Warum gute Vorsätze auch so manchem Ambitionierten gut täten
Dr. Matthias Marquardt führt eine Praxis, die von vielen Läufern besucht wird. Was er ihnen bei Problemen rät, erzählt er in seiner Sprechstunde auf laufen.de.
Diesmal, warum wir Läufer, die schon lange dabei sind, sich besser nicht über die lustig machen sollten, die jetzt mit guten Vorsätzen auf die Strecke gehen, um dann in ein paar Wochen schon wieder verschwunden zu sein. Denn in seiner sportmedizinischen Sprechstunde offenbart sich häufig, dass auch ambitionierte Läufer in einigen Bereichen große motivationale Defizite haben.
Dein Experte: Dr. Matthias Marquardt
Dr. Matthias Marquardt ist Internist und anerkannter Sportmediziner. Er verfasste den Bestseller „Die Laufbibel“ und ist ein gefragter Experte für Motivation, Gesundheit, Ernährung und Work-Life-Balance. Dr. Matthias Marquardt praktiziert in eigener Praxis in Hannover.
Es ist Januar. Geschätzte 99 Prozent der deutschen Bevölkerung wollen abspecken. Die einen mit weniger Essen, die anderen mit joggen. Ganz Verrückte nehmen sich beides vor. Im Fitnessstudio sind keine Spinde mehr frei und Lauf-Kurse sind gefragt, als würde es ab Februar nie wieder welche geben. Nun ja, und in vier Wochen sind alle wieder im Essen-Schlafen-Arbeiten-Modus, der sich auch in den letzten Jahren stets durchgesetzt hatte.
Der eine oder andere Läufer schmunzelt gelegentlich über so viel willigen Geist und schwaches Fleisch. Denn gestählte Asketen rasen schließlich schon seit November allmorgendlich um 4:30 Uhr im Schneeregen durch die Nacht, während die Bürokollegen schon in der zweiten Kalenderwoche die Lust am Fitnessstudio verlieren. Spätestens, wenn einer Gruppe von erfahrenen Läufern beim Training im Januar von Spaziergängern zugerufen wird, wie lange sie Ihre Vorsätze denn einzuhalten gedenken, ist das überlegene Gelächter groß.
Die sportmedizinische Sprechstunde offenbart aber noch eine andere Seite der dauerlaufenden Motivationsexperten, die am Samstag kurz vor dem Frühstück schon einen Marathon absolviert haben. Die Frage „Wieviel Athletiktraining machen Sie denn pro Woche“ wird gerne mit ausführlichsten Berichten von sportlichen Heldentaten auf dem Fußballfeld im Jahre 1982 beantwortet.
Versucht man das Gespräch sanft ins hier und jetzt zurückzuführen, springen sie flugs in die Zulunft: „Ich habe mir vorgenommen, künftig zweimal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen.“ Ah ja. Die Frage: „Und was trainieren Sie wirklich?“ spare ich aus Gründen der Gesichtswahrung inzwischen aus und schlage stattdessen vor die Formulierung “gelegentliches Krafttraining“ in die Anamnese aufzunehmen. Dann können Sportler und Sportarzt lachen. Das ist wichtig!.
Hab' ein grandioses Jahr. Und hör nicht auf zu träumen!
Denn, liebe Sportsfreunde, der Mensch ist nicht so, wie wir superoptimierten, durch Apps gesteuerten, Goji-Beeren frühstückenden Supersportler mitunter von uns und anderen erwarten. Der Mensch träumt, der Mensch hat Wünsche, der Mensch ist emotional und unüberlegt. Er lässt sich verleiten. Er ist schwach und er scheitert. Immer wieder.
Die einen Ende Januar, wenn die Laufschuhe wieder in der Ecke liegen. Die anderen im April, wenn die Umfänge in der Marathonvorbereitung wieder hochgehen, man sein Wadentraining nicht gemacht hat und die Achillessehne wieder schmerzt. Die einen gehen dann zum ästhetischen Chirurgen, um das Problem der Disziplinlosigkeit zu lösen. Die anderen zum Sportarzt, der die Sehne mit Stoßwelle und Spritze wieder hinkriegen soll. Was beide eint: Sie waren zu schwach, es richtig zu machen.
Wer mir auf Facebook folgt, der weiß, dass ich mir sportlich dieses Jahr besonderes vorgenommen habe: Ich werde vernünftig werden. Ganz entspannt trainieren. Und Berlin finishen. Dummerweise träume ich eigentlich von einem schnellen Rennen. Denn der Mensch träumt. Und ich hoffe niemand verleitet mich zum Ballern auf der Bahn …
Hab' ein grandioses Jahr 2019. Hör' nicht auf zu träumen. Kämpfe für deine Ziele. Und sei nachsichtig mit dir und den anderen, wenn es mal hakt.