Wie der Fachhandel mit kreativen Ideen durch die Krise steuert

Laufschuh-Kauf
Wie der Fachhandel mit kreativen Ideen durch die Krise steuert

| Text: Norbert Hensen und Niklas Lau | Fotos: Wilhelmi, Frankfurter Laufshop

Die Corona-Krise stellt die Welt vor große Probleme. Die Ausgangs- und Kontaktsperren in Verbindung mit Geschäftsschließungen der vergangenen Wochen haben auch die auf Laufschuhe spezialisierten Händler getroffen. Wir haben einige Inhaber befragt, wie sie mit der Krise umgegangen sind.

Die Corona-Krise stellt die Welt vor große Probleme. Wie viele Wirtschaftsbereiche ist auch der Einzelhandel durch die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 stark betroffen. Die Ausgangs- und Kontaktsperren in Verbindung mit Geschäftsschließungen der vergangenen Wochen haben auch die auf Laufschuhe spezialisierten Händler getroffen. Wir haben einige Inhaber befragt, wie sie mit der Krise umgegangen sind. Herausgekommen sind einige kreative Wege, Laufschuhe zu verkaufen. Seit einer Woche haben die meisten Geschäfte wieder geöffnet. Mit erstaunlichen Ergebnissen.

Seit gut einer Woche sind Laufshops bis 800 Quadratmeter, unter Berücksichtigung besonderer Auflagen, wieder geöffnet. Für die meisten Betreiber eine große Erleichterung, nachdem die Geschäfte länger als einen Monat geschlossen bleiben mussten. Man muss wissen: die wenigstens der Laufschuh-Spezialisten verfügen über andere Absatzkanäle als ihr stationäres Geschäft. Sie leben von einer sehr intensiven Vor-Ort-Beratung, punkten bei den Läufern mit fundierten Laufanalysen, bieten gemeinsame Aktionen an – sie betreiben neben dem Shop sozusagen auch eine Community. Beim Frankfurter Laufshop treffen sich sonst jeden Montag rund 100 Läufer zum gemeinsam Community-Run. „Das war und ist alles nicht möglich, wir mussten kreativ werden, sonst wären unsere Umsätze zu 100 Prozent eingebrochen“, beschreibt Jost Wiebelhaus, Chef des Frankfurter Laufshop die Situation.

„Laufanalyse@home“ und Versandservice

Wiebelhaus hat mit seinem Frankfurter Laufshop schnell auf die neuen Umstände reagiert. „Wir haben sofort einen Versandservice auf die Beine gestellt, damit konnten wir einen Teil der Fixkosten decken und waren in der Lage, unseren Mitarbeitern deutlich mehr als nur das Kurzarbeitergeld zu zahlen, erzählt Jost Wiebelhaus. Die Pakete werden wahlweise von Paketdiensten oder Laufshop-Mitarbeitern auf Fahrrädern zugestellt. Zu jedem neuen Serviceangebot hat Wiebelhaus zudem Videos produziert, die er auf den sozialen Kanälen ausgespielt hat.

Nicht die einzige kreative Idee, die aus der Not geboren wurde: Jost Wiebelhaus setzte innerhalb weniger Tage die „Laufanalyse@home“ ein. Dabei muss der Kunde einfach ein Video von sich selbst machen, wie er zum Beispiel im Hausflur ein paar Schritte läuft. Am besten von hinten und von vorne. Anschließend fotografiert er noch die Sohlen seiner alten Laufschuhe mit der zugehörigen Größe sowie Aufnahmen von seiner Fußform und sendet alles an seinen Laufshop.

Das Team um Jost Wiebelhaus hat Videos und Fotos analysiert, um anschließend in einer Telefonberatung den richtigen Laufschuh zu empfehlen. War der Kunde zufrieden, wurden die neuen Laufschuhe zugestellt. „Wir haben in den vergangenen Wochen auf diese Art überraschend viele Laufschuhanalysen auch von Neukunden durchgeführt“, sagt Jost Wiebelhaus nicht ohne Stolz.

Die Umsätze kommen dennoch nur an einen Bruchteil der Vorjahre heran, wenn man sie mit den guten Verkaufsmonaten März und April vergleicht.

„Hatten mit größeren Verlusten gerechnet“

Die Laufanalyse aus der Ferne über Videos und Fotos haben auch viele andere Laufschuh-Geschäfte mittlerweile im Angebot. „Das kam bei den Kunden sehr gut an“, berichtet auch Marc Böhme von Bunert aus Essen. Der Essener Laufladen nutzte wie viele andere Shops auch die sozialen Medien, um auf seine neuen Angebote aufmerksam zu machen. „Wir haben täglich Video-Produktvorstellungen auf unserer Webseite und auf Facebook und Instagram gemacht“, so Marc Böhme. Und ergänzt: „Wir haben Versand gelernt.“ Die Verluste konnten mit diesen Maßnahmen etwas aufgefangen werden. Marc Böhme: „Wir hatten mit mehr Verlusten gerechnet.“

Andere Beispiele bestätigen, was sich in den vergangenen Wochen in Deutschlands Laufschuh-Geschäften abgespielt hat. „Viele Händler haben die schwierigen Wochen und fehlenden Umsätze mit tollen Aktionen etwas kompensieren können“, sagt Christoph Görner, der gemeinsam mit Geschäftsführer Jörg Seifert viele Laufprofi-Händler berät, zu denen auch der Frankfurter Laufshop und Bunert – der Essener Laufladen gehören. So vermeldete ein anderer „Laufprofi“, der Absolute Run Laufladen Bonn, an den ersten beiden Tagen der Wiedereröffnung überdurchschnittliche Umsätze.

Großer „Run“ auf Beratungstermine

Die kleinen, hoch spezialisierten und meist Inhaber geführten Laufshops haben in den vergangenen Wochen viel gelernt. Und scheinen mit einem „blauen Auge“ davon gekommen zu sein. Wenn es nicht zu erneuten Schließungen kommt. Davor warnt vor allem Marc Böhme, der seit der Wiedereröffnung fast ausschließlich mit Terminvergaben arbeitet. „Ich appelliere an alle Kollegen und generell an alle Einzelhändler dafür zu sorgen, dass keine riesigen Warteschlangen entstehen, damit wir auch längerfristig geöffnet haben und nicht zurückgerudert wird. Sicher kann man ohne Termine mehr Umsatz machen, aber das ist gerade nicht alles.“

Und der Run auf seine Beratungstermine war „gigantisch“, wie Marc Böhme befand. Mehr als 500 Termine hatte er schon nach einer Woche vereinbart. „Wenn einer nur wegen einem Gutschein oder ein Paar Socken kommt, dann bedienen wir aber auch ohne Termin.“

Die Umsätze in der ersten Woche nach Wiederöffnung der Läden waren gut. Das macht Hoffnung. „Es gab einen gewissen Nachholbedarf, das haben wir bei vielen Händlern festgestellt“, sagt Christoph Görner, „einige haben sogar Rekordumsätze vermeldet.“

Was auch damit zu tun hat, dass viele Neukunden in die Läden kamen. „Das Bild, das wir draußen sehen, hat sich in den ersten Tagen auch bei uns im Geschäft widergespiegelt – viele neue Kunden, die gerade mit dem Laufen angefangen haben“, so Marc Böhme.

Wie es nach der Krise weiterläuft

Auch wenn die Krise einige Händler (bis jetzt) nicht so katastrophal getroffen zu haben scheint, sind die Auswirkungen für die Zukunft noch nicht absehbar. „Dass derzeit alle Laufevents ausfallen, wird uns mittelfristig weiteren Umsatz kosten“, weiß Jost Wiebelhaus, der eng mit einigen Laufveranstaltern kooperiert. „Vor einem Rennen gönnen sich viele Läufer gerne einen neuen Laufschuh, diese Käufe werden ohne Events zurückgehen.“ Aber Wiebelhaus bleibt zuversichtlich. „Wir freuen uns, wenn die Leute mit ihren alten Laufschuhen vorbeikommen und wir ihnen helfen können, das Laufen für sie noch besser und vor allem komfortabler zu machen.“

Ob alle Laufschuh-Spezialisten die Krise überleben, ist von zwei Dingen abhängig. Zum einen, ob es zu einer erneuten Schließung von Geschäften kommt, was derzeit niemand hofft. Und zum anderen, wie sich der Kunde langfristig verhält. Schätzt er weiterhin die erstklassige Beratung und die Community, die ihm sein Händler vor Ort bietet? Oder schaut er irgendwann nur auf den Preis und kauft seinen Laufschuh im Netz?

Marc Böhme und Jost Wiebelhaus sind optimistisch. Sie tun alles, um mehr zu sein als eine Verkaufsstelle für Laufschuhe. Sie kümmern sich – so wie auch viele ihrer Laufprofi-Kollegen - mit kreativen Ideen und viel Herzblut um ihre Kunden. Bleibt zu hoffen, dass die Läufer das zu würdigen wissen.