Die besten Tipps
Was tun, wenn die Achillessehne schmerzt?
Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des Menschen, aber grade beim Laufen ganz schön verletzungsanfällig. Hier erfährst du alles über Ursachen, Behandlung und Vorbeugung von Achillessehnenschmerzen.
Das ist die Läufer-Problemzone schlechthin: Fast jeder Zweite hat schon mal mit Achillessehnenschmerzen gekämpft. Die Achillessehne heißt so, weil sie die einzige verwundbare Stelle am Körper von Achill war – einem Helden aus der altgriechischen Mythologie. Der Name passt noch heute: Denn die Sehne, die Wadenmuskulatur und Ferse verbindet, ist zwar die dickste und stärkste im menschlichen Körper, aber gleichzeitig auch das Körperteil, das bei Läufern am häufigsten für schwerwiegende Probleme, lange Laufpausen oder sogar für das Ende aller Ambitionen sorgt. In der Normalbevölkerung haben drei bis vier Prozent der Menschen Achillessehnenbeschwerden, unter den Läufer sind es bis zu 40 Prozent.
Wir haben unseren Experten Dr. Matthias Marquardt gefragt, was man gegen Achillessehnenprobleme tun kann. In unserem Interview und dem Video dazu erklärt der Läuferarzt und Autor des Bestsellers Die Laufbibel, warum die üblichen Mittel gegen Entzündungen bei Schmerzen am Übergang von der Wade zur Ferse nicht helfen. Und sagt, was du tun kannst, um deine Sehne nicht zum Problemfall werden zu lassen. Dr. Matthias Marquardt ist Facharzt für Innere Medizin, Sportmedizin und Chirotherapie. Sportler bereitet er mit seinem motivierten Praxisteam auf Sportereignisse vom Volkslauf bis zum Titelgewinn beim Ironman Hawaii vor. Die Patienten kommen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Hannover/Langenhagen, um die Expertise dieser Praxis zu erleben.
„Eis und entzündungshemmende Medikamente helfen meist nicht“
Matthias, wenn die Achillessehne schmerzt, muss sie entzündet sein. Das denken viele. Also Eis drauf und entzündungs- und schmerzhemmende Medikamente rein …
Dr. Matthias Marquardt: … nein. Genau das hilft meist nichts. Schon die Bezeichnung „Achillessehnen-Entzündung“ ist ein Missverständnis. Probleme mit der Achillessehne gehen allenfalls in der Startphase mit einer Entzündungsreaktion einher und haben ganz andere Ursachen und einen ganz anderen Verlauf als beispielsweise ein entzündeter Backenzahn. Der tut weh, wird rot und heiß. Dann nehme ich schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen oder Diclofenac ein, und das Problem schmilzt dahin wie das Eis in der Sonne. Auch bei Knieschmerzen nach harten Belastungen, die mit entzündlichen Prozessen verbunden sind, oder nach Sturzverletzungen helfen solche Medikamente in Verbindung mit Kühlung sehr gut. Wer das aber bei Achillessehnenschmerzen versucht, wird die Erfahrung machen: Das funktioniert so nicht. Die Schmerzen bleiben oder werden sogar schlimmer.
Im Video: Das hilft bei Achillessehnenbeschwerden
In unserem Video erklärt Dr. Matthias Marquardt am Beispiel eines seiner Patienten, worauf es bei der Behandlung von Achillessehnenschmerzen ankommt. Alex ist Langstreckenläufer und Triathlet. Er leidet seit rund sieben Jahren an Achillessehnen-Schmerzen. Verschiedene Therapien haben noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt, ein regelmäßiges Training ist kaum denkbar. Matthias Marquardt erklärt die möglichen Ursachen der Verletzung, nennt Therapieansätze, die bei Achillessehnenschmerzen helfen können. Dazu gehören auch Übungen und Behandlungen mit Tools wie Faszienrolle, Massageball, Flossband und Balancetrainer.
„Auch Laufpausen helfen meistens nicht nachhaltig“
Also hilft nur eine Laufpause?
Nein, auch eine Laufpause hilft bei einer Achillessehnenproblematik meistens nicht. Mit den ersten Laufschritten danach kommen oft auch die Schmerzen wieder. Dann kaufen sich die Läufer neue Laufschuhe, lassen sich Einlagen machen, tragen Bandagen oder fangen sogar an, ihren Laufstil zu verändern. Diese Leidensgeschichten enden dann meist mit irgendwelchen Naturheilmitteln als letzte Hoffnung, das Problem noch zu lösen. Funktioniert aber leider alles kaum.
Was sollte man stattdessen tun?
Man kann vorbeugen: Eine behutsame Steigerung von Umfang und Intensität ist ein ganz guter Schutz vor Achillessehnenproblemen. Regelmäßig die richtigen Dehn- und Kräftigungsübungen zu absolvieren, beugt auch vor. Man kann damit auch noch anfangen, wenn die ersten Schmerzen schon da sind. Denn Achillessehnen-Erkrankungen kommen nicht von heute auf morgen. Das ist ein schleichender Prozess, der meist beginnt, wenn Läufer ihre Laufumfänge deutlich steigern, weil es ihnen so großen Spaß macht oder weil sie ihre Leistungen verbessern wollen. Es beginnt mit einem Zwicken an der Sehne bei den ersten Schritten, das dann beim Laufen wieder verschwindet. Oder die Schmerzen tauchen morgens nach dem Aufstehen auf und lassen erst nach ein paar Schritten wieder nach. Das lässt sich noch leicht ignorieren, aber spätestens dann sollten Läufer mit den richtigen therapeutischen Maßnahmen beginnen. Und sich nicht einfach einreden, dass das schon wieder wird. Denn zu diesem Zeitpunkt lässt sich eine Verschlimmerung der Achillessehnen-Erkrankung noch relativ leicht verhindern.
„Ganz einfache Übungen, die viel bewirken“
Und was muss man dazu tun?
Am wichtigsten ist das so genannte Exzentrik-Training für Waden und Sehnen. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach. Man braucht dafür nur eine Treppenstufe und vielleicht ein Geländer oder eine Wand, an der man sich abstützen kann, um stabiler zu stehen: Dann stellt man beide Fußballen auf die Stufe, senkt die Ferse des einen Fußes ab, verweilt einen Moment am tiefsten Punkt und drückt anschließend die Ferse wieder nach oben, bis der Fuß nur noch auf den Zehen steht. Den anderen Fuß hebst du an. Das Ganze macht man 15-mal mit dem einen Fuß, wechselt dann zum anderen und ziehst insgesamt dreimal 15 Wiederholungen pro Fuß durch. Das gilt allerdings nur für Läufer, die Probleme an der Sehne und nicht im Bereich des Sehnenansatzes an der Ferse haben. Wer dort Schmerzen hat, sollte die Überstreckung von Achillessehne und Wade vermeiden und die Übung nicht an der Treppe sondern auf einem flachen Untergrund absolvieren. Dabei geht man mit einem Fuß in den Zehenstand und senkst dann die Ferse wieder auf den Boden ab.
Wie wirken diese Übungen aus medizinischer Sicht?
Sie erzeugen eine Zugspannung auf die Collagen-Fasern, aus denen die Achillessehne besteht. Dadurch werden die Fasern gestärkt und das eingelagerte Wasser reduziert. Wenn das ein bisschen weh tut, ist das nicht schlimm. Exzentrik-Training sollte nach den ersten Symptomen einer Achillessehnenproblematik mindestens zwölf Wochen lang, am besten zweimal täglich absolviert werden. Noch besser ist es allerdings, diese Übung vorbeugend in seine Trainingsroutine einzubauen, sodass Achillessehnen-Probleme erst gar nicht auftreten.
Eine sehr einfache Therapie …
… ja, man muss sie nur machen. Die Wissenschaft ist sich einig, dass dies die wirksamste Art ist, Achillessehnen-Erkrankungen vorzubeugen und zu behandeln. Ergänzen lässt sich die Therapie durch das sogenannte „Flossing“. Dabei werden das Sprunggelenk und die Sehne so eng mit einer Bandage umwickelt, dass sie fast nicht mehr durchblutet werden. Dann absolviert man mit dieser Wicklung die Exzentrik-Übung. Wenn danach die Umwicklung wieder entfernt wird, steigt die Durchblutung der schmerzhaften Bereiche deutlich an, was die Heilung fördert.
„Biomechanische Bewegungsanalysen und Trainingsberatung sind ganz wichtig bei der Therapie“
Darf man in diesem Stadium der Erkrankung laufen?
Ja, aber mit geringeren Umfängen und in ruhigerem Tempo als sonst. Wichtig ist es, die Zeit mit weniger Training zu einer biomechanischen Bewegungsanalyse und Trainingsberatung zu nutzen.
Was wird dabei untersucht?
Man schaut, ob der Läufer den richtigen Schuh mit der für ihn richtigen Fersensprengung hat. Ob er einen Schuh mit oder ohne Pronationsstütze benötigt. Ob orthopädische Einlagen erforderlich sind. Es wird angeschaut, ob er X- oder O-Beine hat, ob er Vor- oder Rückfußläufer ist. Auf Grundlage dieser Analyse wird der Läufer dann in Sachen Schuhwahl und Laufstil beraten.
Was gehört alles zu einer umfassenden Untersuchung bei Achillessehnen-Erkrankungen?
Die Veränderungen der Sehne lassen sich mit Ultraschall erkennen. Die Bewegungsanalyse kann auf einem großen Laufband erfolgen. Dabei wird von mehreren Seiten gefilmt, um den Laufstil darzustellen. Daneben sollten aber auch mit Laufsensoren Bewegungsdaten auf den Untergründen erhoben werden, auf denen der Läufer tatsächlich läuft. Ganz wichtig ist die Trainingsberatung, denn circa 50 Prozent der Achillessehnen-Erkrankungen entstehen durch Trainingsfehler wie zu schnelle Steigerungen der Laufumfänge oder durch zu geringe Regenerationszeiten zwischen den einzelnen Belastungen. Aber auch mangelndes Athletiktraining oder das Vernachlässigen von Dehnübungen können eine große Rolle spielen.
Und wenn ich schon in fortgeschrittenem Stadium der Erkrankung bin?
Dann kann zusätzlich zu den bereits beschriebenen Maßnahmen eine Stoßwellentherapie helfen. Damit wird die Regeneration erkrankter Sehnenfasern unterstützt.
Man hört ja auch schon mal davon, dass Achillessehnenschmerzen mit Cortison behandelt werden ...
... das sollte man nicht tun. Dieses Medikament bremst den Stoffwechsel, was dazu führt, dass sich das Sehnengewebe noch langsamer regeneriert als sowieso schon. Die Achillessehne braucht 500 Tage, um alle ihre Zellen einmal auszutauschen. Cortison-Behandlungen können sogar Risse der Sehne verursachen. Wenn man die Stoßwellentherapie durch Spritzen ergänzen will, sollte man an Eigenblut denken. Dabei wird dem Patienten zunächst Blut abgenommen, aus dem dann Bestandteile gewonnen werden, die sich an die Sehne spritzen lassen, um dort regenerative Prozesse zu fördern.
Und wenn das alles nichts hilft?
Dann kann man die eingewachsenen Blutgefäße und Nerven veröden und so den Schmerz abstellen. Dazu spritzt man ein Mittel, das auch beim Veröden von Krampfadern verwendet wird. Das ist aber immer die letzte Möglichkeit, weil der Arzt dabei unter Ultraschallkontrolle genau aufpassen muss, dass er das Medikament an die exakt richtige Stelle spritzt. Denn es zerstört das verödete Gefäß oder den Nerv für immer. Ein Arzt, der diese Therapie anbietet, kann das natürlich. Aber wir sind ja immer bestrebt, die Patienten dem geringstmöglichen Restrisiko auszusetzen. Das gleiche gilt für den Einsatz von Röntgenbestrahlungen, die auch bei hartnäckigen Achillessehnen-Erkrankungen helfen können. Weil diese Therapie mit einer Strahlenbelastung verbunden sind, sollte sie immer erst zum Einsatz kommen, wenn alles andere nicht geholfen hat.
Und wer zahlt diese Behandlungen am Ende?
Von den gesetzlichen Krankenkassen werden die beschriebenen Leistungen nicht übernommen – außer Cortisonspritzen und Röntgenbestrahlung. Die private Krankenversicherung übernimmt die Behandlungskosten meistens. Läufer sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Heilung einer fortgeschrittenen Achilessehnenerkrankung schnell mehrere hundert Euro kosten kann – das macht Vorbeugen noch wertvoller.