fünfmal moderat oder doch gleich das momentan sehr angesagte hochintensive Intervalltraining – was ist im Hinblick auf den Kinderwunsch der Favorit? Reproduktionsmediziner aus Gießen sind dieser Frage auf den Grund gegangen – haben sich aber vorerst nur mit dem männlichen Erzeugerpart befasst. In einer Studie teilten die Wissenschaftler 280 gesunde Männer zwischen 25 und 40 Jahren in vier gleichwertige Gruppen. Über 24 Wochen trainierte jede Gruppe nach einem anderen Prinzip. Die erste Gruppe führte ein kontinuierliches Lauftraining in moderater Intensität durch, die zweite ein kontinuierliches Lauftraining hoher Intensität. Gruppe drei unterzog sich einem Intervalltraining hoher Intensität, während die letzte Gruppe gar keinen Sport machte.

Vor, während und bis 30 Tage nach der Trainingsphase wurden im Sperma der Probanden eine Reihe aussagekräftiger Marker für die Fruchtbarkeit und Samengesundheit bestimmt. So wurden beispielsweise oxidativer Stress, der Gehalt an Antioxidantien, Entzündungszeichen oder auch DNA-Schäden untersucht. Das erste eindeutige Ergebnis: Nach 24 Wochen regelmäßigen Trainings hatten sich die Werte der Reproduktionsmarker bei den Probanden aller drei Sportgruppen im Vergleich zu ihren eigenen Ausgangswerten und gegenüber den Nichtsportlern signifikant verbessert. Die Vorteile hatten zum Teil noch 30 Tage nach Trainingsende Bestand. Sport an sich hilft also schon einmal. 

Kontinuierlicher, dosierter Sport wirkt positiv auf Sex und Fortpflanzung.

Aber was ist nun die beste Trainingsform, wenn es um die männliche Reproduktionsfähigkeit geht? Als Sieger ging hier Methode A hervor, das kontinuierliches Lauftraining mittlerer Intensität. Probanden steigerten sich hierbei von anfangs drei bis vier Wocheneinheiten à 25 bis 30 Minuten auf vier bis sechs Einheiten à 40 bis 45 Minuten. In Bezug auf Mobilität, Morphologie und Zahl der Spermien zeigten die moderaten Läufer signifikant bessere Werte als ihre hochintensiv trainierenden Kollegen der Kontinuum- (B) und Intervallgruppe (C).

Jüngst gaben Untersuchungen auch erste Ergebnisse im Hinblick auf Frauen. Bei der Studie ging es um die immunstärkende Wirkung von Sport. Die Abwehrmaschinerie der weiblichen Eizelle ist entscheidend in die Selektion des einen erfolgreichen Spermiums involviert, mit dem sie verschmilzt. Dieses Spermium soll ein hochwertiges sein, und daher legt die weibliche Immunabwehr der großen Schar von Spermien einige Steine in den Weg, um schwächelnde oder beschädigte Spermien auszumustern. Urologen aus Ulm und San Francisco haben aufgedeckt, dass die Immunabwehr der Eizelle „klebrige“ Eiweißfäden (sog. Amyloid-Fibrillen) im männlichen Sperma nutzt, um minderwertige Spermien einzufangen und der biologischen Entsorgung zuzuführen. Der gesunden Spermien-Konkurrenz verschafft das mehr Bewegungsfreiheit im Kampf um die „Pole-Position“. Mit regelmäßigem Laufen stärken Frauen ihr Immunsystem und damit die Fähigkeit ihrer Eizellen, schadhafte Spermien zu entsorgen. Doch auch hier gilt: nicht überpacen! Hochleistungssport wirkt eher immunschwächend.

Erste Untersuchungsresultate zeigen also: Spermien und Eizellen laufen mit und Sport ist gut für Sex und Fortpflanzung! Höchstleistungen sind dabei nicht nötig, um sie auf Trab zu bringen. Das Optimum liegt wie so oft in der Mitte. In Kontinuität und moderater Intensität des Lauftrainings liegt der Schlüssel zum Fortpflanzungserfolg. Wer läuft und noch ein wenig darauf achtet, was er isst und trinkt, dass er nicht raucht und Alkohol allenfalls sparsam konsumiert, tut das Beste, um seinem Nachwuchs einen gesunden Schaltplan für dessen Gene in die Wiege zu legen. Wenn das keine Motivation gibt!